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Sebastian Kurz ist gut für Österreich. Ob er gut für die ÖVP ist, bleibt abzuwarten

| 1. Juni 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 133

Liest man sich die zahlreichen Kommentare – und der Mainstream unserer Medien ist nunmal links(liberal), die Kronenzeitung lese ich zu wenig und muss ich in dieser Betrachtung auslassen – der Designierung von Sebastian Kurz zum nächsten Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei (aka Die Neue Volkspartei) durch, kann man als Bürgerlicher nur zu einem Ergebnis kommen: Dieser Mann macht alles richtig. Zumindest verdichtet sich dieser Eindruck, denn mit »paniknahe« ist der Zustand der freien Redakteure, Publizisten und Politbeobachter in Österreich durchaus treffend beschrieben.

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Wie sonst könnten Begriffe wie »Machtergreifung«, »Ende der zweiten Republik«, »Putsch«, »Führerkult« oder auch »Diktator Kurz« die Runde machen? Dankenswerterweise wurde mittlerweile auch schon einige Male darauf hingewiesen, dass die vereinigte Linke die ÖVP nun ausgerechnet dafür kritisiert, das ändern zu wollen, wofür sie jahre- wie jahrzehntelang (belächelt und) kritisiert wurde. Nämlich ein auf Bundesebene führungsschwaches »Bündemonstrum« gewesen zu sein, in dem der Bundesparteichef keine wirkliche Durchsetzungskraft (gegen »die Landeshauptleute«) entfalten konnte. Auch das weitere, in der Empörung und Sorge um das demokratische Wesen der VP halt verdrängte Detail, dass ein Jahr vor dem Rücktritt Reinhold Mitterlehners, die SPÖ auf die Demontage Werner Faymanns hin einen Christian Kern inthronisiert und mit Vollmachten ausgestattet hat, die bei Kurz jetzt staatsstreichähnlich diffamiert werden, zeigt wie waidwund die Linke sich gibt, wenn eine rote Kanzlerschaft offen bedroht scheint. (Auch lustig, da ja die »reine Machtgeilheit« aller Konservativen ein oftmaliges »Kritiknarrativ« von dieser Seite darstellt.)

Ist Sebastian Kurz nun aber wirklich dieser »Messias« für die Volkspartei? Meine persönliche Präferenz für ihn ist da eher zweitrangig; zuviele Parteichefs wurden in den letzten Jahren hochgejubelt, um sie nur kurz danach fallen zu lassen. (Prima vista war wohl nur Wilhelm Molterer – »Es reicht!« – der Aufgabe nicht gewachsen.)

Lange bin ich der tiefen Überzeugung gewesen, dass es für das »Überleben« der ÖVP, die seit 1987 ununterbrochen in der Regierung sitzt, notwendig wäre, sich in der Opposition zu erneuern. Nur haben die Entwicklungen seit 2015 (Krise der Europäischen Union, die primär aber nicht nur mit der Migrationsthematik zu tun hat) dazu geführt, dass ich – als Christdemokrat, als Liberalkonservativer, wie auch immer – es nun für notwendig erachte, dass eine bürgerliche Kraft regiert und eine Koaliton links der Mitte diesem Land großen Schaden zufügen würde. Sebastian Kurz scheint also die beste Lösung für die ÖVP zu sein. Und solange man das (im Grunde wundersame) Strohfeuer von SPD-Chef Martin Schulz als Warnung beachtet, ist bei der Nationalratswahl im Oktober ein sehr gutes Abschneiden der »Liste Kurz mit dem Rest der ÖVP« durchaus wahrscheinlich. Mit viel Luft nach oben.

Wie es aber mit der ÖVP weitergeht, steht noch in den Sternen. Mir als Verfechter einer Vertretungsdemokratie, die nun mal Parteien bedingt, ist das Schicksal meiner Partei somit eine Herzensangelegenheit. Selbstverständlich sind die Vorwürfe gegen die Bestellung von Kurz als »antidemokratisch« bloß taktisches Geschwurbel, sie haben aber einen wahren Kern! Nur betrifft dieser – und das ist das Fatale an der österreichischen Politik – alle Parteien. Die Grünen kaschieren das vielleicht mit ihrem Wir-geben-uns-alle-immer-die-Hände-und-lachen-dabei-ganz-lieb-Image am besten, man denke aber nur an Wien, wo die Parteichefin allen Ernstes das basisdemokratische Prinzip der Grünen nur dann einhält, wenn eine solche Entscheidung nach ihrem Dafürhalten ausfällt. Es ist also bei allen (Neos kenne ich zuwenig, das Team Stronach findet nicht mehr statt) wichtigen Parteien ein klares »Demokratiedefizit« auszumachen.

Kurz wird, davon bin ich überzeugt, diesem Land gut tun. Kurz hätte auch die Chance, die ÖVP zur ersten wirklich modernen – eine Bürgerbeteiligung auch anstrebenden (Internet?!) – Partei umzugestalten. Die Phrasen, die die neue Generalsekretärin bei ihrer Antrittspressekonferenz gedroschen hat, nähren da nicht ausschließlich Hoffnung. Aber die will ich ihrer Begeisterung für das neue Amt zurechnen; ich grenzenloser Optimist.

Editorial, Fazit 133 (Juni 2017)

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