Warum Kulturarbeit plötzlich sexy wird
Carola Payer | 29. Juni 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 134, Serie »Erfolg braucht Führung«
Zunehmender Wettbewerb erfordert kultursensibles Management. In Zeiten von Verdrängungswettbewerben wird in vielen Branchen der Kooperationsstil und die Fähigkeit, gut mit Kunden umzugehen, immer mehr als Kernkompetenz gesehen. Werden die Produkte und Dienstleistungen immer ähnlicher, werden Service und gezielte professionelle Kundenbetreuung bedeutender. Damit kommt automatisch die Art und Weise, wie im Unternehmen selbst gehandelt wird, mehr in den Fokus.
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Intern gelebte Wertschätzung und Kundenorientierung spiegeln sich auch am Markt wider. Interne Flexibilität und Innovationsbereitschaft tragen dazu bei, sich schneller an veränderte Kundenbedürfnisse anzupassen. So wie die Struktur sich an der Strategie orientieren soll, soll die Kultur die Strategie tragen.
»Der Geist und Stil des Hauses«
Unternehmenskultur – »das, wofür wir stehen« – die gemeinsamen, grundlegenden Überzeugungen einer Gruppe. Sie beeinflussen Wahrnehmung, Denken, Handeln und Fühlen und manifestieren sich auch in deren Handlungen und Artefakten. Die Überzeugungen sind oft auch nicht mehr bewusst, werden weiterentwickelt und an neue Gruppenmitglieder weitergegeben. In Organisationen kristallisieren sich in verschiedenen Abteilungen auch Subkulturen heraus. Die Kultur einer Marketingabteilung unterscheidet sich eventuell wesentlich von der Kultur einer Buchhaltungsabteilung. Weiters wird die Kultur auch von externen Faktoren (mechanistisches Wirtschaftsparadigma, Branchenmechanismen, landesspezifischer Kultur) beeinflusst.
Kulturarbeit braucht Reflexionsfähigkeit
Reflexion – Nachdenken über die eigenen Handlungen und das eigene Verhalten – muss gelernt werden. Nicht automatisch denken wir über die Art und Weise, wie wir handeln oder kommunizieren, nach. Nicht automatisch sind wir uns der Auswirkungen unserer Handlungen bewusst. Reflexionsfähigkeit fehlt jedoch als Gegenstand in den meisten Bildungsplänen. Daher herrscht oft in scheinbar sehr »rationalen« Betrieben ein starker »emotionaler« Reaktionsstil vor. Man reagiert oft impulshaft statt überlegt in Kooperationssituationen. Dies führt zu unnötigen Konflikten oder unerwachsenen Verhaltensweisen. Früher wurde das Nachdenken über sich selbst und das eigene Verhalten belächelt. Jene, die sich heute damit beschäftigen, wissen sehr wohl, dass die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung weitaus breiter sind: Steigerung der Effizienz und Effektivität, mehr Kreativität, mehr Konfliktfähigkeit, mehr Spaß bis zu weniger Krankenständen.
Ein System besteht aus Menschen, die sich verhalten
Menschen treten durch Verhalten und Kommunikation in Kontakt. Was hilft die beste Stellenbeschreibung, der optimal ausgearbeitete Projektplan nach intern definierten Standards, wenn Mann oder Frau sie nicht umsetzt, unterschiedlich interpretiert oder die Aufteilung von Zuständigkeiten anders sieht. Menschen müssen sich bewusst werden, dass ihr Verhalten die Realität mitkonstruiert und nicht DIE Realität ist, auf die sie keinen Einfluss nehmen können. Dies ist ein wesentlicher Aspekt, der in Kulturprozessen verstanden werden muss: Ich bin ein Teil dieser Kultur, ich spiele mit und reagiere auf sie, ich beeinflusse diese Kultur aber auch durch mein Verhalten.
Beispiele für problematische Kulturmerkmale in Zeiten von intensivem Wettbewerb
Das »Schwarze-Peter-Spiel« – wenn bei Problemen über die Schuldfrage gestritten wird, ist das immer ein Alarmsignal. Schuldorientierte Diskussionen suchen die »Guilty party«, also einen Schuldigen. Sie sind mit der Aufmerksamkeit in der Vergangenheit, schaffen den Rahmen für Abwertungen von beteiligten Personen und erzeugen negative emotionale Energien. Organisationen arbeiten immer mehr daran, Problemorientierung durch Lösungsorientierung abzulösen. Dadurch entsteht mehr Aufmerksamkeit im Moment und für die Zukunft. Das Feedback erfolgt wertschätzender und klarer und die Verantwortung wird eindeutiger übertragen. Ziel ist es, Handlungsoptionen für jetzt und für die Zukunft zu generieren. Warum-Fragen werden abgelöst von gestalterischen Fragen. Klingt ganz leicht und logisch. Ist es aber nicht, wenn die Organisation von Mustern des »Schwarzer-Peter-Spiels« über Jahrzehnte geprägt wurde. Der Fokus liegt auf dem Umgang mit Fehlern. Anerkennung bei Gelingen kommt zu kurz.
»Die Verwöhnkultur«
Es gibt Organisationen, die über Jahre durch fette Deckungsbeiträge oder gute Förderumfelder sehr verwöhnt waren. Die Mentalität der Fülle führt dazu, unbewusster mit Ressourcen umzugehen. Nicht erreichte persönliche Ziele hatten nicht so starken Einfluss auf das Gesamtergebnis. Man wurde gut versorgt und will das auch weiter so haben. Plötzlich werden Zielabweichungen thematisiert, Verkürzungen in den Sozialleistungen vorgenommen und es wird nicht mehr auf alle Wünsche so wohlwollend reagiert. Widerstände, das Paradies zu verlassen, werden sichtbar. Die Anstrengungsbereitschaft ist gering, das Verlangen nach Aufmerksamkeit und die Erwartung an Führungskräfte sehr hoch. Man glaubt, das Unternehmen hätte einen zu versorgen. Reformprozesse in solchen Kulturen werden zur besonderen Herausforderung.
Kultur macht auf jeden Fall einen Unterschied – nicht nur für das Wohlbefinden, sondern auch für die harten betriebswirtschaftlichen Zahlen. Ein weicher Faktor mit harten Folgen. Reflektieren Sie Ihre Kultur – es zahlt sich aus!
Dr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at
Fazit 134 (Juli 2017), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 5)
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