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Zur Lage (81)

| 1. Juni 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 133, Zur Lage

Über den Staatsstreich in der ÖVP und die darauf folgenden Reaktionen der geballten In­tel­lek­tu­a­li­tät Österreichs, über das neue Erscheinungsbild des Heinz-Christian Strache und sehr wenig über das real nie existierende Team Stronach.

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Diesmal hab ich mir ja wirklich ganz fest vorgenommen, es einmal so richtig modern angehen zu lassen, keine reaktionäreren Altspinnereien zu verzapfen, sondern ganz gegen meine Art die Mächtigen, die Regierenden, die da ganz oben, eben ordentlich vor mir herzuschreiben. Beginnen will ich mit dem obersten aller Österreicher, dem Bundespräsidenten, aber, schon da gerät mein Vorhaben ins Wanken. Der ist ja quasi omniunpräsent, also man hört und sieht vom Herrn Bundespräsidenten gleichsam gar nichts. Mir kommt fast vor, Heinz Fischer ist da noch aktiver, mehr Termine nimmt er wohl wahr als der sich gach in eine Art stille Pension begeben habende Alexander Van der Bellen. Gut, ich will nicht unfair erscheinen, unlängst hat er was Professorales zum Thema Kopfbedeckungen gesagt und gestern lese ich in einem Interview im Kurier, dass der Präsident sich nun entschlossen hat, innenpolitische Spuren zu ziehen. »Durchs Schimpfen kommen die Leute nicht zusammen, durchs Reden aber schon,« lautet das Substrat seines Beitrags für das politische Arbeitsjahr so far. Das kann man mögen; ein Norbert Hofer, Gott bewahr!, hätte das nie so formulieren können. In letzter Konsequenz erscheint es doch ein klein wenig als ein Gemeinplatz, den auch der quereinsteigende Bürgermeister von Minimundus nicht ganz so brilliant, aber doch sinngemäß ähnlich hingebracht hätte.

Und wenn ich mir die Partei des Bösen, die Bewegung der hinterwäldlerischen Profiteure und Egomanen vornehme, um da ein bisschen was auszuleuchten, tu ich mir auch schwer. Ich meine jetzt nicht die ÖVP, Sie Schlingelin!, ich denke an die andere große Kraft der dunklen Seite der Macht, an die FPÖ. Da hört man gar nichts mehr.

Als Reaktion auf die vom ehemaligen Chefredakteur der ÖVP-Tageszeitung »Süd-Ost-Tagespost« Gerfried Sperl als »Machtergreifung« entlarvte Designierung von Sebastian Kurz zum nächsten ÖVP-Bundesparteiobmann – wenn das legale Substanzen sind, die einen da von »Machtergreifung« radebrechen lassen, dann möcht ich die auch einmal inhalieren! – hat sich Heinz-Christian Strache eine Brille aufgesetzt. Na bumm. Mir als ahnungslosen Beobachter drängt sich da der Eindruck auf, dass Strache die ganzen Felle, die ihm davonzuschwimmen drohen, besser sehen will.

Ansonsten hat der Putsch in der ÖVP für einigen Furor in der österreichischen Innenpolitik gesorgt. Das gesamte linksgrüne Milieu ist in eine paniknahe, geradezu schockstarre Umtriebigkeit verfallen, die selten in diesem Land in solch breitintellektueller Dichte zu finden ist. Mit Gerfried Sperl an der Spitze haben ja viele der Großdenkerinnen heimischer Journalistik bei Sebastian Kurz genau das in Grund und Boden geschrieben, was viele der Großdenkerinnen heimischer Journalistik vor etwa einem Jahr bei Christian Kern als staatsmännisches Handeln gefeiert haben. Bekanntlich ist damals auf persönlichen Wunsch, wenn nicht Order, von Werner Faymann Kern als Nachfolger aus der Asche gestiegen und hat alle Entscheidungskompetenz der Sozialdemokratie in sich vereint. Auf politischer Seite haben neben der nun bebrillten FPÖ am professionellsten die Grünen auf die Revolte des schwarzen Jungstars reagiert. Die treten beim nächsten Mal gar nicht mehr an. Zumindest nicht unter Führung von Eva Glawischnig, die ist zurückgetreten. Die Grünen haben sich daraufhin dazu entschlossen, es ihrer bundesdeutschen Schwesterpartei, die in diesen Monaten von einem Wahldebakel in das nächste schlittert, gleichzutun, und wollen nun mit einer Doppelspitze bei der Nationalratswahl antreten. Dass eine der beiden Doppelspitzen, Ulrike Lunacek, die »Nationalstaaten in ihrer heutigen Form« und damit das österreichische Parlament abschaffen – und eine zweite Kammer, ähnlich dem segensreichen Bundesrat bei uns, dem noch segensreicheren Europäischen Parlament hinzufügen – will, erscheint aus »grüner Logik« heraus schlüssig. Was mich an ein herrliches Interview mit Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin der Stadt Wien, in einem Ö1-Mittagsjournal der letzten Wochen erinnert. Da hat Vassilakou über gute zwanzig Minuten die hyperdemokratische Struktur der Grünen gepriesen und vor allem das im grünen Statut festgeschriebene Prinzip der Urabstimmung für unentbehrlich erklärt. Es sei denn, eine solche Urabstimmung hätte den kleinen Makel, nicht so auszufallen, wie es die demokratische Anführerin der Grünen für richtig erachtet. Dann, aber nur dann!, würde man sich darüber hinwegsetzen. Weltklasse, oder?

SP-Chef Christian Kerns Reaktionen auf die Bastivolation haben nach meinem Dafürhalten etwas an Managerqualitäten vermissen lassen. Dass etwa gerade er sich gedacht hat, bei einer Minderheitsregierung, »da regiert die Minderheit, das machen wir!«, aber darauf vergessen hat, auch dazu eine Mehrheit zu benötigen, erscheint mir bei einem Ex-Bahnmanager, der ja auch wissen wird, dass ein »Schnellzug« nicht immer nur schnell sein darf, durchaus enttäuschend.

Was meine ÖVP betrifft, ja, da ist mir natürlich der viele Jubel auch schon einigermaßen suspekt. Kein Schatten ohne Licht: erfahre ich doch von einem Insider, dass man beim nächsten Parteitag auf die Bestuhlung verzichten wird können, weil durchgehende »Standing Ovations« zu erwarten seien. Und dass jetzt nicht mehr fünf, sieben Landeswichtige entscheiden, wie der Hase läuft, sondern Sebastian Kurz, jo mei! Das bedeutet im Grunde ja auch, dass nicht mehr fünf, sieben falsche Entscheidungen getroffen werden können, sondern nur mehr eine. Wenn das kein Qualitätssprung ist, dann weiß ich auch nicht. Bleiben Sie mir gewogen.

Zur Lage #81, Fazit 133 (Juni 2017)

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