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Trauben, Drachen und mehr

| 28. Juli 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 135, Fazitreise

Foto: Lucas Kundigraber

Zu Besuch im kroatischen Urlaubsjuwel Bol Das älteste Küstenstädtchen auf der Insel Brač pflegt eine lange Tennistradition, besitzt traumhafte Strände und preisgekrönten Wein. Und eine Höhle, die von Göttern längst vergangener Tage erzählt. Ein Spaziergang von Maximilian H. Tonsern.

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Sie seufzen erfreut auf, all diese Touristen im Bus, als jener die scharfe Serpentine brummend bergab rollt und unten am Meer die ersten Häuser mit den typisch roten Dächern zu sehen sind. Bol, dieses bekannte, dieses kleine Städtchen auf der Insel Brač ist in unmittelbarer Reichweite, die Möwen kreischen bereits. Zarter Kiefernduft liegt in der Luft. Die Straße endet, das Hotel Borak dient als Unterkunft. Weil das Essen, das ist dort wahrlich exzellent. Und ein Pläuschchen mit dem deutschsprachigen Koch wohl ein Geheimtipp für eine surreale Unterhaltung.

Tennis- und Schwimmparadies Bol
Direkt hinter dem Hotel liegt eine große Tennisanlage. Als Gastgeber eines ehemaligen WTA-Turniers pflegt Bol nämlich eine langjährige Tennistradition. Berühmte Turniere fanden dort bereits ab dem Jahr 1991 statt, Tennisgrößen wie Ana Kurnjikova oder Amelie Mauresmo traten dort auf. Nach längerer Pause wurde das Event nun als »WTA Croatia Bol Open« reaktiviert, gewinnen konnte heuer die Serbin Aleksandra Krunić, aktuelle Nummer 124 der Weltrangliste. Über zwanzig Plätze mit Granulatboden laden zudem ein, den Schläger selbst in die Hand zu nehmen und es Krunić gleich zu tun. Durch den kühlenden Wind und der herrlichen Aussicht auf Meer und Berge im Hintergrund sind häufige Fußfehler aber möglich. Nach anstrengenden Matches lädt der pittoreske Strand zum Verweilen und Ausruhen ein, besonders bekannt ist »Zlatni Rat«, das »Goldene Horn«. Es zeigt diesmal nach links. Das Wahrzeichen Bols, eine aus feinem Kies bestehende Zunge, reicht weit ins Meer hinein und verändert je nach Wind- und Strömungsrichtung die Position. Segelsurfer, auch dafür ist Bol beliebt, fahren bei gutem Wind daran vorbei. Unter Wasser wiegt sich sanft Seegras, zwischen den Halmen ruhen Fische. Ein Seestern läuft gemächlich von einem Stein. Das kristallklare Wasser erfordert keinerlei Tauchgänge, um dies sehen zu können.

Nach erfrischendem Badegang geht es auf langen, von Pinien und Kiefern gesäumten Strandwegen entlang bis hin zu einem kleinen, runden Hafen. Dort befindet sich nicht nur das sehenswerte »Palača«, ein kleiner Palast mit Renaissance- und Barockstil-Fassade, sondern auch zahlreiche kleine nett anzusehende Geschäfte, die sich in Torbögen befinden. Ramsch, Kitsch und Muscheln werden dort feilgeboten. Letztere verkaufen auch kleine Kinder am Straßenrand, die sich über die wenigen Kuna mehr freuen. Schmale Gassen führen dann den Berg hinauf, die Balkone an den Häusern ringsum werden von verschnörkelten, zierlichen Eisengeländern umrandet. Am östlichen Ende der Stadt thront das ehemalige Hotel »Bjela Kuća«. Heute ist das »Weiße Haus« eine Ruine, davor liegt aber eine kleine, malerische Bucht. Dort ist eigentlich der schönste Strand im ganzen Ort, fernab von jeglichem Tourismusrummel am Goldenen Horn und kaum besucht.

Preisgekrönte Trauben
Zurück im kleinen Hafen. Dort liegt auch der Weinkeller »Vinarija Jako vino«, im großen Haus der hiesigen Winzergenossenschaft. Hergestellt wird der weltberühmte und mit Preisen überhäufte Wein »Stina Plavac mali«. Die Trauben werden per Hand verlesen, sämtliche landwirtschaftliche Tätigkeiten im Weinberg ausschließlich von Hand verrichtet, nur rund 250.000 Flaschen im Jahr abgefüllt. Durch spezielle Eichenfässer aus den USA und Frankreich erhält jeder Wein seine besondere Note: rauchig oder intensiv fruchtig oder würzig-scharf, mit leichten Geschmacksempfindungen von Honig, Schokolade, Kirschen und Pflaumen. Bis zum Jahr 2005 besaß die Winzerei große Zisternen aus Zement, die aus der österreichisch-ungarischen Herrschaft stammen. Bei der Reinigung der Zisternen von den fermentierten Trauben konnten Arbeiter trotz doppeltem Lohn nur zwei bis drei Stunden arbeiten. Dann, so lacht man heutzutage bei Führungen durch den Weinkeller, waren sie einfach zu betrunken. Diese Trauben werden entweder von kleinen Winzern angekauft oder aus den eigenen Weinhängen bezogen, die sich mit 45 Grad Hanglage steil an die Bergketten rund um Bol schmiegen.

Das Geheimnis der Drachenhöhle
An eben diesen Weinlagen vorbei klettern Pinzgauer zur Drachenhöhle bei Murvica. Zu Fuß einige Stunden, dauert die Fahrt mit den österreichischen Oldtimern nur vergnügliche fünfzehn Minuten. Die Drachenhöhle überzeugt sowohl mit ihrer interessanten Geschichte als auch mit den sich dort befindlichen Reliefs. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Drachenhöhle im Jahr 1420, als Mönche des slawischen Ordens der Glagoliter sie als Einsiedelei nutzten. Die Glagoliter, hauptsächlich wegen ihrer eigenen Buchstabenschrift bekannt, flüchteten vor türkischen Angriffen im 15. Jahrhundert auf die Insel Brač. Neben der Höhle unterhielten sie auch zahlreiche Klöster auf der Insel.

Foto: Vjeko Bilota

Die Geschichte der Höhle jedoch ist weitaus älter, so nehmen kroatische Wissenschafter an. Aufgrund der Datierung der Skulpturen, die in die Höhleninnenwände geschlagen sind, reicht sie gar bis in das vorchristliche vierte Jahrhundert. Damals wurde die Höhle als Fruchtbarkeits- und Begegnungsstätte verwendet. Davon zeugt auch ihre vaginale Form. Besonders sehenswert ist das Relief beim Eingang, nach erfolgreicher Christianisierung eine Darstellung der Offenbarung nach Johannes: Eine Frau, gekleidet in Mond und Sterne, wird von einem Löwen vor einer Teufelsfratze und einem angedeuteten siebenköpfigen Drachen beschützt. Vor den Glagolitern war es eher eine andere, eine aus der slawischen Mythologie stammende Geschichte, wie gemutmaßt wird: Eine über den Gott des Himmels, Perun, und seinem Gegenpol in Schlangen- oder Drachengestalt, genannt Veles, der Gott der Unterwelt und der Erde.

Wenn Bol nicht reicht, lässt sich auch in der Umgebung Schönes entdecken. Vorbei an Feldern, übersät von »Gomela« genannten aufgeschichteten Steinhaufen, betritt man nach einem sozialistischen Partisanendenkmal das kleine Dörfchen Škrip, das älteste Dorf auf der Insel. Noch heute lassen sich die Reste einer Steinsarkophag-Herstellungsstätte besichtigen, nämlich in Form von Sarkophagen, die jedoch aufgrund von Produktionsfehlern nicht verkauft wurden. So stehen sie am Straßenrand, grau und manche tausendjährig alt und alle in irgendeiner Art und Weise fehlbar. Im Ort lebt auch ein altes Mütterchen, die, wenn sie nicht gerade Kohl zerpflückt, kurze Führungen mit anschließender Schnapsverköstigung und -verkauf anbietet. Das ist auch Tourismus, aber von unten. Einige Kilometer von Škrip entfernt liegt eine Brücke mit dem Namen »Frane Josipa«, wohl das wunderlichste Bauwerk auf der ganzen Insel Brač. Durch ein Unwetter im Jahre 1898 wurde eine kleine Holzbrücke zerstört. Üblicherweise selten genützt von einigen wenigen Weinbauern. Gemeldet an die Obrigkeit ließ Österreich-Ungarn dort sofort eine kolossale, breite, wuchtige Steinbrücke errichten. Sie wird in Erinnerung an den österreichischen Kaiser und König Jugoslawiens, Franz Josef der I., bis heute genützt – von einigen wenigen Weinbauern.

 

FaksimileReisen. Erzberg. Eisenstraße. Hochsteiermark
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Fazitreise, Fazit 135 (August 2017) – Fotos: Lucas Kundigraber, Vjeko Bilota

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