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Die Europäische Union muss im Konflikt um Katalonien vermitteln

| 27. Oktober 2017 | 1 Kommentar
Kategorie: Editorial, Fazit 137

In Spanien droht der Europäischen Union weiteres Ungemach. Die Separationsbestrebungen Kataloniens, eine von 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens, führten spätestens seit dem Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober dieses Jahres zu einer veritablen Staatskrise Spaniens. Und damit eben auch der Europäischen Union. Die sich nach Berichten der NZZ offenbar dazu entschlossen hat, »über Katalonien nicht zu sprechen«. Bis auf den belgischen Premier Charles Michel, der offenbar aus der Konstitution Belgiens heraus etwas mehr Verständnis für die Katalanen aufbringen kann, sehen also alle europäischen Regierungschefs den Konflikt als innerstaatliche Angelegenheit an; und wollen sich nicht einmischen.

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Die bundesdeutsche Kanzlerin Angela Merkel etwa drängte auf Einhaltung der spanischen Verfassung und »unterstütze die Position der spanischen Regierung«. Es ist schon richtig, die Verfassung Spaniens verbietet eigentlich das Unabhängigkeitsreferendum. Und würde der katalonische Präsident Carles Puigdemont endgültig die Unabhängigkeit Kataloniens erklären, dann steht die sogenannte »nukleare Option« ins Haus. Madrid könnte dann die Regionalregierung absetzen und deren Funktion vorrübergehend übernehmen. Derzeit nähren sich die Gerüchte, dass der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy zumindest eine »nukleare Option light« in Kürze einleiten wird, indem er für den Jänner Neuwahlen des katalonischen Parlaments ansetzt.

Die Einfallslosigkeit, mit der die europäischen Regierungen (und mit ihnen das Mehr der Medien) auf dieses real existierende Problem zu reagieren vermag, erschreckt. Wie damals, lange vor dem Brexit, als Schottland eine – von der Verfassung des Vereinigten Königreiches gestattete – Abstimmung über seine Unabhängigkeit durchführte, wird erklärt, die Katalonen (zuvor eben »die Schotten«) wären dann ja nicht mehr Mitglied der EU, bräuchten plötzlich einen Pass, um zu Verwandten zu fahren, verlören den Euro. Bei Schottland hat sich das gedreht, da würde man offenbar sofort ein unabhängiges Schottland in die Union aufnehmen.

Wieso ein so kleines und vor allem kurzes Denken? Bei allem Verständnis für Befürchtungen etwaiger Folgeseparationen (Südtirol, Belgien sowieso, das Baskenland, …), kann man die Situation, die das Einschreiten der spanischen Polizei am Tag des Referendums in Katalonien geschaffen hat, nicht Vergessen machen. Menschen wurden gewalttätig an ihrer Teilnahme an der Abstimmung gehindert, es sind Bilder durch die Welt gegangen, die eine brutale spanische Exekutive gezeigt haben. Die Verfassung eines Landes ist das eine, die Erklärung einer Unabhängigkeit von einer staatlichen Entität das andere. Die wird in aller Regel gegen geltende Verfassungen geschehen. Hier beginnt sich langsam nationales Recht in Völkerrecht zu transferieren, ein Recht, das im Grunde dem nachkommt, was der Stärkere vorgibt. Und nochmals die Bilder der zu brutalen spanischen Polizei vor Augen, möchte ich hier keinen Bürgerkrieg herbeischreiben, es sind aber genau solche Bilder, die rasch zum Pulverfaß werden können.

Publizistin Ulrike Guérot hat schon vor zwei Wochen einen dritten Weg für Spanien empfohlen und dieser Vorschlag hat viel Charme. Sie denkt an ein Europa der Regionen, in dem auch ein unabhängiges Katolonien ganz selbstverständlich Teil der EU sein kann. Die links verortete Guérot denkt dabei vor allem daran, die »nationalen Strukturen« – die historische Entwicklung Europas also – aufzubrechen und damit zu überwinden. Ich aus meiner konservativen Sicht heraus habe damit trotzdem wenig Probleme, weil nationale Identitäten immer existieren werden, dabei aber – in einem »Vereinten Europa« – nicht zwingend mit Grenzen zu tun haben müssen. Ein Europa der Regionen wäre – unabhängig vom aktuellen Konflikt zwischen Madrid und Barcelona; den es dafür entschärfen könnte! – für die Union ein sinnvoller Weg hin zu einer dann endlich auch (!) europäischen Identität.

Sich als EU aber aus dem spanischen Dilemma herauszuhalten, erscheint verantwortungslos. Die Unruhen um das Referendum machten klar, es wurde zu wenig verhandelt. Die EU muss jetzt, ohne Partei für eine Seite zu ergreifen, vermitteln. Ob das aber mit Juncker und Co. noch zu schaffen ist, steht zu bezweifeln.

Editorial, Fazit 137 (November 2017)

Kommentare

Eine Antwort zu “Die Europäische Union muss im Konflikt um Katalonien vermitteln”

  1. Katalonien: Die europäische Büchse der Pandora - NachrichtenflussNachrichtenfluss
    27. Oktober 2017 @ 22:48

    […] Empfehlung: Auch mein Kollege Christian Klepej hat über das Dilemma von Katalonien geschrieben. […]

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