Tandl macht Schluss (Fazit 137)
Johannes Tandl | 27. Oktober 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 137, Schlusspunkt
Wer fürchtet sich vor Rot-Blau? Die Wahl ist ausgegangen, wie zu erwarten war. Die türkis gefärbte ÖVP hat mit deutlichem Vorsprung gewonnen und die SPÖ ist Zweiter geworden. Nur der Knieschuss, mit denen sich die Grünen aus dem Parlament geschossen haben, hat doch überrascht. Die Sozialdemokraten wurden nämlich in den Großstädten trotz des auf sie zurückführbaren »Dirty Campaignings« gewählt; und zwar von denselben Bobos, die die Grünen zuletzt in vielen Wiener und Grazer Bezirken zur stärksten Partei gemacht hatten. Dieser SPÖ-Erfolg ist Ergebnis der patscherten grünen Kampagne. Ulrike Lunacek hatte ihr Klientel nämlich nur vor Schwarz-Blau und nicht vor Rot-Blau gewarnt. In dem sie nur gegen Sebastian Kurz kämpfte, grub ihrer Partei das Wasser ab. Das grüne Kernpublikum fühlte sich dazu eingeladen, die SPÖ zu stärken, um Kurz und Strache zu verhindern. Dass nach der Wahl ausgerechnet die SPÖ die blaue Karte zücken könnte, kam den ehemals grünen Wählern nicht in den Sinn.
Überraschend war auch das gute Abschneiden der FPÖ. Die Freiheitlichen haben es tatsächlich geschafft, ihre Kampagne zu splitten – mit gewohnt eindeutigen Botschaften für die FPÖ-Kernwähler und mit weichgespülten Ansagen eines ungewohnt sanft auftretenden HC Strache. Nach dieser Wahl wäre es natürlich gerecht, wenn VP-Chef Sebastian Kurz die Regierungsbildung gelänge. Doch soll er nach allem, was vorgefallen ist, tatsächlich wieder eine Zusammenarbeit mit der SPÖ suchen? Eine Regierungsspitze, die nicht zusammenschaut, wäre wohl das Letzte, was das Land jetzt braucht. Nach vielen Jahren rotschwarzer Lähmung droht die Republik den Anschluss zu verlieren. Österreich kann sich bis jetzt sich nur deshalb einigermaßen vorne halten, weil den Leistungsträgern viel zu viel abverlangt wird. Jetzt müssen tiefgreifende Reformen folgen. Und die sind einem ÖVP-SPÖ-Bündnis einfach nicht zuzutrauen. Deshalb wäre jede andere Regierung besser als Schwarz-Rot.
Die Wahlprogramme von ÖVP und FPÖ weisen hingegen eine sehr große Schnittmenge auf. Und Sebastian Kurz hätte auch kein Problem, gemeinsam mit Strache zu regieren. Doch das Cover des letzten Falter, auf dem Sebastian Kurz als »Neofeschist« beschimpft wurde, war schon der erste Vorgeschmack jenes hasserfüllten Protests, der bei einem schwarzblauen Regierungsbündnis ins Haus stehen würde. Internationale Sanktionen wie jene, die 2006 von der SPÖ herbeigeführt wurden, gäbe es zwar keine mehr. Doch die radikale Linke würde – unterstützt vom ORF – alles tun, um die sogenannte Zivilgesellschaft gegen diese Regierung aufzuhetzen. Selbst gegen die sinnvollsten schwarzblauen Projekte, um Österreich fit für kommende Herausforderungen zu machen, würde gehetzt werden. Sie würden als Ausgeburten eines wiedererwachten rechten Ungeists, der sich mit dem Neoliberalismus gepaart habe, nicht nur national, sondern auch international verunglimpft werden. Daher wären die Erfolgschancen von Schwarz-Blau ähnlich begrenzt wie jene von Schwarz-Rot.
Bleibt noch die Zusammenarbeit zwischen SPÖ und FPÖ. Wie weit eine rotblaue Regierung Österreich nach vorne bringen kann, hängt vor allem davon ab, ob die FPÖ ihr modernes Wirtschaftsprogramm durchsetzen kann oder ob die klassenkämpferischen Kräfte in der SPÖ die Oberhand gewinnen. Die SPÖ-Basis in der Gewerkschaft und den Sektionen hätte jedenfalls kein Problem mit einer Politik, die sich an den Leistungsträgern orientiert, solange sie ihre Pfründe in den Kammern und Sozialversicherungen retten kann. Denn nur die Leistungsträger können dafür sorgen, dass der Sozialstaat für jene, die ihn wirklich brauchen, auch langfristig zur Verfügung steht.
Obwohl Rot-Blau eine ziemliche Herausforderung für die linke SPÖ-Jugend und die vielen Parteikader wäre, die aus ihr hervorgegangen sind, wären die Proteste gegen eine solche Regierung nur halb so laut wie gegen Schwarz-Blau. Damit könnte im Umgang mit der FPÖ endlich so etwas wie demokratische Normalität einkehren. Das Risiko für das Land wäre bei Rot-Blau jedenfalls kaum größer als bei den beiden anderen denkbaren Regierungsvarianten.
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Tandl macht Schluss! Fazit 137 (November 2017)
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