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| 4. Oktober 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 136, Fazitthema

Während sich die Parteien vor der letzten Nationalratswahl mit ihren Wahlversprechen deutlich zurückhielten, ist diesmal alles anders. SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS übertrumpfen sich mit ihren Ankündigungen, die Arbeitnehmer und Unternehmen entlasten zu wollen. Die Versprechen reichen von 3,7 bis 9 Milliarden Euro. Daneben gibt es aber noch weitere Bereiche in den Wahlprogrammen, die massive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort haben könnten. Text von Johannes Tandl.

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Der Wahlkampf befindet sich in der heißen Phase. Und obwohl die mediale Omnipräsenz der Wahlwerber vielen der etwa 6,4 Millionen Wahlberechtigten bereits unerträglich erscheint, belegen die hohen Einschaltquoten bei den unterschiedlichen TV-Formaten ein bemerkenswert großes Zuschauerinteresse. Die vielen Experten kündigen daher bereits eine steigende Wahlbeteiligung an, die darauf zurückzuführen sei, dass die Wählerinnen und Wähler erstmals seit langem das Gefühl hätten, mit ihrer Stimme tatsächlich eine Veränderung erwirken zu können. Die vom Wahlergebnis entkoppelte automatisierte Fortsetzung der SPÖ-ÖVP-Koalition scheint diesmal nämlich alles andere als festzustehen.

Alle wollen die Steuerzahler entlasten
Neu ist, dass mit der ÖVP, der FPÖ und den NEOS gleich drei Parteien die Abgabenquote von derzeit knapp 44 Prozent auf unter 40 Prozent senken wollen. Auch die Wahlzuckerln, die eine Entlastung des Faktors Arbeit ankündigen, weisen quer durch das Parteienspektrum eine ähnliche Geschmacksrichtung auf. Allen Parteien scheint klar zu sein, dass die hohe Abgabenlast längst Wirtschaftswachstum und Beschäftigung hemmt. Selbst wenn die vollmundigen Versprechen daher nach der Wahl nur teilweise umgesetzt werden, ist aufgrund der einhelligen politischen Forderungen damit zu rechnen, dass die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Lohnnebenkosten tatsächlich sinken werden.

Am detailliertesten sind die Steuerpläne der ÖVP. Sie fordert eine Vereinfachung des Steuerrechts und plant eine Senkung der ersten drei Progressionsstufen; von 25 auf 20 Prozent für Einkommensteile zwischen jährlich 11.000 bis 18.000 Euro, von 35 auf 30 Prozent für Einkommensteile zwischen 18.000 bis 31.000 Euro und von 42 auf 40 Prozent für die Einkommensteile zwischen 31.000 und 60.000 Euro. Die drei höheren Progressionsstufen für die Besserverdiener sollen unberührt bleiben.  Zusätzlich soll es für jedes Kind eine Steuergutschrift von 1.500 Euro geben, die bei Alleinerziehern vom nicht erziehenden an den erziehenden Elternteil weitergegeben werden muss. Dadurch wird etwa bei Familien mit zwei Kindern der Erziehungsberechtigte erst ab 3.100 Euro brutto im Monat lohnsteuerpflichtig.
Die SPÖ und die Grünen fordern hingegen, dass die Lohnsteuerpflicht für alle erst ab einem Monatseinkommen von 1.500 Euro einsetzt. Die FPÖ ist weniger konkret und will die Lohn- und Einkommensteuerpflicht gemeinsam mit den Lohnnebenkosten deutlich senken. Für die Familien plant sie Entlastungen im Ausmaß von einer Milliarde Euro jährlich. Noch allgemeiner halten sich die NEOS, die von deutlichen Entlastungen von acht Milliarden Euro sprechen. Im NEOS-Zukunftsmanifest kommen dafür Worte wie Einkommensteuer oder Lohnnebenkosten erst gar nicht vor.

Wird die kalte Progression wirklich abgeschafft?
Auch bei der Abschaffung der kalten Progression könnte sich diesmal wohl tatsächlich etwas tun. Die inflationsbedingten Lohnanpassungen bringen dem Staat jährlich zusätzliche Steuereinnahmen von etwa 1,6 Milliarden Euro, weil die Steuerzahler in höhere Progressionsstufen aufsteigen, ohne real mehr zu verdienen. ÖVP und FPÖ wollen dieses Geld zur Gänze refundieren, SPÖ und NEOS wollen das inflationsbedingte Steuerplus zumindest dämpfen. Die SPÖ plant eine zusätzliche Umverteilungskomponente, die gewährleisten soll, dass zumindest die Geringverdiener von der kalten Progression entlastet werden.

Insgesamt lassen sich die Pläne von SPÖ und Grünen zur Entlastung der Arbeit so zusammenfassen, dass die unteren Einkommen stärker profitieren sollen als die höheren. ÖVP, FPÖ und NEOS wollen hingegen sämtliche Steuerzahler entlasten. ÖVP und FPÖ wollen außerdem ein zusätzliches Förderinstrument für Familien im Steuersystem etablieren.

Unternehmenssteuern
Als durchaus spektakulär muss man auch die Steuerpläne der weniger weit links stehenden Parteien ÖVP, FPÖ und NEOS im Unternehmensbereich bezeichnen. Die ÖVP will die GmbH-Gründung durch den Wegfall der Mindeststammeinlage und die Streichung der Mindestkörperschaftssteuer massiv erleichtern. Sie will außerdem die Körperschaftssteuer (KöST) auf nicht entnommene Gewinne völlig streichen, was einer hundertprozentigen Abschreibung auf Investitionen bis zur Höhe des Jahresgewinnes im Anschaffungsjahr gleichkäme, und die Abschreibemöglichkeiten auf Investitionen generell – was auch immer das heißen mag – flexibilisieren. Gegenfinanzieren will die ÖVP diesen Teil ihres Wirtschaftsprogrammes mit höheren Steuereinnahmen durch ein höheres Wachstum. Die Autoren des VP-Wahlprogrammes führen die KÖST-Senkung von 34 auf 25 Prozent im Jahr 2005 ins Treffen. Schon damals habe sich die Tarifreduktion nicht auf das Gesamt-KÖST-Volumen ausgewirkt, weil es zu entsprechenden Wachstums- und Gewinnsprüngen gekommen sei. Was die VP-Strategen jedoch nicht dokumentierten, ist die Umwandlung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften in GmbHs, die es 2005 gegeben hat. Durch die KÖST-Senkung hat sich der steuerliche Break-even zwischen KöST- und EST-pflichtigen Unternehmen nämlich zu Gunsten der GmbH verschoben. Die Mehreinnahmen bei der KöST wurden daher auch mit niedrigeren Einkommensteuereinnahmen und nicht nur mit Wachstum gegenfinanziert. Aber auch FPÖ und NEOS ticken ähnlich wie die ÖVP. Beide wollen die Mindest-KÖST ebenfalls abschaffen. Die FPÖ will zudem den KöST-Satz für nicht entnommene Gewinne auf 12,5 Prozent halbieren. Darüber hinaus will sie den Investitionsfreibetrag (IFB) wieder einführen und dynamische statt lineare Abschreibungen ermöglichen. Außerdem soll die Bildung von Verlustvorträgen erleichtert und die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro angehoben werden. Als durchaus innovativ ist die FPÖ-Idee zu werten, die sonst nur in der Kostenrechnung angesetzten fiktiven Eigenkapitalzinsen in Höhe des Refinanzierungszinssatzes steuerlich absetzbar zu machen.

Auch die SPÖ wirbt mit weiteren Ideen, durch die kleinere und forschungsintensive Unternehmen zusätzlich entlastet werden sollen. So soll es einen über eine Lohnnebenkostensenkung finanzierten Job-Bonus für jeden zusätzlich geschaffenen Arbeitsplatz geben, die Forschungsprämie soll auf 14 Prozent erhöht werden. Außerdem sollen eine sogenannte KMU-Investzuwachs-
prämie und eine Start-up-Förderung eingeführt werden. Anders als bei FPÖ und ÖVP sehen die SPÖ-Pläne aber auch zusätzliche Belastungen für die Unternehmen vor. Zu erwähnen sind die geplante Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung der Sozialkassen und die Erbschaftssteuer für Erbschaften ab einer Million Euro. Die Erbschaftssteuer würde die Weiterführung von Betrieben innerhalb der Familie jedenfalls deutlich erschweren. Dazu kommen Belastungen wie ein verpflichtender Papa-Monat auch in der Privatwirtschaft oder der doppelte Überstundenzuschlag für Teilzeitkräfte.

Wer soll das alles bezahlen?
Die ÖVP muss Entlastungsversprechen von 12 bis 14 Milliarden Euro gegenfinanzieren. 8 bis 10 Milliarden sollen jeweils zur Hälfte durch das zusätzliche Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum sowie über eine Ausgabenbremse hereinkommen. Der Zuwanderungsstopp in das Sozialsystem soll 1,5 Milliarden bringen, Einsparungen bei den Sozialversicherungen der Öffentlichen Verwaltung und die Bekämpfung der Steuerflucht sollen weitere 2,5 Milliarden Euro jährlich erlösen.

Die Gegenfinanzierungsrechnung der FPÖ sieht jährlich 1,8 Milliarden Euro bei eingesparten Förderungen und noch einmal den gleichen Betrag durch die »Optimierung des Föderalismus« vor. Im Gesundheitswesen übernimmt die FPÖ mit 4,75 Milliarden Sparpotenzial die Zahlen einer OECD-Studie, das Sparpotenzial bei Sozialausgaben wird mit 3,8 Milliarden geschätzt, die Zusammenlegung von Sozialversicherungen soll eine weitere Milliarde bringen. Gemeinsam mit weiteren Maßnahmen wie dem Privilegienabbau, einer optimierten Konzernbesteuerung oder einer E-Commerce-Steuer sollen so 13,2 Milliarden Euro jährlich zusammenkommen.

Beinahe ebenso ambitioniert ist die SPÖ. Sie will ihre Wahlversprechen von insgesamt 8,5 Milliarden Euro mit 8,7 Milliarden Euro gegenfinanzieren. Sie will 4 Milliarden Euro jährlich einsparen, die zusätzlichen Steuern sollen 2,5 Milliarden bringen und die Differenz von 2,2 Milliarden soll durch ein gestiegenes Wirtschaftswachstum hereinkommen.

Interessant ist übrigens, dass die hohe österreichische Mehrwertsteuer als wichtigste Einnahmequelle des Staates von keiner Partei angetastet wird. Die Mehrwertsteuer bringt etwa ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen und sollte eigentlich den linken Parteien wegen ihrer negativen Umverteilungswirkung ein besonderer Dorn im Auge sein. An eine Negativsteuer verschwendet übrigens nur die ÖVP einen Gedanken – und zwar in Form des Familienbonus von 1.500 Euro, der bei getrennt lebenden Paaren mit Kindern an den erziehungsberechtigten Partner weitergegeben werden soll.

Fazitthema Fazit 136 (Oktober 2017), Foto:

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