Zur Lage (86)
Christian Klepej | 30. November 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 138, Zur Lage
Eigentlich nur über ein Lied, über das ich viel zu lange gar nichts gewusst habe, zuvor kurz etwas über ein großartiges Grazer Café und dazwischen ein bisschen was über den Swing meiner Töchter und geradezu sträflich wenig über Jamaika.
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Am letzten Wochenende war ich mit meiner Familie in der Stadt. Wir waren mit den beiden Kindern beim »Kinderauer«, so nennen wir die Tummelplatz-Filiale des Grazer Bäckers Martin Auer, die ein besonderes Angebot für Klein- wie Kleinstkinder darstellt. Eine wirklich großartige Einrichtung übrigens, das wahrscheinlich einzige Kaffeehaus in Graz, wo sie sich – wenn Sie mit Ihren Kindern unterwegs sind – auch ein bisschen unterhalten können. Die Kinder tun es übrigens jedenfalls, das sich Unterhalten; ausreichend Spielzeug und Lesestoff garantieren ihnen Kurzweile. Besonders bewundern tu ich das Personal dort, wie es Martin Auer schafft, so wunderbare Damen zu finden, die den Stress, der durch herumtollende Kinder, Babygeschrei und immer wieder auftretendes Weinen ja geradezu unvermeidbar erscheint, bewältigen, ist mir beinah ein Wunder. Jedenfalls sind dort alle Angestellten immer und durch die Bank freundlich und ausnehmend hilfsbereit.
Nach Babycino für die Größere und Cappuccinos für die ganz Großen (auf »I« lass’ ich das nur enden, wenn ich italienisch red’) haben wir dann noch beim Weihnachtsmarkt am Tummelplatz vorbeigeschaut und uns ein bisschen bei den zahlreichen Basteleien, die dort feilgeboten werden, umgeschaut. Und just in dem Moment hat eine Kombo aus – wie ich später erfahren habe – vier Peruanern ein kleines Platzkonzert gegeben. »Quantanmera« war die Weise, die sie angestimmt haben und dieses von mir in zahlreichen Stätten dieser Welt meistens zu eher späten Stunden zigmale mitgesungene und noch öfter mitgegrölte Lied hat meine beiden Mädels – sie haben halt meinen Swing – dazu angehalten, ein bisschen mitzutanzen. (Ein Bild sag ich Ihnen, ein Bild für Götter. Viel mehr braucht man nicht im Leben, da kann im Standard noch zehnmal stehen, dass Wissenschafter jetzt erforscht hätten, Kinder würden unglücklich machen.)
Quantanamera also, haben Sie es auch schon im Ohr? Summen Sie schon heimlich vor sich hin? Quantanamera, lalala Quantanamera, Quantanameeera und so weiter und soo fooort.
Großartig. Das nenn ich einen Hadern. Ich singe übrigens meist »Quantanamera, ci sono vera Quantanamera«, wohlwissend, dass das so überhaupt gar nichts bedeuten kann und natürlich von jeder Textsicherheit soweit weg ist, wie etwa Sigrid Maurer von stilvollem Verhalten. Sie erinnern sich nicht, das ist jene Abgeordnete einer nicht mehr existenten Parlamentsfraktion, die quasi als Abschiedsgruß an uns Wähler, von den blanken Zahlen her an uns Nichtwähler vor allem, als Facebook-Profilbildchen ein Foto eingestellt hatte, auf dem sie ein Glas Schaumwein in der Hand hält. Und mit der anderen Hand uns allen den Finger zeigt. Kann man natürlich machen. Aber ich bin mir sicher, recht sicher, dass man – zumindest 2017 – noch kein Nazi ist, wenn man diese Geste dieser ganz sicher ganz großartigen jungen Frau jetzt eher nicht sooo super findet.
Egal. Quantanamera, lalala Quantanamera, Quantanameeera … Wie ich meine Kinder so tanzen gesehen hatte, ist mir nämlich eingefallen, und deswegen erzähle ich Ihnen das Ganze, ist mir eingefallen, ich hab dieses Quantanmera sicher schon in Paris, in London, New York und sonstwo gesummt und getanzt, aber ich weiß beim besten Willen nicht und – vor allem – ich wusste es auch noch gar nie, was dieses »Quantanamera« eigentlich bedeutet. Wobei, ich würde jetzt ja wirklich gerne wissen, wie es Ihnen beim Lesen da geht; ich für meinen Teil stehe ja jedesmal, wenn ich Quantanamera (lalala Quantanamera, Quantanameeera, klatsch klatsch) geschrieben habe auf, und singe einmal den mir nicht bekannten Text durch und swinge ein bisschen hier im Bureau.
Jedenfalls hatte ich keine Ahnung, was ich da eigentlich über Jahrzehnte besungen habe. Natürlich – da muss man gerade heute aufpassen, 88, 57, 12, gach ist das was, mit einem Bezug zum Bösen und das Dokumentationsarchiv hat lediglich geschludert – natürlich dachte ich zuerst einmal also an einen geheimen Code oder sonstwas. Ich hätte das zwar gleich am Tummelplatz googeln können, aber zum Einen ist das mit Handschuhen etwas umständlich und zum Anderen wollte ich einmal eine Lage über etwas schreiben, von dem ich keine Ahnung habe.
Üblicher deutschsprachiger Journalismus?, haben Sie jetzt gedacht, ein wunderbares Sittenbild unserer allgegenwärtigen Expertengesellschaft? Nein, gar nicht, nur so. Weil die Politik, die gibt fast nichts mehr her, zumindest wenig, womit ich beim Mainstream punkten könnte. (Etwa bin ich ja froh, dass Christian Lindner und seine FDP diese Koalitionssondierungen haben platzen lassen, und überhaupt … nur mag ich ja auch nicht, dass mich niemand mehr mag … egal.)
Quantanamera! Aber der Sepp bei mir im Büro, der Historiker Josef Schiffer, der sowieso fast noch mehr weiß als ich, der hat das natürlich sofort und ohne Google gewusst. Quantanamera? Buxtehude! Guantanamera!! (Aber jetzt stehen wir alle auf, die Hände zum Himmel, Guantanamera, lalala Guantanamera, Guantanameeera, lalala Guantanamera, klatsch klatsch.) Und es ist eine kubanische Weise. Kuba, da war ich sofort beruhigt, Kuba, das geht. Den Che, den kann man immer am Leiberl haben. War ich natürlich erleichtert. Um gleich wieder besorgt gewesen zu sein, weil mir Sepp weiter erläutert hat, dass Guantanamera quasi »aus Guantanamo stammend« bedeutet. Um Gottes Willen, mehr brauchte ich nicht. Hätte ich da den einen oder anderen Gulag besungen, ja, mei, aber ein US-Gefangenenlager! Sie sehen, selbst wenn ich ganz unpolitisch sein möchte, es gelingt mir nicht, ich bin immer bei den Bösen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Advent. Guantanameeera …
Zur Lage #86, Fazit 138 (Dezember 2017)
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