Tandl macht Schluss (Fazit 139)
Johannes Tandl | 22. Dezember 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 139, Schlusspunkt
Mehr Meinungsfreiheit bedeutet mehr Demokratie Das Internet ist bei Politikern zu Recht gefürchtet. Das hat zuletzt die Facebook-Diskussion um den türkisen Umfaller beim Rauchverbot gezeigt. Binnen weniger Tage haben hunderttausende Österreicher eine Onlinepetition der Krebshilfe unterzeichnet. Und jeder Oppositionspolitiker, der nun einen Rückzieher vom Rückzieher fordert, darf sich auf regen Zuspruch bei den Befürwortern des Rauchverbots freuen. In »Vor-Facebook-Zeiten« hätten Kurz und Strache es wohl problemlos hingekriegt, anderen Themen, wie etwa dem – aus meiner Sicht – großartigen Familienbonus bei der Lohnsteuer, einen solchen medialen Spin zu verleihen, dass die Aufgabe des Rauchverbots medial verpufft wäre. Daher ist es gut, dass es Facebook gibt, und noch viel besser ist es, dass die Leute den Mut haben, dort die gleichen Dinge zu sagen, die sie auch am Stammtisch oder im Familienkreis von sich geben. Dass dabei manche über das Ziel hinausschießen und andere beleidigen, ist auch kein Beinbruch. Innerhalb der selbstgewählten virtuellen Blasen gibt es genügend aufrechte Bürger, die weder unbegründete Diffamierungen noch Beleidigungen hinnehmen – wie halt am Stammtisch auch. Facebook-Freunde bilden daher, trotz anderslautender Judikatur, keine qualifizierte Öffentlichkeit. Leider muss Facebook-Chef Mark Zuckerberg jenen Politikern, die Angst vor der Meinung ihrer Bürger haben, immer öfter mit Selbstzensur entgegenkommen. Und dabei schießt er regelmäßig über das Ziel hinaus. So wurde kürzlich etwa die konservative Frauenrechtlerin Birgit Kelle für einige Tage in den Facebook-Karzer geworfen, weil sich zahlreiche salafistisch geprägte Moslems darüber alterierten, dass sie gegen eine Hijab-Barbie-Puppe argumentierte. Einen von mir in eingetragener Partnerschaft lebenden schwulen Freund hat die Sperre ereilt, weil er – mit ähnlichen Argumenten wie Kardinal Schönborn – gegen die Homoehe per Gerichtsbeschluss argumentierte. Die Meinungsfreiheit ist eine Voraussetzung für sämtliche demokratischen Entscheidungen. In der DDR wurden Regimekritiker regelmäßig drangekriegt, weil es den Straftatbestand der staatsfeindlichen Hetze gab. Soziale Medien haben zwar zu einem Verlust der Deutungshoheit des politischen Geschehens durch uns Medien geführt. Dennoch hat Facebook die Meinungsfreiheit deutlich weitergebracht. Darüber sollten wir uns freuen.
Und da ist dann noch eine andere Sache, die mich dieser Tage aufgeregt hat: Dass der VW-Konzern seine Kunden betrogen hat, ist hinlänglich bekannt. Und dass VW damit die gesamte Dieseltechnologie in Verruf brachte auch. Die Verkäufe brachen selbst bei ehrlichen Kfz-Marken ins Bodenlose ein. Und inzwischen können gebrauchte Diesel-Pkw sämtlicher Marken nur mehr mit großen Wertverlusten verkauft werden.
Ich habe keine Ahnung, ob VW-Chef Matthias Müller zu jenen vielen VW-Managern gehört, die sich nicht mehr in die USA einreisen trauen, weil ihnen dort jahrelange Haftstrafen drohen. Doch mit seiner Forderung, das sogenannte Dieselprivileg zu kippen, um mit dem Geld umweltschonendere E-Autos zu fördern, beweist er Chuzpe. Auf die Idee, jene Kunden, die man zuerst nach Strich und Faden betrogen hat, noch einmal über den Tisch zu ziehen, muss man erst einmal kommen. Zuerst haben die bedauernswerten VW-Dieselfahrer den Versprechungen von Volkswagen geglaubt, und nun können sie sich den Verkauf ihrer alten »software-upgedateten« Dieselautos nicht leisten, weil die von VW verursachten Wertverluste so hoch sind. Diesen Leuten jetzt noch einmal höhere Steuern abzuverlangen, ist fast schon treulos. Und richtig perfide wird es, wenn man bedenkt, dass Müller mit dem Geld seiner Opfer ausgerechnet die Käufer von elektrisch betriebenen Luxuskarossen fördern will.
Der teilstaatliche deutsche VW-Konzern hat mit seinem kriminellen Tun eine zukunftsweisende, kraftstoffsparende Motorentechnologie nachhaltig zerstört. Dieselmotoren würden sonst schon in einigen Jahren mit klimaneutralen synthetischen und organischen Kraftstoffen betrieben werden. Damit würden sie, anders als die derzeitige E-Auto-Technologie, einen echten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
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Tandl macht Schluss! Fazit 139 (Jänner 2018)
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