Der Unteroffizier als Minister
Volker Schögler | 22. Februar 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 140, Fazitgespräch
Der gelernte Kfz-Techniker und Berufssoldat Mario Kunasek begann seine politische Laufbahn 2004 als Personalvertreter beim Bundesheer in Graz. Als neuer Bundesminister für Landesverteidigung spricht er über Burschenschaften, Nachrichtendienste, mehr Geld für Grundwehrdiener und die letzte, noch bestehende schwarzrote Landesregierung.
Das Gespräch führten Johannes Tandl und Volker Schögler.
Fotos von Erwin Scheriau.
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In den Klubräumlichkeiten der steirischen FPÖ im Grazer Landhaus herrscht eine aufgekratzte Stimmung – der Chef ist da.
Diesmal kommt Mario Kunasek aber nicht nur als Landesparteiobmann, sondern als Minister, einer von vier steirischen in der neuen Bundesregierung. An den akkuraten Ton des Unteroffiziers vom Rang eines Stabswachtmeisters ist man in der Steiermark gewöhnt, im Wiener Verteidigungsministerium hingegen hatte man mit Generalmajor Karl Ferdinand Lütgendorf in den 1970er Jahren das letzte Mal einen Berufssoldaten als Chef.
Nach fast sieben Jahren im Nationalrat und zweieinhalb Jahren als Abgeordneter zum steirischen Landtag ist der 41-jährige »Super-Mario« zum Politprofi geworden und er hat einiges vor. Lesen Sie, auch zwischen den Zeilen.
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Herr Minister, anlässlich der Liederbuchaffäre der Burschenschaft Germania stellt sich die Frage, wie die FPÖ ihren weiteren Umgang mit Burschenschaften gestaltet und wie sie glaubwürdig Rassismus- und Antisemitismusvorwürfe entkräften kann.
Es gibt in meinem Umfeld natürlich auch Korporierte als Mitarbeiter oder als Abgeordnete und das seit 15 Jahren. Aber eines ist für mich klar, ganz egal ob korporiert oder nicht: Wenn jemand mit Antisemitismus, Rassismus oder sonst irgendetwas zu tun hätte und mir das auch auffällt, dann hat er bei uns in der Freiheitlichen Partei nichts verloren. Nur: Ich muss mich schon gegen eines verwehren. Nämlich dass man jetzt auch in der medialen Darstellung versucht, alle Korporierte und alle Burschenschaften in einen Topf zu werfen. Das kann und werde ich nicht tun. Ich werde jede Person, die bei mir im Büro arbeitet oder bei uns als Abgeordneter tätig ist, immer auch als Mensch beurteilen. Ich möchte noch einmal festhalten: Für die Liederbuchaffäre ist eine Burschenschaft verantwortlich und nicht die Freiheitliche Partei!
Das ist aber ein Thema, das die Regierung begleiten wird, solange die FPÖ dabei ist.
In meinem Ressortbereich haben Rassismus und Antisemitismus keinen Platz. Sollte es Mitarbeiter geben, die in irgendeiner Form auffällig sind und mir das zugetragen wird, dann wird es entsprechende disziplinäre Konsequenzen geben. Aber noch einmal, den Fall Udo Landbauer jetzt sozusagen auf alle Korporationen auszubreiten, ist nicht redlich. Ich bin davon überzeugt, dass die Mehrheit der Burschenschafter und Korporierten zu hundert Prozent tadellos ist: Ich habe in meinem eigenen Umfeld viele, die allesamt lupenreinen Demokraten sind, bei denen solche Sachen sicherlich keinen Platz finden.
Aber das wird ja jetzt alles in Zweifel gezogen.
Ja, aber das wird nicht von mir in Zweifel gezogen. Das wäre auch von der Führungsverantwortung her komplett falsch. Als Obmann einer Partei, in der es viele Korporierte gibt, die gewissermaßen ein Teil von uns sind, will ich mich gegen solche Pauschalurteile entschieden verwehren.
Hat Ihre Partei richtig auf den Fall Landbauer reagiert?
Der Bundesparteiobmann hat beim Akademikerball die richtigen Worte gefunden. Wir werden eine Historikerkommission einsetzen und für Transparenz und Aufklärung zu sorgen. Das ist notwendig und wichtig. Aber ich verwehre mich noch einmal gegen mediale Pauschalurteile. Jetzt so zu tun, als ob in diesen Burschenschafterbuden überall derartige Lieder gesungen werden, ist falsch! Das glaube ich nämlich nicht. Und wo es so etwas tatsächlich gibt, hat das bei uns in der Freiheitlichen Partei nichts verloren.
Und Sie schließen solche Widerwärtigkeiten in der steirischen FPÖ aus?
In meinem unmittelbaren Verantwortungsbereich, das sind meine Mitarbeiter und die Abgeordneten der FPÖ Steiermark, schließe ich solche Dinge aus. Sollte es nur annähernd irgendwo in diese Richtung gehen, dann gibt es Konsequenzen. Solche Menschen wurden schon bisher aus der Partei ausgeschlossen, egal ob sie korporiert oder nicht korporiert sind.
Wie soll man in Zukunft mit den Burschenschaften umgehen?
Die Burschenschaften müssen sich spätestens jetzt überlegen, wie sie nach außen hin auftreten. Aber meine Aufgabe als freiheitlicher Parteiobmann in der Steiermark ist es nicht, Regeln aufzustellen, wie sich Burschenschaften zu verhalten haben. In meinem unmittelbaren Verantwortungsbereich haben solche Dinge nichts verloren und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Es gibt Bedenken, dass alle drei Nachrichtendienste Österreichs, also Nachrichtenamt, Abwehramt und Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, in den Ressorts einer einzigen Partei, der FPÖ, angesiedelt sind. Können Sie das nachvollziehen?
Erstens haben wir das alles schon einmal gehabt, auch die ÖVP hat schon einmal alle drei Dienste in einer Hand gehabt. Zweitens arbeiten dort die Beamten und auch die politische Führung im Rahmen der Gesetze – und natürlich auch im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle. Ich war selbst sieben Jahre lang als Abgeordneter Mitglied im dafür verantwortlichen Landesverteidigungsausschuss. Ich verstehe daher die Aufregung nicht. Es sind drei Ämter mit drei unterschiedlichen Aufgaben, in denen korrekt und professionell gearbeitet wird, auch was die Koordination untereinander betrifft. Ich habe diesbezüglich vollstes Vertrauen.
Ändert sich nach dem Fund der möglicherweise abhörtechnischen Einrichtungen im Büro von Vizekanzler Strache etwas in puncto Sicherheit in den Ministerien?
Alle Amtsträger in einer führenden Tätigkeit der Republik und auch alle anderen verfassungsmäßigen Einrichtungen wären gut beraten, die Möglichkeit der Kontrolle in Anspruch zu nehmen. In meinem Ministerium werden regelmäßig und periodisch Kontrollen durchgeführt, aber auch andere hätten die Möglichkeit, auf diese Instrumente zurückzugreifen. Angeboten werden sie sowohl vom Innenministerium als auch vom Verteidigungsministerium, grundsätzlich ist es eine Aufgabe des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.
Das Verteidigungsbudget beträgt rund 2,1 Milliarden Euro, im Regierungsprogramm ist von einer Steigerung die Rede. Wie hoch wird die sein und was werden Sie mit dem zusätzlichen Geld machen?
Die Budgetdebatten im Parlament finden erst im März statt, Verhandlungen über die Höhe laufen noch und nur bei der Sicherheit wird es eine Steigerung geben, also beim BMI und beim BMLV. Bei den anderen Ministerien wird es ein Sparkurs sein. Neben den großen Posten Personal und Betrieb wird der Posten Invest aber ein kleiner bleiben.
Sie streben eine Mobilmachungsstärke von 55.000 Soldaten an. Wie realistisch ist das angesichts einer völlig ausgetrockneten und vernachlässigten Miliz? Und wie stellen Sie sich die Zukunft des Milizsystems vor?
Die Miliz hat ein großes Problem: die Reduktion des Grundwehrdienstes auf sechs Monate. Das war eine politische Fehlentscheidung vor einer Wahl. Dadurch kann die Miliz nicht ausreichend üben, und wir müssen über die Freiwilligen froh und dankbar sein. Oft wird in der Diskussion über die Einsatzstärke aber auf das Berufskaderpersonal vergessen, das unter schwierigen Rahmenbedingungen aufgrund des Spardrucks den Dienst versieht. Deshalb hat es bei Unteroffizieren und Offizieren Abwanderungstendenzen gegeben. Wir brauchen daher ein zeitgemäßes Dienstrecht, eine ordentliche Besoldung oder die Möglichkeit zur persönlichen Veränderung auch noch nach 15 oder 20 Dienstjahren.
Mit dem Rückzug vom Golan hat man nach fast 40 Jahren eine bedeutende UN-Mission aufgegeben. Wie beurteilen Sie eigentlich diesen Rückzug unter Ihrem Vorvorgänger Gerald Klug?
Das war eine massiv überzogene und überhastete Aktion. Ich hätte das anders entschieden.
Trägt der relativ bescheidene Basisverdienst zum Frust unter den Berufssoldaten bei?
Als ich 1995 zum Bundesheer gekommen bin, war die Kombination wenig Verdienst, aber dafür eine lebenslange Anstellung ein echter Anreiz. Das hat sich geändert und interessiert die junge Generation nicht mehr. Deshalb brauchen wir ein modernes Dienstrecht, das es ermöglicht, nur eine Zeit lang zum Bundesheer zu gehen und sich mit 35 oder 40 wieder zu verändern. In den letzten zwei Jahren hat sich in der Truppe eine positive Energie aufgebaut. Diesen Weg möchte ich fortsetzen.
In der Migrationskrise 2015 hat auch die Bevölkerung erkannt, dass wir die Exekutive und das Bundesheer brauchen. Daher hat es im Parlament einen Fünfparteienantrag gegeben, dass bei der Sicherheit nicht weiter gespart, sondern investiert werden soll. Der Schlüssel zum Erfolg in jedem Unternehmen – und das Bundesheer ist auch eines – ist der Mensch. Wenn das Kaderpersonal nicht motiviert ist und im Dienst keinen Sinn erkennt, dann helfen auch die monetäre Ausstattung und das beste Gerät nichts. Deshalb bin ich ganz bewusst sehr oft bei der Truppe. Ich will die Stimmung aufnehmen und mit der Truppe reden. Nur so kann man etwas verändern.
Ihre beiden Vorgänger Norbert Darabos und Gerald Klug haben zahlreiche Kasernenstandorte aufgegeben. Ihr direkter Vorgänger Hans Peter Doskozil hat mit dieser Politik Schluss gemacht. Was haben Sie vor?
Ich bin kein Zusperr-Minister. In Kärnten könnte es zwar zu einer Fusion von zwei Kasernen kommen, weil das einen Sinn ergibt. Aber mir ist wichtig, die bestehenden Kasernen, die wir brauchen, infrastrukturell weiter auszubauen. So werden wir auch in der Steiermark in den nächsten zwei Jahren 20 Millionen Euro investieren. Der Standort Aigen wird bleiben und ein Nachfolgegerät für den Hubschrauber Alouette III, der 2023 ausläuft, ist sicherzustellen.
Und wie schaut es mit der Luftraumüberwachung aus?
Eine Evaluierungskommission schaut sich das im Rahmen der gesamten Luftraumüberwachung bis zum Sommer an. Aufgrund transparenter Entscheidungsgrundlagen wird dann die Bundesregierung entscheiden müssen. Dabei geht es um die Saab Ö 105 und um den Eurofighter. Insgesamt also um sehr viel Geld.
Im Rahmen der Verteidigungspolitik wurden einige Leuchtturmprojekte definiert, so die Rekrutenschulen. Was ist darunter zu verstehen?
Rekrutenschulen sind infrastrukturelle Einheiten für die Grundausbildung, in denen die Attraktivität des Grundwehrdienstes ausgebaut werden soll. Die Grundausbildung der Rekruten soll gebündelt und standardisiert für zwei Monaten sichergestellt werden, etwa durch kurze Wege zu Schieß- und Ausbildungsplätzen.
Was ist unter den sogenannten Sicherheitsinseln zu verstehen?
Das sind Kasernen, die für eine gewisse Zeitspanne möglichst energieautark und mit Lebensmittel- und Wasserbevorratung, aber auch Treibstoff, bei Katastrophenfällen im weiteren Sinn dem Bundesheer und Blaulichtorganisationen als Sicherheitsinseln dienen. Das gab es schon früher, ist aber schon längst dem Spardruck zum Opfer gefallen. Auch hier soll ein Pilotprojekt starten. Es ist eine Antwort auf moderne Bedrohungen, Stichwort »Blackout« oder auch Katastrophen.
Und was kann man sich unter dem Cyber-Defence-Zentrum vorstellen? Und wie soll die Vernetzung mit der Polizei erfolgen?
Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Aufgaben, die wir und andere Organe bereits haben, infrastrukturell zusammenzufassen. Wir wollen das Cyber-Defence-Zentrum in den nächsten Monaten in der Stiftskaserne in Wien entsprechend umsetzen.
Zur Lage in der Steiermark: Was sagen Sie als Landesparteivorsitzender der FPÖ zur letzten, noch bestehenden schwarzroten Landesregierung? Hält die Koalition oder werden wir vor 2020 wählen?
Wie ich mir aus dem Landtag berichten lasse, herrscht eine sehr verkrampfte Stimmung. Angesichts einer vorwärtsgewandten Bundesregierung und einer sehr rückwärtsgewandten Landesregierung, ist das klar. Daher gibt es in beiden Teilen dieser Landesregierung und auch in den Abgeordnetenreihen durchaus Leute, die sagen »so wird das wahrscheinlich bis 2020 nicht halten können«.
Wäre die steirische FPÖ bereit, fliegend – also ohne Neuwahlen – in ein Regierungsbündnis mit der ÖVP einzusteigen?
Das erste Wort hat immer der Wähler, es müsste also Neuwahlen geben. Ich pflege mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ein sehr gutes persönliches Verhältnis und stehe nicht an zu sagen, er macht seine Aufgabe als Landeshauptmann in seinen Repräsentationstätigkeiten sehr gut. Er tritt zwar repräsentativ gut auf, aber das bedeutet nicht, dass das auch politisch reicht, um die Steiermark voranzubringen. Da habe ich meine Kritikpunkte und teilweise ganz andere Ansichten als er: Das haben wir auch in den letzten zweieinhalb Jahren im Landtag immer wieder ausgefochten.
Wie steht es um die Wertschätzung der Opposition durch die Landesregierung? Ist die nicht besser geworden?
Waren Sie bei der letzten Sitzung nicht im Landtag? Alle Oppositionsanträge, vor allem die von der FPÖ, sollen laut einer Wortmeldung von SPÖ-Klubobmann Hannes Schwarz in Zukunft abgelehnt werden. Die Regierungsparteien haben Angst, dass die Opposition einen Keil zwischen ihre unterschiedlichen Auffassungen treibt. Wir Freiheitliche werden dennoch die Themen des Regierungsprogramms, die auf die Steiermark umlegbar sind, einfordern.
Wie wollen Sie das anstellen?
Wir werden alles, was im Regierungsprogramm niedergeschrieben ist, auf die Steiermark herunterbrechen und dann ganz konzentriert in Anträgen an den Landtag abarbeiten. Dazu müssen sich ÖVP und SPÖ dann deklarieren. Der größte Knackpunkt für die beiden ist wahrscheinlich die Mindestsicherung. Wenn man sich die diesbezüglichen Wortmeldungen der SPÖ anschaut, dann verhält sie sich weniger als steirische Regierungspartei, sondern als Opposition zur Bundesregierung. Das kann nach meiner Einschätzung nicht bis 2020 gutgehen. Auch für das Land ist ein zweijähriges Vakuum nicht gut. Unsere Rolle als Oppositionspartei ist klar, nämlich die Kontrolle.
Können Sie sich vorstellen, im Fall von Neuwahlen die Position des Spitzenkandidaten für die freiheitliche Partei einzunehmen?
Die Frage stellt sich jetzt überhaupt nicht. Wir haben Gott sei Dank sehr viele gute Persönlichkeiten wie Hannes Amesbauer im Nationalrat, den Klubobmann im Landtag Stefan Hermann, den Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio und ja, Mario Kunasek als Landesparteiobmann bis 2019 und wahrscheinlich darüber hinaus. Aus diesem Personenkreis, der durchaus noch erweiterbar ist, werden wir zu gegebener Zeit den Spitzenkandidaten aussuchen.
Herr Kunasek, vielen Dank für das Gespräch.
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Mario Kunasek wurde am 29. Juni 1976 in Graz geboren und wuchs in Vasoldsberg auf. Er erlernte den Beruf des Kfz-Technikers und verblieb nach dem Präsenzdienst zunächst als Zeitsoldat, schließlich als Unteroffizier beim österreichischen Bundesheer. 2004 wurde er freiheitlicher Personalvertreter und begann seine Politkarriere: Bundesvorsitzenderstellvertreter der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher (AUF ab 2010), Ortsparteiobmann, Bezirksparteiobmann, Mitglied der Bezirksparteileitung, des Landesparteivorstandes, Abgeordneter zum Nationalrat (2008–2015), Vizebürgermeister der Marktgemeinde Gössendorf (2015–2017), Klubobmann des Steiermärkischen Landtagsklubs der FPÖ (2015–2017), Abgeordneter zum Steiermärkischen Landtag (2015–2017), Bundesminister für Landesverteidigung und Sport (vom 18.12.2017 bis zum 8.1.2018) bzw. Bundesminister für Landesverteidigung seit dem 8.1.2018. Mario Kunasek ist unverheiratet, was sich ab Juni ändern soll.
Fazitgespräch, Fazit 140 (März 2018), Fotos: Erwin Scheriau
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