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Und dieses Mal wirst du Letzter

| 22. Februar 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Da Wanko, Fazit 140

Fotos: Selfies

Silvesterlauf Altach. Irgendwie habe ich das schon gedacht, dass das mit mir einmal so weit kommen wird. Schon am Tag vor dem Lauf, am 30. Dezember, beim Abholen der Startnummern, überkam mich das Gefühl, dass die Vorarlberger ihren Silvesterlauf in Altach sehr ernst nehmen.

::: Text von Martin G. Wanko [Hier im Printlayout lesen.]

Die waren alle so ernsthaft, als sie sich um die Nummern anstellten, als ob es danach zur Guillotine ginge. Also nicht so wie in Graz, wo auch als Rauchfangkehrer, Fliegenpilz oder als Glücksschweinderl gelaufen wird, im Westen Österreichs will man auch dem letzten Tag im Jahr etwas abtrotzen. Sehr sportlich! Ich wollte mich noch auf die halbe Distanz ummelden, aber da lächelte mein Schweinehund mich um eine Nuance zu süß an und ich wusste, nein, Wanko, du musst stark sein und das ganze Ding laufen. Da musst du durch!

Danach ging es noch eine Runde einkaufen, war ja der 31. Dezember, ein Feiertag. Ja eh wieder nur tolle Sachen, die einen vollschlank machen, nur nicht zu viel, aber ich bin ja einer, der bereits beim Hinschauen droht, Gewicht zuzulegen. Außerdem bin ich nach wie vor Nichtraucher. Vielleicht können Sie sich noch an meine Nichtraucherkolumne vor einigen Monaten erinnern, ich habe das geschafft; wenn dieser Text erscheint, sind es 20 Wochen ohne Nikotin und Entwöhnungsmittel. Da tut Laufen sehr gut. Auch an Tagen wie Silvester eben, wo man nach dem Laufen ein bisserl entspannter ist als sonst. Aber dazu ein anderes Mal mehr. Heute sind wir on the run.

Silvestertag: Start zu Mittag. Mein Feeling wurde jetzt nicht zwingend besser, als ich einige Spieler der Fußballmannschaft von Altach am Start sah, als ich die vielen Teilnehmer der Laufclubs beim Aufwärmen beobachtete, schon gar nicht. Die waren alle dünner als ich. Woher nehmen die die ganze Zeit zum Trainieren her? Die müssen wahrscheinlich nicht so lange sitzenden Tätigkeiten nachgehen wie ich. Vielleicht trinken sie auch weniger Spritzer und sind auch sonst eher brav veranlagt. Wahrscheinlich! Okay, ich trat also gegen Sportler, Amateursportler und Hobbysportler an. Eins, zwei, drei und Start! Schon nach einigen Kurven war klar, dass ich jetzt nicht ganz vorne sein werde, auch nicht im Mittelfeld, sondern so ganz, ganz, ganz hinten drinnen. Also, als ich mich nach dem ersten Kilometer umdrehte, um ein bisserl zu sondieren, wer da noch so alles kreucht und fleucht, nun ja, war auf weiter Flur einmal niemand! Wow!

Was ist das für ein Gefühl, wenn niemand hinter dir ist? Ich meine, es ist ja ein Wettbewerb, in den du hineingestartet bist, und kein Seespaziergang mit deiner Familie. Jetzt bist du so etwas wie der brasilianische Millionär als Skifahrer, der als einziger Teilnehmer seiner Nation die Olympiaabfahrt bestreitet und sehr ehrenvoll Letzter wird. Und du bist der Wanko, hinter dem keine Sau mehr läuft.

Du bist Letzter! Also, das Gefühl, das man dabei hat, ist ein bisserl scheiße. Jetzt heißt es sich nach vorne zu orientieren. Es hilft halt nix, du musst kämpfen. Schon einen Kilometer weiter hatte ich Sabrina hinter mir. Da war ich schon ziemlich erfreut. Dann drauf Günther, der sah außerdem noch jünger aus als ich und war auch durchtrainierter. Ich ließ ihn eiskalt hinter mir. Hund, war ich wild drauf! Nach der ersten Runde entdeckte ich die Fans für mich, immerhin hatte ich noch drei Runden vor mir, es zahlte sich also aus, für gute Laune zu sorgen. Ich forderte sie in jeder Kurve auf, mir zu applaudieren, und vor allem, ich hatte noch zwei Läufer hinter mir, ausgerechnet die sollten sie anfeuern. Nicht dass ich Angst gehabt hätte, meine beiden Mitstreiter würden ohne Applaus zusammenklappen oder einfach so aufgeben, für solche Gedanken war ich schon voll auf Hormone und mir war schon alles »freudig gleichgültig«. Ich fand ganz einfach, der Respekt gebührt den Letzten am ehesten. Und so ganz nebenbei: Über 7 Millionen Österreicher betätigen am 31. Dezember  maximal ihren Gössermuskel, gegen so viele Menschen auf einmal gewinnt man selten.

Dazu wurde ich während des Laufs durstig, sehr sogar, und Labestationen gab es keine, also holte ich mir beim besten Publikum der Nation Getränke ab. Aber es war ja Silvesterlauf, Silvester eben und so bekam ich von »meinen« Fans in den Kurven Bier, Wein und Sekt. Schnaps ließ ich mal aus, eine gewisse Sportlichkeit sollte bleiben, hö, hö. Und immer wieder schwor ich die Mädels und Jungs am Straßenrand auf mich ein: Einmal komme ich noch, eine Runde haben wir noch! Und das absolut Geile ist, sie haben wirklich gewartet, auf den Martin G., mit der Nummer 2039, und mich so ins Ziel getragen. Mit sportlichen Grüßen, Ihr werter G Punkt.

Martin G. Wanko (47) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at

Da Wanko, Fazit 140 (März 2018), Fotos: Selfies

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