Zur Lage (89)
Christian Klepej | 28. März 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 141, Zur Lage
Einzig und alleine über den »Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (in Bau)«. Und damit über eine der teuersten Baustellen Europas, die ein gutes Beispiel darstellt, wie in unserem vereinten Europa mit öffentlichen Mitteln umgegangen wird.
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Jetzt hab ich auch noch einen Lieblingsflughafen. Also »haben« ist da jetzt sehr übertragen gemeint. Nicht nur, weil er mir selbstverständlich nicht gehört, nein, weil es ihn so richtig noch gar nicht gibt. Es ist – oder wird einmal sein – der Berliner Flughafen, mit vollem Namen zur Stunde »Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (in Bau)«.
2007 bzw. 2012 hätte der schon eröffnet werden sollen, aber irgendwo scheint da im sonst so perfekten bundesdeutschen Getriebe der Wurm zu stecken. Besonders imponiert mir übrigens die Tatsache, dass es mittlerweile auch keinen fixen Eröffnungstermin mehr gibt, die »Verantwortlichen« sprechen nunmehr lediglich von einem »belastbaren Termin für den Betriebsstart« im Oktober 2020. Buchen würde ich noch nicht.
Die Geschichte ist insgesamt wirklich super. Planungsbeginn war anno 1997 und man ging damals von einer Eröffnung im Jahr 2007 aus. Das hatte man noch relativ schnell im Griff und es gab bald eine größere Verschiebung auf den November 2011. 2010 herum verschob man die dann auf den Juni 2012 und nur drei Wochen vor dieser geplanten Eröffnung wurde auf Herbst 2012, kurze Zeit später auf August 2013 verschoben. Dann war irgendwann einmal, ich habe jetzt während des Schreibens plötzlich die Lust auf weitere genaue Recherchen bezüglich dieses Idiotenprojektes verloren, irgendwann einmal also, eine »Teileröffnung« für das Frühjahr 2014 geplant. Das offenbar ausgefallen ist. Die Eröffnung auf jeden Fall.
Ob nun dieser »belastbare Termin 2020« eingehalten werden wird können, scheint nach jüngsten Entwicklungen mehr als ungewiss zu sein. Denn vor bald zwei Wochen wurde bekannt, dass etwa 750 Bildschirme »ausgetauscht« werden müssen. Ja, ausgetauscht! Die haben nämlich im Großen und Ganzen das »Ende ihrer Betriebszeit« erreicht. Die laufen nämlich seit 2012 (für den damals eben geplanten Start) rund um die Uhr und sind jetzt quasi ausgebrannt. Gut, wer will ihnen das verübeln? Wollen wir wirklich die Bildschirme dafür verantwortlich machen, dass kaum einer, bis auf ein paar Bauarbeiter und Sicherheitsbedienstete, deren Nichtbotschaften beachtet hat? Außerdem, ein Klacks, dieser Informationssystemaustausch soll sich mit lediglich 500.000 Euro zu Buche schlagen. Ein Klacks nämlich, wenn man sich die Gesamtkosten dieses Projektes anschaut.
Beim Spatenstich 2006 waren zwei Milliarden Euro Kosten vorgesehen. Mit Ende 2017 ist diese Summe auf doch stolze 6,5 Milliarden Euro angewachsen gewesen. Und im Februar dieses Jahres, kurz vor dem notwendigen Austausch der paar Bildschirme (nicht einmal ein halbe Million Euronen, in Milliarden ist das so weit hinterm Komma, dass das nicht einmal ersichtlich ist!) hat ein neuer »Businessplan« des »Betreibers« des neuen Hauptstadtflughafens (in Bau!) ergeben, dass weitere 0,8 Milliarden Euro notwendig sein werden. Damit stehen wir zur Stunde bei Gesamtkosten von 7,3 Milliarden Euro. Für einen Flughafen, des es hoffentlich einmal geben wird.
Wobei, jetzt waren die Bildschirme da also fünf Jahre im Dauerbetrieb, da werden sie jetzt (vielleicht) den gleichen Fehler machen, den ich früher gerne gemacht habe; nämlich zu denken, ja warum waren die denn eingeschalten? Ist aber ganz egal, die hätte der »Flughafenbetreiber« sowieso wegschmeissen können. Lassen Sie einmal ihr Auto sagen wir vier Monate vor der Haustüre stehen. Und kümmern sie sich nicht darum. Das können sie danach wahrscheinlich verschrotten. Dinge, die Dinge unserer Zeit zumindest, die man nicht verwendet, die werden kaputt.
Und – ich widme diesem Thema viel zu viel Platz, der Otto wird wieder schimpfen – jetzt ist noch was vorgefallen. Wie ich das mit diesen Bildschirmen erfahren hatte, hab ich mir gedacht, um Gottes Willen, genau, da werden ja die Sachen langsam hin, jedenfalls aber alt. Nehmen wir nur die Toiletten, die sind ja alle schon seit Jahren fertig. Und wenn die dort 750 Bildschirme haben, dann will ich gar nicht wissen, wie viele Klos die haben müssen. (Irgendwann sollen dort 55 Millionen Fluggäste im Jahr ihre Notdurft verrichten können, also rund 150.000 am Tag. Da braucht man schon einiges an Muscheln. Von den Wasserhähnen gar nicht zu reden.) Diese Toiletten rotten am Berliner Flughafen im Bau langsam aber sicher seit bald sechs Jahren vor sich hin und haben nichts bekommen, was sie hätten wegspülen können in dieser Zeit. (Wieder ungeachtet der im Vergleich halt sehr wenigen Bauarbeiter und Sicherheitsbediensteten und deren geringe Anforderungen an ein Kanalsystem dieser Dimension.)
Wie ich das also erfahren habe, hat mich plötzlich ein Schreck erfasst, die müssen das gach auch alles neu machen, hab ich mir gedacht. Austauschen, wie die Bildschirme. Und wie die Bildschirme wird es sicher noch andere solcher auszutauschenden Dinge geben. Was lese ich dann vor einigen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen? Ein Vorstand der Lufthansa soll sich auf die Prognose festgelegt haben, der Flughafen müsse abgerissen und komplett neu (geplant und) gebaut werden. Er argumentiert jetzt nicht unbedingt mit den Toiletten, aber im Grunde ähnlich. Alleine die Lufthansa werde alles Mobiliar neu machen müssen, nicht nur deswegen, weil deren Logo und die gesamte Corporate Identity sich inzwischen geändert hätten. Vielleicht also abreißen.
Ich war echt begeistert beim Skizzieren dieses Textes, hatte mich gut unterhalten und bin jetzt am Ende in einer eher trostlosen Stimmung. Ich denke, ich werde diese Lage abreissen und nächstes Monat neu aufbauen. Billiger als der Berliner Flughafen wird es jedenfalls sein. Bis bald.
Zur Lage #89, Fazit 141 (April 2018)
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