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Durchsetzen ohne Kampf

| 26. April 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 142, Serie »Erfolg braucht Führung«

Führungsansätze aus der Schule der Kampfkunst. Ein Interview von Carola Payer mit dem Geschäftsführer und Trainer der Kampfschule »Traditionelles Taekwondo Graz« Hannes Zollner.

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Hannes Zollner erzählt, dass seine Motivation, mit Kampfkunst zu beginnen, inspiriert war von den klassischen Kung-Fu-Filmen vor 30 Jahren. Die Faszination, nur mit seinem Körper, ohne Waffen, stark zu sein, war prägend.

Präsente und starke Persönlichkeit
Führung steht und fällt mit der Persönlichkeit. Die lebenslange Entwicklung der Persönlichkeit ist höchstes Ziel der Kampfkunst. Hier können Führungskräfte von den Kampfschülern lernen. Wieviel investiere ich in Führungstools und Controlling Instrumente und wieviel schärfe ich tagtäglich meine Aufmerksamkeit und arbeite an der eigenen Persönlichkeit? In einer dynamischen Wirtschaftswelt ermöglicht innere Stabilität, den Überblick zu bewahren und die Kräfte zu bündeln. Im Taekwondo achtet man statt auf den Sieg über den Gegner auf die Unangreifbarkeit. Das unterscheidet auch Kampfkunst von Kampfsport. Hannes Zollner bezeichnet das auch als »souveräne Güte und Natürliche Autorität bei höchster Kampfkraft«. Nach 30 Jahren denkt man, was soll ich noch lernen? Aber man lernt immer wieder«, schmunzelt Hannes Zollner. Selbstdisziplin ist eine wesentliche Voraussetzung für die Unbezwingbarkeit.

Die Entwicklung des Einzelnen ist nicht nur Job des Meisters, sondern Auftrag der Gruppe
»Die Guten und Talentierten, auf die muss man aufpassen«, sagt Hannes Zollner. Bei jenen, die sich leicht tun, entsteht oft Überheblichkeit und Langeweile. Diese werden daher in die Entwicklung der »Schwächeren« eingebunden. Einerseits entwickeln Schüler dann Demut und Geduld, andererseits betont Hannes Zollner: »Wenn man Verantwortung übernimmt und andere befähigt, beginnt man mehr zu analysieren und lernt neu.« Gerade bei Talenten war vorher eventuell alles sehr intuitiv. Diese analytischen Fähigkeiten sind wichtig für die Entwicklung der Technik. Personalentwicklung in Unternehmen sieht die Mitarbeiterentwicklung als Job der Führungskraft, in der Selbstverantwortung des Mitarbeiters und im Support der Personalabteilung. Das eigene Team mehr in die gegenseitige Unterstützung, Potenziale zu heben, einzubeziehen, empfinde ich als spannende Inspiration aus dem Taekwondo. Für den Leiter der Schule Traditionelles Taekwondo Graz ist es nicht nur wichtig den Einzelnen weiter zu bringen, sondern die ganze Gruppe. Bei gemeinsamen Vorführungen kann der Gruppengedanke immer wieder gut etabliert werden. Jeder ist dann stolz auf den ganzen Verein.

Klare Hierarchie, Regeln, Ziel der Gruppe
Traditionelles Taekwondo achtet sehr auf Ordnung und Regeln. In der Kampfkunst können sich Schüler einlassen und gewinnen aus dem Drill. Es ist auch möglich, die Verantwortung auf den Meister zu schieben. Ab dem Blaugurt haben Schüler auch die Verantwortung für die niedrigeren Gürtelgrade. Gerade in einem Zeitalter der »agilen Organisationen« wird Hierarchien, Ordnung und Regeln etwas Verstaubtes und nicht Zeitgemäßes zugeordnet. Hannes Zollner erlebt immer wieder den Konflikt zwischen der Verfolgung von eigenen Zielen und den Zielen des Vereines. Da müssen sich egoistische Schüler entweder »beugen« oder das System verlassen. Das ist bei talentierten Schülern nicht immer leicht. Diese Erfahrung kennen auch Organisationen. Manchmal muss man gute Mitarbeiter ziehen lassen, weil sie dem Team in Summe nicht gut tun. Sich dazu durchzuringen, ist keine leichte Entscheidung.

Umgang mit Konkurrenz
Hannes Zollner erklärt: » Beim Taekwondo machst du es für dich selbst. Deine Entwicklung steht im Vordergrund.« Nichts desto trotz kehrt er hervor: »Die Jungen wollen sich messen, die muss ich auch im kontrollierten Rahmen aufeinander loslassen.« Für Unternehmen kann man sich mitnehmen: Nur wenn jemand im Prinzip der Konkurrenz auch »pubertieren« darf, kann man sich zu einer Persönlichkeit entwickeln, die später zu kämpfen nicht mehr notwendig hat. Hannes Zollner: »Es braucht Zeit, zu sich zu stehen und sich nicht mehr zu vergleichen.« Den Vorteil der Kampfkunst Taekwondo im Vergleich zum Kampfsport erklärt Hannes Zollner folgendermaßen: »Du kannst dich messen in einem Freikampf, ohne das Gesicht zu verlieren und ohne Angst, sich zu verletzen.« Positive Konkurrenz ist ein wesentliches Entwicklungspotenzial. Täuscher oder Raufbolde haben keinen Platz im Verein.

Macht – Eine Kombination aus Beherrschung von Technik und moralisch-charakterlicher Entwicklung
Erzählungen von Mitarbeitern, die fachlich super, aber irgendwie im Verhalten oder als Persönlichkeit »komisch und schwierig« sind, gehören im Coaching zur Tagesordnung. Die fachliche Entwicklung wird gefördert. Die Persönlichkeit wird zu oft als gegeben angenommen. Hannes Zollner vermittelt als Taekwondo-Meister vor allem die Werte: Yom-Chi (Integrität), Ye-Ui (Höflichkeit) und Respekt, In-Nae (Durchhaltevermögen, Ausdauer, Geduld), Loyalität und Hilfsbereitschaft. Neben dem gnadenlosen Üben von Technik steht die Kultivierung der Werte an der Tagesordnung. Hannes Zollner weiß aus Erfahrung: »Das Training macht mit dir und deinem Charakter etwas. Aggressionen werden mit dir selbst verarbeitet, du brauchst sie an niemanden auslassen, du arbeitest sie selber ab.«

Prüfungssituationen sind wichtig
Hannes Zollner sieht Etappenziele als wesentliche Orientierung für die Entwicklung. »Als Trainer muss man genau darauf achten, dass die Person gut vorbereitet ist«, betont er. Hinleiten und konstant dran zu bleiben ist wichtig. Ausdauer und Geduld werden hier oft strapaziert. Taekwondo ist ein sehr ehrliches System. Wenn die Technik nicht sauber ist, geht nichts. Man kann sich nicht rausreden. Dies erzieht zu Ehrlichkeit. Hannes Zollner sieht immer wieder: »Wenn der nächste Schritt Schülern wichtig ist, nimmt dieser die Mühen auf sich.« Fremdmotivation funktioniert begrenzt. Typische Lebensphasen wie Pubertät, Studium, Jobwechsel können ablenken. Es erfordert immer wieder intrinsische Motivation und Disziplin, damit es weitergeht. Hannes Zollner erachtet es als wichtig, in der Rolle des Meisters nicht den Bezug zur Basis zu verlieren, etwa die Frage, wie es einem Schüler geht oder was ihn beschäftigt. Eine Gefahr liegt ebenfalls in einer zu starken Fokussierung auf die Technik, statt auf den Spirit des Taekwondo, weil dieser für einen selbst schon so selbstverständlich ist. Das können viele Führungskräfte gut nachvollziehen. Operatives und Fertigkeiten bekommen mehr Priorität als Strategie und Emotion. Taekwondo kann Führungskräfte inspirieren, aus ihren Mitarbeitern nicht nur die beste Fachkraft zu machen, sondern die beste Persönlichkeit herausholen – und das macht stark.

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Mit dem Ziel, optimale Bedingungen für körperliches und geistiges Training zu schaffen, wurde die Kampfkunstschule »Traditionelles Taekwondo Graz« 2003 von DI Hannes Zollner in Graz gegründet. 2017 eröffnete er gemeinsam mit drei anderen Kampfkunstschulen das »City Dojo Graz«, ein Zentrum zur Förderung asiatischer Kampfkünste und Persönlichkeitsentwicklung. Die Schule Graz arbeitet mit verschiedenen Partnerschulen aus dem Inn- und Ausland zusammen und bietet neben dem täglichen Gruppentraining auch Individualeinheiten sowie Kurse am Universitäts-Sportinstitut Graz und an der Volkshochschule an. Da die Schule kein Wettkampfsystem vertritt und auch keinen Körperkontakt erlaubt, ist die Zielgruppen jede Altersklasse, von Jung bis Alt. Vor allem Menschen mit stressigen Jobs und solche, die teilweise mit hohem Druck konfrontiert sind, finden im Auspowern und der dynamischen Meditation einen optimalen Ausgleich. taekwondo-graz.at

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 142 (Mai 2018), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 13)

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