Tandl macht Schluss (Fazit 143)
Johannes Tandl | 1. Juni 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 143, Schlusspunkt
Wettbewerbsföderalismus statt reinem Verteilungsföderalismus. Wenn die Regierung ihr Reformprogramm durchziehen will, braucht sie jeden nur erdenklichen Schwung aus der Wirtschaft, um die unausweichlichen Einschnitte abzufedern. Dank des starken Wachstums ist die Staatschuldenquote Ende 2017 erstmals seit der Krise wieder unter 80 Prozent des BIP gerutscht. Aktuell liegt sie bei etwa 77 Prozent. Obwohl also die Schulden im Vorjahr deutlich gestiegen sind, dürfte das Vorkrisenniveau von 69 Prozent noch in dieser Legislaturperiode erreicht werden. 2008 ließen Krise und Kärntner Hypo-Pleite die Schulden ja auf knapp 86 Prozent in die Höhe schnellen.
Um die Schuldenquote, wie von der EU gefordert, unter 60 Prozent des BIP zu drücken, müssten Bund, Länder und Gemeinden völlig unrealistisch erscheinende 65 Milliarden Euro konsolidieren. Doch wie bei wachsenden Unternehmen funktioniert Entschuldung auch bei wirtschaftlich erfolgreichen Staaten meist nicht durch die Rückzahlung der aufgenommenen Kredite, sondern indem das Vermögen schneller wächst als die Schulden. Die Regierung braucht daher weiterhin konjunkturellen Rückenwind. Dafür sind aber nicht nur das weltwirtschaftliche Umfeld bzw. die Entwicklung der Eurozone verantwortlich. Es muss auch gelingen, die Wachstumsbremsen, die sich aus der jahrzehntelangen österreichischen Reformverschleppung ergeben haben, zu lockern.
Mit der Reform und der Fusion der Sozialversicherungen ist ein erster Schritt gesetzt. Auch die längst überfällige Regelung der Arbeitszeitflexibilisierung auf betrieblicher Ebene – ohne Zuziehung der zunehmend oppositionell agierenden Gewerkschaften – wirkt in diese Richtung. Dass sich auch die Abgabenquote von extrem hohen 44 Prozent endlich nach unten bewegt, ist aber noch der alten Regierung, die nicht alles falsch, jedoch viel zu wenig richtig gemacht hat, zu verdanken. Die Regierung will die Quote ja in den nächsten Jahren auf unter 40 Prozent drücken.
Für dieses Ziel müssen aber viel größere Reformen folgen. Selbst wenn sich die Landeschefs querlegen wollen: Eine Föderalismusreform ist dringend notwendig. Dabei geht es aber nicht darum, den Einfluss der Länder zu beschneiden, sondern um eine klarere Abgrenzung der Zuständigkeiten und um den Aufbau eines Wettbewerbsföderalismus anstelle des praktizierten Verteilungsföderalismus.
Österreich braucht also nicht weniger, sondern mehr Föderalismus! Und zwar einen Föderalismus, der den Landes- und Gemeindepolitikern nicht nur Freiräume für Ausgaben, sondern auch für Einnahmen zubilligt. Bezüglich der Einnahmen geht es aus Ländersicht bis jetzt nämlich nur darum, sich bei den alle paar Jahre stattfindenden Finanzausgleichsverhandlungen einen möglichst großen Anteil am vom Bund eingehobenen Steuerkuchen zu sichern.
In der Schweiz ist das völlig anders. Dort funktioniert der Wettbewerbsföderalismus deshalb so gut, weil die jeweilige Ebene nicht nur in einem viel größeren Ausmaß als hierzulande über die Ausgaben bestimmen kann, sondern auch über die Einnahmen. Kantone und Gemeinden haben eine umfassende Steuerautonomie. Die österreichischen Bundesländer bestreiten nur 0,05 Prozent ihrer Ausgaben aus eigenen Einnahmen, die Schweizer Kantone über 50 Prozent. Der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling wollte das bei den letzten Finanzausgleichsverhandlungen zwar ändern. Doch aus seinen hochfliegenden Plänen wurde nichts. Der Widerstand in den Landeshauptstädten war einfach zu stark. Daher lenkte Schelling mit dem Argument ein, ein Steuerwettbewerb wäre unangenehm für die Landesfürsten. Schließlich konnte er eine Minimalvariante durchsetzen. Die Länder können seitdem den Wohnbauförderungsbeitrag selbst festlegen.
Der aktuelle Finanzausgleich gilt bis 2021. Die etwa 85 Milliarden an Gesamtsteuereinnahmen werden weiterhin nach Köpfen auf Länder, Gemeinden und den Bund verteilt. Die Bundesregierung sollte mutig sein und den Ländern eine Föderalismus- und Steuerreform nach Schweizer Vorbild anbieten: Mit mehr statt weniger Kompetenzen für die Länder, samt Steuerautonomie, die dazu führen würde, dass die Länder endlich auch die Verantwortung für ihre Einnahmen übernehmen.
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