Von den Totengräbern der Europäischen Union
Christian Klepej | 1. Juni 2018 | 1 Kommentar
Kategorie: Editorial, Fazit 143
Seit 25. Mai 2016 gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nun in der gesamten Europäischen Union. Die Unruhe, die dieses Regelwerk in den Tagen vor dem 25. in beinah allen österreichischen Unternehmen – aber auch bei Vereinen und anderen Organisationen – ausgelöst hat, wird Ihnen nicht entgangen sein.
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Etwa häuften sich Emails, wo der Empfänger dazu aufgerufen wurde, weiterhin Abonnement eines Email-Newsletters zu bleiben. Dabei ging es meistens darum, da ja in Hinkunft jede Form der automationsunterstützten Datenspeicherung durch die DSGVO besonderen Auflagen ausgesetzt ist, da ein Versender eines Newsletters immer in der Beweislast steht, dass der »Inhaber der Daten« (also der Empfänger) seine Einwilligung zur Speicherung gegeben hat.
War der Satz jetzt unklar formuliert? Ja! Wie diese gesamte Verordnung des Europäischen Parlaments unklar und unverständlich formuliert ist. In 99 überaus unübersichtlichen Artikeln will die EU fortan den Datenverkehr hierorts regeln.
Ich halte das für unfassbar. Zum einen ist es die enorm hohe Strafandrohung – 10 bzw. 20 Millionen Euro »im Wiederholungsfall« der Missachtung der DSGVO, zum anderen die schon angesprochene Unübersichtlichkeit dieses Regelmonsters. Ich weiß, dass ich in der Lage bin, Gesetzestexte zu lesen und zu verstehen. Vollinhaltlich zu verstehen. Bei der DSGVO ist dies nicht der Fall. Ja, ich weiß bis heute nicht einmal, ob ich mit meinem (winzigen) Verlag (Pressefreiheit?) auch alle Kriterien erfüllen muss. Oder was ist mit kleinen (karitativen) Vereinen, die jetzt nicht mehr – ohne enormen bürokratischen Aufwand – ihre Mitglieder anschreiben dürfen? Bei meinem letzten Besuch im Autohaus meines Vertrauens haben wir 20 Minuten dafür aufgebracht, unsere seit über zehn Jahren bestehende Geschäftsverbindung neuerlich zu »legitimieren«; es waren dazu sechs Formulare zu unterschreiben. Wer bezahlt jetzt dem Autohaus aus der Oststeiermark die nun zusätzlich anfallenden Arbeitsstunden (von meiner Zeit einmal nicht zu reden)? Das kann sich natürlich nur in dem von mir zu bezahlenden Preis auswirken. Größere Unternehmen werden sich einen eigenen Datenschutzbeauftragten anstellen müssen und in meiner Firma sind es halt wir Eigentümer, solange wir uns keinen weiteren Mitarbeiter dafür leisten (können).
Die DSGVO entspringt nicht zuletzt dem Geist, es den »großen Internetkonzernen« einmal richtig zu zeigen. (Dass ich sinnvollen Datenschutz nicht ablehne, ist hier nicht das Thema und klar.) Mit diesem Gesetzesirrsinn werden aber vor allem Klein- und Mittelbetriebe getroffen und eben auch alle Vereine. Dabei ist es kein Zufall, dass einer der Hauptverantwortlichen für dieses Desaster der grüne Politiker und Berichterstatter des EP für die DSGVO Jan Phillipp Albrecht ist. Dieser hatte es in seinen zahlreichen gut bezahlten öffentlichen Funktionen sicher nie notwendig, sich überlegen zu müssen, woher das Geld für die vierte Zettelhalterin oder den fünften Sesselschieber gekommen ist; die öffentliche Hand wird’s schon richten. (Eine Tätigkeit Albrechts in irgendeinem produktiven Sektor ist nicht überliefert.) Dass er bei den Grünen mit seinem unternehmerfeindlichen Tun gut ankommt, ist Problem der Grünen, aber fatal für die echte Welt.
Wie ernst es die Heroen der EU mit dem Datenschutz und dem Kampf gegen »die Konzerne« nehmen, haben sie bei der einstündigen Anhörung des Mark Zuckerberg unter Beweis gestellt. Statt Zuckerberg einen knappen Fragenkatalog vorzulegen, haben sich alle Fraktionsvertreter in eitlen Wortmeldungen ergossen, um dafür zu sorgen, dass der Milliardär kaum zu Wort kam und recht bald entspannt von dannen ziehen konnte. Etwa Guy Verhofstat, der so weit ausholend wie selbstverliebt den Facebook-Chef mit der Romanfigur »Kalden« aus dem In-Roman »Der Circle« (muss man nicht gelesen haben) verglich. Einleitend. Um dann keine wesentliche Frage zu formulieren. Lächerliches Spektakel!
Diese Union hat so und so große Probleme. Und dieses Gesetz hat das Zeug dazu, die EU an den Rand des Untergangs zu führen – wo dann die neue italienische Regierung wartet. Als glühender Europäer bin ich mir nicht mehr sicher, ob nicht nur ein vollkommener Neustart die Rettung sein kann. Die handelnden Personen in Brüssel sind sie ganz sicher nicht. Die sind die Totengräber der Europäischen Union.
Editorial, Fazit 143 (Juni 2018)
Kommentare
Eine Antwort zu “Von den Totengräbern der Europäischen Union”
Antworten
5. Juni 2018 @ 13:51
[…] Artikel stammt von Christian Klepej, aus seinem Editorial in der neuesten Ausgabe des FAZIT-Magazins. Er könnte treffender nicht sein. Auch Sascha Lobo (Autor und Internet-Experte) hat in seinem […]