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Wie Regionalität den Unterschied macht

| 1. Juni 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 143

Ein wunderbarer Ort, einzigartige Natur- und Kultur und kein Event-Kongress-Tourismus, bei dem die Inhalte nur mehr sekundär sind. So sehen sich die Millstätter Wirtschaftsgespräche, die heuer zum zweiten Mal stattfanden. Thomas Goiser war für uns vor Ort.

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Die zweite Auflage der Millstätter Wirtschaftsgespräche brachte rund 170 Gäste und hochkarätige Diskutanten wie Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher, die ehemalige EU-Kommissarin und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, Nationalbankpräsident Claus J. Raidl, IHS-Chef Martin Kocher und Wolfgang Ruttenstorfer nach Kärnten. Regionalität war das Thema, das sich gewissermaßen aufdrängte. Entsprechend vielseitig verliefen die Diskussionen über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Region und Identität.

Standortfaktoren
Als wichtige Standortfaktoren nannte IHS-Chef Kocher in seinem Einleitungsreferat etwa gute Regulierung, Entbürokratisierung, ein flexibler Arbeitsmarkt, die Attraktivität für Fachkräfte aus dem Ausland, die Kooperation aller am Standort und Identität. Was die Leistungen unseres Staates angeht, betonte er: »Wir zahlen in vielen Bereichen für einen Luxuswagen, aber erhalten einen guten Mittelklassewagen. Es fehlt an Effizienz.«
Kocher nannte auch einige unpopuläre Wahrheiten, etwa den »Scheinföderalismus«, wo Ausgaben- und Einnahmenverantwortlichkeit auseinandergehen, fehlende Transparenz und ein Mangel an Fachkräften. Daher müsse man die gute Konjunktur für Reformen nützen. Die Balance zwischen ausgeprägten Identitäten und Offenheit sei für Regionen wie für Unternehmen gleichermaßen wichtig wie klare Verantwortlichkeiten.

Identität der Regionen
Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher berichtete von der besonderen Erfolgsgeschichte seines Landes und unterstrich, dass nur eine starke Identität in den Regionen jene Sicherheit bietet, mit der die Anforderungen der Globalisierung bewältigt werden können. Im europäischen Kontext könnten die Regionen den Staaten wichtige Impulse zur Stärkung der verbindenden Idee liefern. »Subsidiarität sei das beste Rezept gegen Nationalismus«, verwies Kompatscher auf den besonderen »Autonomiepatriotismus« und das »Südstern«-Netzwerk für Südtiroler außerhalb des Landes.

Bildungs- und Forschungsinfrastruktur
Nationalbank-Präsident Claus Raidl wiederum betonte die Notwendigkeit, die Bildungs- und Forschungsinfrastruktur der Regionen auszubauen. Weiters stellte er fest, dass viel von einem »Europa der Werte« die Rede sei. Allerdings vermisst er die Diskussion um ein »Europa der Interessen«, das seine Interessen in den Vordergrund stellt. Er warnte auch: »Ein neuer Regionalismus führt eventuell zu einem Separatismus, weil eine Spaltung der Erfolge stattfindet.« Raiffeisen OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller betonte die verantwortungsvolle Rolle der Raiffeisenbanken in den Regionen. Ein wichtiger Aspekt sei den Ausverkauf regionaler Unternehmen ins Ausland zu verhindern. Der »Austrian Spirit« solle als USP aufgebaut werden, Weltoffenheit, Konnektivität und Mehrsprachigkeit sind Voraussetzungen;
Wolfgang Ruttenstorfer verwies auf die Erfolgsgeschichte der österreichischen Unternehmen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Das Rechts- und Bildungssystem waren in diesen Ländern historisch ähnlich geformt, 1918 wurde der Kulturraum in Nationalstaaten zerrissen; das Nachfolgeland Österreich verfügte über keine industrielle Basis am Staatsgebiet und musste diese erst aufbauen. Im Land ansässige Technologieunternehmen mussten durch die Globalisierung über den Heimmarkt hinaus an CEE/Gesamteuropa oder gleich global denken, brachte er RHI als Beispiel. Derzeit verändert die Digitalisierung sämtliche Branchen, die regionale Wirtschafts- und Standortpolitik muss sich entsprechend weiterentwickeln und die Region Mitteleuropa als Heimmarkt fitter für Globalisierung machen. Übermäßige Regulierung bindet Ressourcen und wäre ein Standortnachteil.

Die frühere EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner forderte eine bessere Verteilung Flüchtender in alle Regionen Europas. Dies würde die Integration erleichtern und den Erhalt der kulturellen und religiösen Identität in den aufnehmenden Regionen erleichtern.

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Inhaltliche Klammer der Millstätter Wirtschaftsgespräche sind jeweils die »nicht-ökonomischen Grundlagen wirtschaftlichen Erfolgs«, nämlich Werte, Haltungen und »Mindsets« als Standortfaktoren. So besonders wie der Ort ist auch das Konzept der Veranstalter Markus Gruber und Alfons Helmel: Mitglieder von Netzwerk-Organisationen wie der Österreichische Gewerbeverein, der Wiener Wirtschaftsklub, Senat der Wirtschaft, ÖCV Wirtschaftsclub, Zukunft-Frauen-Alumnae-Club, der Management Club oder das Wirtschaftsforum der Führungskräfte erhielten als Partner vergünstigten Eintritt. Das Ergebnis, nämlich Netzwerken über (politische und sonstige) Netzwerkgrenzen hinaus, spricht für sich. mwg.or.at

Konferenz, Fazit 143 (Juni 2018)

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