Steirische Medien
Redaktion | 26. Juli 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 145, Fazitthema
Die Kleinen im Wettbewerb. Die Kleine Zeitung als Platzhirsch. Die steirische Medienszene gilt als die dichteste Österreichs. Viele größere und kleinere Verlage rittern auf einem boomenden Werbemarkt um Kunden. Und weil die Kleine Zeitung ihre Vormachtstellung eindrucksvoll verteidigt, hat sie nicht nur die Steirerkrone an die Wand gedrückt, auch kein weiterer Großer schafft den Sprung nach Graz. Und so entstand ein Biotop, in dem die kleineren Medien zwar hart im Wettbewerb stehen, aber dennoch überleben können. Doch aufgrund der Digitalisierung wird die Luft für alle dünner. Text von Johannes Tandl.
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Nach dem Ende der beiden steirischen Parteizeitungen »Tagespost« und »Neue Zeit« gab es Anfang der Nullerjahre mit der »Kleinen Zeitung« und der »Steirerkrone« plötzlich nur mehr zwei steirische Tageszeitungen. Beide strengten sich an, die heimatlos gewordenen Leser für sich zu gewinnen. Trotzdem gab es auf einmal Platz für neue Printprodukte. Das Ende der Parteizeitungen läutete eine Gründungswelle für kleine Verlage ein, die sich mit überwiegend werbefinanzierten Regional- und Special-Interest-Zeitschriften ihren Anteil am Kuchen sichern wollten. Auch der im SPÖ-Eigentum stehende Leykam-Verlag mischte mit. Und die im Stiftungsbesitz der katholischen Kirche stehende Besitzerin der Kleinen Zeitung, die Styria AG, warf ebenfalls zahlreiche Magazine auf den Markt. So entstand über die Jahre ein Wettbewerbsumfeld wie sonst nirgends in Österreich. Die Kleine Zeitung als Nummer eins, knapp dahinter die Mediaprint mit der Steirerkrone und mit Riesenabstand an die zwanzig kleine Verlage, die mit ihrer Kreativität und Flexibilität zu reüssieren versuchten. Für den Leykam-Verlag war da bald kein Platz mehr. Der Wettbewerb erwies sich als zu hart für irgendwelchen »More-of-the-same-Titel«. Und auch einige inzwischen eingestellte oder verkaufte Styria-Magazine konnten jahrelang nur bestehen, weil sie aus den Erträgen der Kleinen Zeitung quersubventioniert wurden.
Es gab und gibt zwar immer wieder Versuche von Wiener Medien, sich auf dem steirischen Markt festzusetzen, doch der Preis für den Markteintritt ist extrem hoch. Die Styria erweist sich daher für die kleinen Verlage nicht nur als harter Konkurrent, sie hält ihnen auch den Rücken frei. Als etwa Eva Dichand mit ihrem »Heute« in Graz Fuß fassen wollte, stampfte der Konzern mit »Okay« innerhalb von wenigen Wochen eine eigene Gratistageszeitung aus dem Boden. Nachdem »Heute« mangels Erfolgs auf dem Werbemarkt aufgeben musste, wurde auch »Okay« sofort wieder eingestellt. Inzwischen liegt zwar die Fellner-Tageszeitung »Österreich« gratis an den Grazer Straßenbahnhaltestellen auf. Und es gibt sogar eine dreiseitige Steiermark-Mutation. Doch Österreich tritt weder auf dem steirischen Werbemarkt noch als Abozeitung spürbar in Erscheinung. Auch Kurier und Standard verfügen wie die Salzburger Nachrichten in Graz nur über redaktionelle Repräsentanzen. Die zweite Tageszeitung des Styria-Konzerns, »Die Presse«, nicht einmal mehr das.
Allein in Graz erscheinen monatlich 13 Special-Interest- und Lifestylemagazine. Dazu kommen drei haushaltsabdeckende Regionalzeitungen und zahlreiche werbefinanzierte Quartalszeitschriften. Landesweit gibt es außer der 14-fach regional mutierten Wochenzeitung »Die Woche« weitere 30 Regionalzeitungen. Außerdem existieren neun Privatradios, von denen aber nur die Antenne Steiermark landesweit und Radio Soundportal zumindest in allen steirischen Ballungsräumen terrestrisch zu empfangen sind. Das ORF-Radioangebot bleibt beim Radiotest zwar vorne. Der Marktanteil von Ö3 in der sogenannten werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen ist seit 2010 jedoch von 42 auf 32 Prozent gesunken. Die im Besitz der Styria AG stehende Antenne Steiermark konnte ihren Marktanteil hingegen von 17 auf 27 Prozent steigern und gilt inzwischen als der ertragreichste private Radiosender Österreichs. Die sieben regionalen steirischen TV-Stationen spielen auf dem regionalen Werbemarkt übrigens kaum eine Rolle.
In der dynamischen steirischen Verlagslandschaft kommen jährlich einige Printtitel dazu, dafür fallen andere weg. Was jedoch allen Zeitschriften und Magazinen außerhalb der Styria immer noch fehlt, ist eine tragfähige Onlinestrategie. So werden etwa die Onlineseiten von Fazit monatlich von 70.000 Menschen gelesen. Finanziert wird das Medium jedoch zu 90 Prozent durch Inserate im Printmagazin. Von den vielen anderen Titeln gibt es keine belastbaren Zahlen über das Verhältnis von Print- zu Onlineeinnahmen.
Durch die Digitalisierung konnten die werbefinanzierten Zeitschriften ihre Leserzahl zwar deutlich erhöhen, sie sind jedoch – noch – nicht in der Lage, ihr Onlineangebot kostendeckend zu monetarisieren. Aber vor ähnlichen Problemen stehen auch alle anderen steirischen Medientitel. Auch die Kleine Zeitung tut sich schwer mit dem Verkauf von Onlinewerbung, sie nutzt das Internet jedoch geschickt, um die Steirerkrone auf Distanz zu halten.
Die Steirerkrone steht vor einem Umbau
Jedes Jahr im Mai lädt der leutselige Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl die Medien zum Empfang in das Refektorium des Grazer Priesterseminars. Und Steirerkrone-Chefredakteur Christoph Biró durfte sich heuer – gemeinsam mit einigen Auserwählten – sogar mit einem Statement zum 800-Jahr-Jubiläum der Diözese Graz-Seckau einbringen. Doch anstatt salbungsvolle Worte zur Beziehung zwischen Medien und Kirche zu spenden, sprach Biró über den Mitgliederschwund bei den Katholiken und verglich ihn mit den sinkenden Abonnentenzahlen seiner Steirerkrone. Biro hatte sich zwar mit der Rolle der Krone als Nummer zwei auf dem steirischen Markt abgefunden. Die ständig sinkenden Abonnentenzahlen beunruhigten ihn aber dann doch.
Inzwischen hat Biró seinen Hut als Steirerkrone-Chef genommen. Er wurde von der Mediaprint durch Oliver Pokorny als Chefredakteur ersetzt. Biró war nämlich Gerüchten wegen angeblicher Übergriffe von Flüchtlingen aufgesessen und hatte diese seinen Lesern als Tatsachen vermittelt. Die Krone musste einen Shitstorm ertragen und galt einmal mehr als fremdenfeindliches Hetzblatt. Biró wurde daraufhin vom Presserat verurteilt. Journalistisch trat Biró schon Monate vor seiner endgültigen Abberufung, im heurigen Juni, kaum noch in Erscheinung. Pokorny wird wohl nicht nur bei seinen Kommentaren vorsichtiger sein. Er kann sich vor allem nicht länger mit dem schleichenden Niedergang der Steirerkrone abfinden und zulassen, dass der Abstand zur Kleinen Zeitung noch größer wird.
Denn mit den Lesern brechen langfristig auch die Erträge weg. Daher hat Pokorny eine strukturelle Neuausrichtung der Steirerkrone angekündigt. Er könne zwar noch keine Details verraten, sprach aber von einer Neuordnung der Krone-Markenwelt und von einer stärkeren Regionalisierung. Damit dürfte er jedoch nicht den Aufbau von Regionalredaktionen in den steirischen Bezirksstädten meinen, sondern bloß eine stärkere Differenzierung von der Wiener Kronenzeitung. Ziel der Mediaprint ist nämlich ein neuer Bundesländerauftritt, der sowohl die Printausgabe als auch das bisher stark vernachlässigte Onlineangebot der Steirerkrone umfasst. Insider wollen wissen, dass spätestens im Herbst mit der Umsetzung der Reformen begonnen werden soll.
Die Kleine Zeitung wird zum Hybrid-Medium
Nachdem Kleine und Krone in den Nullerjahren noch Kopf an Kopf lagen, wies die Medienanalyse 2017 wie schon jene in den Vorjahren einen Respektabstand zwischen den beiden Konkurrenzblättern aus. Das Styria-Blatt kam auf 499.000 tägliche Leser oder 46,8 Prozent Reichweite. Die Steirerkrone schaffte nur mehr 343.000 Leser oder 32,2 Prozent. Gegenüber 2016 büßte die Kleine damit zwar fast fünf Prozent an Tagesreichweite ein. Das ist zwar deutlich mehr als die Steirerkrone mit einem Minus von 1,8 Prozent, doch Kleine-Zeitung-Geschäftsführer Thomas Spann zeigte sich darüber wenig beunruhigt. »Dieser Rückfall war leider zu erwarten«, erklärte er gegenüber dem Branchenmagazin Extradienst: »Die Ersteller der Mediaanalyse haben ihn mit einer Umstellung der Datenerfassung begründet und sich gewundert, dass er nicht schon früher eingetreten ist.« Solange die Kleine in der Steiermark täglich 500.000-fach gelesen werde, sei auch auf dem Werbemarkt alles paletti. Doch selbstverständlich dürfe man diese Marke mit der gedruckten Zeitung nicht signifikant unterschreiten.
Langfristig will Spann daher neue Zielgruppen frühzeitig an die Zeitung heranführen: »Wir investieren massiv in jüngere Zielgruppen – sowohl online als auch im Print. Seit einigen Jahren gibt es eine Kinderzeitung und eine Pausenzeitung für Schüler«, so Spann. Die Studentenzeitung Futter habe man mit dem Online-Grazportal des Verlages verschränkt. Die Kleine Zeitung setze damit auf leichtere Kost für die Jungen, um sie Schritt für Schritt an das Qualitätsblatt heranzuführen und zu Qualitätslesern zu machen.
Doch auch bei der Kleinen Zeitung gehen jedes Jahr mehr Printabos verloren als neu dazukommen. Der digitale Megatrend führt auch in Graz dazu, dass Jüngere viel seltener Printzeitungen abonnieren als ihre Eltern. Die Kleine Zeitung ist jedoch zu 95 Prozent eine Abonnentenzeitung. Daher legt man größten Wert darauf, die Abonnenten noch stärker als bisher zu binden.
Doch weil das nicht ausreicht, um das Delta zwischen den Aboausfällen und den Zugängen zu kompensieren, setzt die Kleine inzwischen voll auf sogenannte »Digitalabos«. Bereits ab 2,99 Euro im Monat erhalten junge Smartphone-User einen Login zu einer eigenen Kleine-Zeitung-App und damit Zugang zu Inhalten hinter der Bezahlschranke. Das volle Digitalabo kostet 18,99 Euro und bietet Zugang zu sämtlichen Regionalmutationen und zum Archiv.
Die Verlagsmitarbeiter sprechen daher immer öfter von der kombinierten Reichweite, die sich aus den täglichen Printlesern und den »Unique-Clients« der Onlineausgaben zusammensetzt. Derzeit liegt die kombinierte Reichweite bei etwa 750.000 täglichen Lesern. Obwohl für den Werbemarkt vor allem die Mediaanalyse wichtig ist, ist die Kleine auf dem Weg zum hybriden Medium. Thomas Spann spricht in diesem Zusammenhang von der »sowohl Print- als auch Online-Zeitung«. Da viele Printabonnenten gegen einen Aufpreis von drei Euro im Monat fünf Onlinezugänge dazu buchen, sind die Übergänge vom Print- zum Digital-Abo mittlerweile fließend.
Mehr Leserbindung durch noch mehr Regionalisierung
Dennoch scheint der Vorsprung der Kleinen Zeitung teuer erkauft zu sein. In zehn steirischen Bezirksstädten gibt es nämlich eigene Regionalredaktionen, die täglich mindestens vier Mutationsseiten erstellen. Insgesamt arbeiten deutlich über 50 Redakteure an den Regionalausgaben. Dazu kommen in jeder Region eine separate Anzeigenverkaufs- und eine Back-Office-Mannschaft. Die Steirerkrone hat sich diesen Aufwand bis jetzt erspart. Bei deutlich geringeren Kosten lag die Mediaprint bei den Leserzahlen trotzdem nur ein verhältnismäßig kleines Stück zurück.
Trotz des riesigen Aufwands ist man bei der Kleinen im Hinblick auf die Leserbindung vom Regionalisierungskonzept überzeugt. Und so schreiben die Lokal- und Regionalredakteure ihre Beiträge längst in ein Content-Managementsystem, das sowohl die Printausgaben als auch die Onlineausgaben mit Inhalten bedient. Auch der Kleine-Zeitungs-Vorteilclub bietet zahlreiche regionale Angebote von der günstigen Liftkarte bis zum steirischen E-Bike. Ziel der Kleinen Zeitung ist es, Bestandteil der steirischen Identität zu werden.
Die Steirerkrone wagt sich nun ebenfalls auf dieses kostenintensive Terrain. Die Marke soll durch eine stärkere Regionalisierung optimiert werden. Der Zeitpunkt für teure Veränderungen erscheint günstig. Denn der Anzeigenmarkt ist im Hochkonjunkturjahr 2018 so expansiv wie seit Jahren nicht. Trotz der Verlagerungen von Werbegeld in den Onlinebereich wachsen die Werbeumsätze erstmals seit langem wieder – auch bei den Tageszeitungen.
Die Woche als steirischer Reichweiten-Sieger
Den steirischen Kauftageszeitungen ist mit der landesweit in 14 Ausgaben erscheinenden Wochenzeitung »Die Woche« eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Mit ihrer Reichweite von 53,6 Prozent ist das Blatt inzwischen die klare Nummer eins auf dem Steirischen Markt. Und selbst wenn der Werbewert von Schaltungen in dem Gratisblatt nur schwer mit jenem in einer Kauftageszeitung vergleichbar ist, lassen sich viele Kunden von den beeindruckenden Zahlen überzeugen. »Die Woche« ist aus mehreren ehemals unabhängigen Regionalzeitungen, die vom Styria-Verlag zusammengekauft wurden, hervorgegangen. Mittlerweile gehört die Woche der RMA, also jeweils zur Hälfte der Styria und der Tiroler Moser-Holding.
Wegen ihrer kleinteiligen Regionalisierung eignet sie sich sowohl für überregionale Werbekampagnen als auch für lokale Schaltungen. Ursprünglich hat die Styria in der Woche nur eine Abwehrwaffe im Kampf gegen die Gratiszeitungen gesehen. Inzwischen hat sie den Sprung an die Reichweitenspitze geschafft, die sich mit der Kleinen Zeitung um die Werbekunden streitet. Die neueste Wunderwaffe von Thomas Spann heißt daher »Kleine Zeitung Kompakt«. Das ist eine Gratiszeitung, die jeden Samstag vorerst nur im Ballungsraum Graz an alle Haushalte verteilt wird. Auf 24 Seiten informiert die »Kleine-Kompakt« über lokale Ereignisse aus Sport, Politik und Chronik. Dazu kommen Service- und Lifestyle-Berichte sowie ein Veranstaltungskalender. Die Kleine Zeitung will damit ihre Zahlen bei der Mediaanalyse aufbessern. Ein weiteres Ziel scheint auch zu sein, die Grazerinnen und Grazer ohne Tageszeitungsabo von der Woche fernzuhalten.
Das Match um Leser und Werbegeld wird in der Steiermark so intensiv geführt, dass sich kein weiterer großer Spieler von außerhalb ausbreiten kann. Obwohl es wegen der Digitalisierung für alle Medien schwieriger wird, bleibt bei nur zwei Tageszeitungen für die kleinen Verlage – zumindest vorläufig – ein ausreichendes Stück vom Kuchen übrig.
Fazitthema Fazit 145 (August 2018), Foto: MPress
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