Politicks Oktober 2018
Johannes Tandl | 4. Oktober 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 146, Politicks
SPÖ – Rendi-Wagner muss nicht nur gegen Türkis-Blau bestehen
Dass Christian Kern irgendwann alles hinschmeißen wird, war schon am Tag der letzten Nationalratswahl abzusehen. Die PR-Katastrophe, die Kern mit der Art seiner Rücktrittsankündigung auslöste, war es nicht. Doch mit Pamela Rendi-Wagner hat die SPÖ überraschend schnell eine zumindest in ihrer Außenwirkung hervorragende Nachfolgerin für Kern gefunden. Warum sich die Tropenmedizinerin und anerkannte Wissenschaftlerin das angesichts des derzeitigen Zustands der SPÖ antut, ist dennoch schleierhaft.
Denn anders als VP-Chef Sebastian Kurz hatte Rendi-Wagner, wegen ihres fehlenden innerparteilichen Gewichts, auch keine Chance, sich von den Parteigranden ein schriftlich besiegeltes inhaltliches und personelles Durchgriffsrecht für die gesamte Partei zusichern zu lassen. Die Wiener SPÖ und die roten Gewerkschafter haben ihr zwar die Möglichkeit eingeräumt, ihr eigenes Team zusammenzustellen, nicht jedoch ohne ein »Schau ma mal, dann sehen wir schon« anzuhängen.
Eigentlich haben sich nur die VP-Frauen und die westlichen Länder begeistert zur neuen Parteiobfrau geäußert. Auch, dass ausgerechnet der gescheiterte Noch-Vorsitzende Christian Kern – ohne Flankenschutz aus Wien und vom ÖGB – vor die Presse treten durfte oder musste, um Rendi-Wagners Nominierung zu verkünden, zeigt, dass es von jenen, auf die es ankommen wird, kaum Vorschusslorbeeren für die Quereinsteigerin an der Parteispitze gibt.
Die SPÖ sollte in der »Vor-Kurz-ÖVP« ein schlechtes Vorbild sehen
»Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen – wir wollen regieren.« Mit diesen Worten bewarb sich seinerzeit Franz Müntefering um den Vorsitz der SPD. Und auch die SPÖ fühlt sich sichtlich unwohl in der ungeliebten Oppositionsrolle. Der Verlust des Bundeskanzlers und der Ministerposten ist natürlich eine Zäsur. Das darf aber dennoch kein Grund dafür sein, dass sich die Partei einigelt und zuerst mit sich selbst beschäftigt statt mit der Regierungspolitik. Irgendwie scheint sich die SPÖ auf dem gleichen Abwärtsweg zu befinden, den jahrzehntelang die ÖVP beschritten hatte. Deren Obleute scheiterten bekanntlich regelmäßig an der eigenen Partei. Den mächtigen VP-Bünden und noch mächtigeren VP-Landesparteien war nämlich – bis zur türkisen Revolution von Sebastian Kurz – das Hemd immer deutlich näher als der Rock. Denn wenn einem VP-Landeshauptmann oder einem Bündechef der politische Gegenwind zu heftig ins Gesicht wehte, blies dieser sehr oft zum Halali auf die eigene Bundespartei.
Der letzte ÖVP-Bundesobmann, der so von der eigenen Partei abgeschossen wurde, war bekanntlich Reinhold Mitterlehner. Der ist offiziell von sich aus zurückgetreten. Aber erst nachdem er monatelang von den eigenen Parteifreunden für seinen Koalitionswillen desavouiert und dafür bestraft wurde, dass er sich Christian Kerns Neuwahlultimatum gebeugt hatte. Aus Sicht der VP-Mächtigen, die mit Sebastian Kurz ja einen jungen Superstar im Talon hatten, der alle Umfragen klar anführte, durfte Mitterlehner der SPÖ keines jener Zugeständnisse mehr machen, mit denen er bisher vorgezogene Wahlen verhindert hatte.
Sebastian Kurz sitzt fester im Sattel als je ein VP-Chef vor ihm. Die ÖVP hat den Weg nach unten verlassen und führt klar bei sämtlichen Umfragen. Solange Kurz so erfolgreich bleibt, ist er auch immun gegen Kritik von innen. Wie die schwarze VP reagieren wird, wenn ihre türkise Spitze irgendwann der Erfolg verlässt, ist dennoch absehbar. Aber weil Sebastian Kurz das ganz genau weiß, nutzt er seine momentane Stärke auch dazu, um seine Leute aus der JVP, die er in allen Landesparteien und Bünden hat, auf ihrem Weg nach oben zu stärken. Weil Pamela Rendi-Wagner auf kein derartiges parteiinternes Netzwerk zurückgreifen kann, wenn es Widerstände gibt, kann man ihre Situation nicht mit der von Sebastian Kurz vergleichen. Und anders als die ÖVP bei Kurz konnte oder wollte die SPÖ bisher auch keinen bedingungslosen Rückhalt hinter der neuen Parteispitze kommunizieren.
Wenn die eigene Eitelkeit den Abgang vermiest
Christian Kern konnte sich nicht dazu überwinden, mit seinem Rückzug von der SPÖ-Spitze, auch sein persönliches Scheitern einzugestehen. Daher hat er auf ziemlich plumpe Art versucht, die Niederlage als Sieg darzustellen, indem er sich selbst – ohne auf die Partei Rücksicht zu nehmen oder die Gremien zu befragen – zum SPÖ-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl 2019 ausgerufen hat.
Offenbar musste Kern jedoch am Vorabend jener SPÖ-Präsidiumssitzung, bei der er seinen Rückzug von der Parteispitze und die angestrebte SPÖ-Spitzenkandidatur bei der EU-Wahl bekanntgeben wollte, einige SPÖ-Mächtige informieren. Schließlich kam Kern nicht umhin, den Parteigranden aus Wien und im ÖGB ein Placet für den skurrilen Eintausch des Parteivorsitzes gegen die EU-Kandidatur zu entlocken. Dem Vernehmen nach haben daraufhin gleich mehrere Präsidiumsmitglieder Kerns geplanten Rückzug an die Medien durchgestochen. Schließlich hatte Kern wenige Tage zuvor die 626.000 Zuseher des ORF-Sommergesprächs angeflunkert. Damals bezeichnete er die kursierenden Gerüchte über seine EU-Spitzenkandidatur als vollkommenen »Mumpitz«. Kerns geplanter Rückzug wurde am Dienstag, dem 18. September bekannt. Am selben Tag gab (Noch-)SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher seinen Sitz im Steirischen Landtag an Wolfgang Moitzi weiter. Lercher tat das, um sich mit voller Energie seiner beruflichen Aufgabe zu widmen. Er sah es als seine Aufgabe, Christian Kern den Weg zurück in das Kanzleramt zu ebnen. Vor diesem Hintergrund ist es daher alles andere als glaubhaft, dass Lercher, wie von ihm behauptet, tatsächlich rechtzeitig in Kerns Rücktritts- und EU-Pläne eingebunden war. Kern ließ seinen treuen Geschäftsführer sprichwörtlich in ein offenes Messer laufen.
Und nachdem ausgerechnet Christian Kern die Nominierung von Pamela Rendi-Wagner als nächste SP-Chefin bekanntgeben durfte, sagte er, dass seine Nachfolgerin nun völlige Freiheit bei der Wahl ihres Teams haben werde. Die Frage, ob das auch die Person von Max Lercher als Geschäftsführer betrifft, für dessen Verbleib sich zuvor der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer starkgemacht hatte, bejahte Kern ausdrücklich. Man sagt, Führungsqualität kennt man vor allem am persönlichen Umgang mit den wichtigsten Mitarbeitern. Auch vor diesem Hintergrund sollte die SPÖ daher froh sein, dass sich Exkanzler Christian Kern nun aus der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße zurückzieht.
Die steirische SPÖ nominiert Michael Schickhofer für die Landtagswahl 2020
Recht früh hat sich LH-Vize Michael Schickhofer zum SPÖ-Spitzenkandidaten für die Wahlen, die irgendwann im Frühjahr 2020 stattfinden soll, nominieren lassen. Obwohl Schickhofer als Spitzenkandidat gegen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer völlig unumstritten ist, hat er den Parteivorstand zuvor nicht über seine Pläne informiert. Dem Vernehmen nach sei es in der SPÖ nämlich sonst üblich, geplante Abstimmungen über so weitreichende Fragen wie eine Spitzenkandidatur vorab bekanntzugeben. Doch die Nominierung des SPÖ-Spitzenkandidaten sei nicht auf der Tagesordnung gestanden, sondern auf Vorschlag des Leobner Bürgermeisters Kurt Wallner erfolgt. Die Vorstandsmitglieder seien zuvor jedoch auf die Wichtigkeit der Sitzung hingewiesen worden. Trotzdem seien – so die Kleine Zeitung – nur 39 von 66 abstimmungsberechtigten Mitgliedern anwesend gewesen. Schickhofer wäre aber ganz sicher auch dann nominiert worden, wenn er seine eigene Partei nicht mit einer unangekündigten Abstimmung überrumpelt hätte.
Die ÖVP hat die besten Chancen mit Hermann Schützenhöfer
Außer Schickhofer hat derzeit ohnehin niemand in der SPÖ den Mut, gegen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, der seine nochmalige Kandidatur ja bereits vor dem Sommer gegenüber der Kronen Zeitung verlautbart hat, in den Ring zu steigen. Für die FPÖ will es mit großer Wahrscheinlichkeit Verteidigungsminister Mario Kunasek noch einmal wissen. Die FPÖ lag 2015 knapp hinter der damals von Franz Voves angeführten SPÖ und der ÖVP an dritter Stelle.
Glaubt man den Umfragen, liegt Hermann Schützenhöfer inzwischen mit deutlichem Vorsprung an der Spitze. Trotz seiner herausragenden Werte lässt der Landeshauptmann aber kaum eine Gelegenheit aus, um zu erklären, dass es in der Volkspartei zahlreiche Persönlichkeiten gebe, die ihm problemlos als Landeshauptmann nachfolgen könnten. Die besten Chancen werden Gesundheitslandesrat Christopher Drexler, Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl und dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl eingeräumt. Zum geplanten Wahltermin ist Schützenhöfer 68 Jahre alt. Daher stellt sich die Frage, wie lange er – im Falle seiner Wiederwahl – das Amt in der nächsten Periode wohl ausüben wird.
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Politicks, Fazit 146 (Oktober 2018)
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