Wie sollen wir mit sexueller Belästigung im Internet umgehen?
Christian Klepej | 24. Oktober 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 147
Sigrid Maurer wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Weil sie sich gegen eine überaus geschmacklose und absolut ablehnenswerte sexuelle Belästigung mittels einer an sie gerichteten Facebook-Nachricht gewehrt hat.
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Sie hat, als wohl für viele verständliche Reaktion, die Ungeheuerlichkeit, die an sie geschrieben wurde, öffentlich gemacht und den (vermuteten) Verfasser damit an einen Internetpranger gestellt. Die Nachricht kam vom Facebook-Konto eines Wiener Wirtes, den hat sie namentlich in ihrem Posting genannt. In Verbindung mit einer »Warnung«, wie dieser Wirt mit Kundinnen umgehen würde. Der Wirt hat daraufhin Maurer auf Rufschädigung geklagt, er behauptet, die Nachricht sei nicht von ihm, sondern müsse von einem Gast, von seinem Computer, der im Lokal öffentlich zugänglich sei, verfasst worden sein. Der Richter im folgenden Prozess hat entschieden, dass Maurer keine schlüssigen Beweise vorlegen konnte, dass dieses Mail vom Wirt stamme und gab dem Kläger also in Sachen Rufschädigung recht. So weit, so schlecht.
Nun gibt es eine Solidaridätswelle für Sigrid Maurer, aus allen Parteien findet sie Unterstützung und immer öfter wird der Ruf nach einer »Änderung der Gesetzeslage« laut. Was mir Probleme bereitet.
In einem sehr lesenswerten und grundsätzlich durchaus ausgewogenem Artikel zu dieser Causa im Falter (Nummer 42/2018) – verfasst von Florian Klenk und Barbara Toth – werfen die beiden Autoren folgende Fragen auf: »Wie kann das sein? Eine Frau versucht sich gegen sexuelle Belästigung im Netz zu wehren und wird dafür auch noch abgestraft? Nicht der Belästiger muss seine Unschuld, sondern die Belästigte seine Schuld beweisen?«
Dieser Passus verdeutlicht recht gut, warum ich hier, bei aller Sympathie für die Notwendigkeit, Menschen vor sexuellen Übergriffen zu schützen!, nicht in den allgemeinen Chor der Gesetzesmangelrufer einstimmen kann. Klenk wie Toth ist offensichtlich durch die Abscheulichkeit der durch diese Nachricht illustrierten Gedankenwelt ihres Verfassers – von dem die unabhängige Justiz eben (noch) nicht wissen kann, wer es ist –, meiner Meinung nach ein Denkfehler passiert. Ja selbstverständlich gilt es in einem Rechtsstaat »Schuld« zu »beweisen«. Was wäre es für ein furchtbarer Rückschritt unserer Rechtsordnung, wenn plötzlich (von wem auch immer) »Beschuldigte« dazu verpflichtet wären, ihre Unschuld zu beweisen. Das ist eine Stolperfalle in diesem ungustiösen Fall.
Zudem obliegt es ausschließlich Gerichten über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Und es kann auch nicht sein, dass es für einige Verbrechen hier Ausnahmen gibt. Ich lehne jede Art von »Pranger« ab, damit natürlich auch den vermeintlich modernen im Internet, der, das haben die letzten Jahre ja schon eindrucksvoll gezeigt, jedenfalls in der Lage ist, Existenzen schwer zu schädigen oder gar zu zerstören. Maurer hat ihr Öffentlichmachen des sexuellen Übergriffes damit argumentiert, dass sie sonst keine andere Möglichkeit gehabt hätte, sich zu wehren. Was wohl richtig ist, weil der krude Text, der an sie gerichtet wurde eben im strafrechtlichen Sinne keine Beleidigung darstellt, dazu hätte dieser über eine Öffentlichkeit verfügen müssen. Nicht öffentlich strafbar sind – mit gutem Grund, wie ich meine – ausnahmslos Bedrohungen körperlicher Natur, also Androhungen der Gewalt oder Tötungsdrohungen. Würde man hier eine Gesetzesänderung überlegen, müssten wohl alle Formen der Beleidungen strafbar werden, auch wenn diese eben nur zwischen zwei Menschen, ohne dass irgendjemand anderer davon Notiz nehmen konnte, stattgefunden haben. Würde man das nämlich nur auf die sexuelle Belästigung reduzieren, dann käme das einem staatlich festgeschriebenen Opferstatus aller Frauen gleich. Natürlich gibt es auch sexuelle Belästigungen von Frauen an Männern, nur sind diese (zumindest noch) in einem so unwesentlichen Ausmaß vorhanden, dass es im Grunde eben Frauen sind, die davon betroffen wären. Und einen solchen Opferstatus lehne ich nicht zuletzt als Vater zweier Töchter jedenfalls ab.
Vielleicht ist es eine Möglichkeit, für digitale Beleidigungen mittels Mails den Faktor Öffentlichkeit auszunehmen und sie strafbar zu machen. Ob das dann aber wirklich eine bessere Welt sein wird, ohne jetzt an die wahrscheinliche Flut an Prozessen zu denken, wage ich zu bezweifeln.
Editorial, Fazit 147 (November 2018)
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