Schlagobers und Wodka
Martin G. Wanko | 28. November 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Da Wanko, Fazit 148
Ja, also heute habe ich rund 45 Minuten in einem Tepidarium verbracht. Das ist ein Wärmeraum, zum Entspannen. Dazu war ich noch laufen, schwimmen, hatte eine Akupunkturmassage, genoss das erste Mal eine Qi-Gong-Sitzung, und das am Fuße der Alpen.
::: Text von Martin G. Wanko [Hier im Printlayout lesen.]
Jetzt werden Sie denken, Wahnsinn, da Wanko hat einen 1-A-Wellnessurlaub zu einer Zeit, wo andere schuften müssen. Neid! Stimmt irgendwie und irgendwie nicht, weil ich zu dem Sport-Programm noch Blutabnahmen und Urintests habe, ärztliche Gespräche, Sitzungen mit dem Psychologen, Schonkost und jetzt keinen Alkohol, ein Monat lang. Richtig geraten, das nennt sich Reha im wunderschönen St. Radegund.
Das mit dem Kein-Alkohol-ein-Monat lang ist ein bisserl ein Scheiß, aber wenn man das Thema Alkohol dadurch aus einer gewissen Entfernung betrachtet, fällt einem einiges auf. Da ich zurzeit an einer Graz-Sitcom für das altehrwürdige Theater im Keller schreibe, schaue ich mir so nebenbei diverse amerikanische Sitcoms an. In den neueren wird regelmäßig gebechert. Jetzt nicht immer wild, aber schon sichtbar.
Lockeres Bier am Tag, am Abend Wein, vor allem Rotwein und Drinks in ansprechender Umgebung. Rauchen tut eigentlich keiner mehr, gegluckert wird gerne. Und das ist gut so. Wenn schon nicht im Übermaß, aber beim Trinken sind wir Österreicher gut dabei, mein Gott, viel geht eh nicht mehr.
Wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, was Sie laut der Diätologin (fast) nicht essen dürften, dann würden Sie meine Kolumne nicht fertiglesen. Ich bin so und so nicht der Verbotsmensch. Also drehen wir das jetzt um: Esst Schinken, Huhn und Lamm, härteren Käse, Eier, dunkles Brot und dunkle Schokolade. Trinkt Rotwein, da brennt nix an, bei Weißwein ist auch niemand böse, ein Fußballspiel ohne Bier soll es nicht geben. Einfach die harten Sachen weg, vom Schlagobers bis zum Wodka, das muss ja gehen. Dafür braucht man keine Ernährungsberatung. Wir sind ja nicht mehr 16 mehr und den Rest sagt uns eh unser Bauchumfang. Noch einmal die Kurzformel: Schwarzbrot + Käse + Schinken + Wein = der gesunde Mensch. Dann sterben wir glücklich und gesund. Weil ich gerade bei meiner Sitcom war, kurz zum Inhalt. Also, die Hauptperson Samy wird vom Jahr 2019 ins Jahr 1982 zurückkatapultiert.
Dort angekommen freut er sich, noch am Leben zu sein, aber ihm wird ziemlich bald fad. Er weiß eben über die zukünftigen Ereignisse Bescheid. Stellen Sie sich vor, Sie wissen, wie lange der Kurz regiert, wer nach Trump kommt oder wer die nächste WM gewinnt. Ziemlich blöd, was? Das würde ja noch gehen, wenn mein Hauptdarsteller mit sich selbst etwas anfangen könnte. Es gab 1982 noch keine Computer und Mobiltelefone mit dem damit verbundenen Zeitvertreib. Um das zu verbildlichen: Nix streamen, nix soziale Medien, nix surfen, und auch keine 30 TV-Programme im Fernsehapparat, nicht einmal Video.
Es ist unglaublich, 1982 haben sich die Leute treffen müssen, um außerhalb sehr teurer Telefongespräche Kontakt zu haben. Auch besuchte man Veranstaltungen um etwas zu erleben, oder man ging ins Kino. Man muss sich das so vorstellen: Zwei TV-Programme, dazu Ö1, Ö-Regional und Ö3 und sonst gar nix. Ich will jetzt nicht sagen, dass einem nichts gefehlt hat, denn sehr wohl haben wir fast neidisch zu den deutschen Nachbarn geschaut, die einfach schon einige Programme mehr zur Auswahl hatten. Nur eines lasse ich mir nicht nehmen: Damals wurde mehr in der Familie geredet. Jetzt nicht immer gescheit, eh klar, aber die Themen, die gesprochen wurden, hatten noch Gewicht in der Gesellschaft.
In halbwegs gebildeten Haushalten wurden auch die Nachrichten geschaut, zumindest die »Hauptnachrichten« um 19:30 Uhr und zum Aufwärmen noch das Österreichbild dazu. Dann hat es bis zum Morgen gedauert, bis uns die Tageszeitungen mit neuer Information versorgten. In meiner Sitcom schaltet sich Samy einmal durch die (zwei) Programme, da kommt er sich nicht ganz so deplatziert vor, als wenn er bei 20 Programmen nichts Passendes findet. Danach legt er kurz eine LP auf, aber auch die Musik will ihm keine rechte Freude bereiten. Nun geht Samy raus und lernt Menschen kennen. So einfach kann Unterhaltung sein. Viel Spaß dabei! Ihr herzlicher G Punkt.
Martin G. Wanko (48) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at
Da Wanko, Fazit 148 (Dezember 2018), Foto: Martin G. Wanko
Kommentare
Antworten