Genosse Kompromiss
Peter K. Wagner | 25. Februar 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 150, Fazitgespräch
Der steirische AK-Präsident Josef Pesserl im Interview über die Fehler der Sozialdemokratie, Blechtrottel und den Ausschluss der Arbeitnehmer.
Das Gespräch führten Peter K. Wagner und Volker Schögler.
Fotos von Marija Kanizaj.
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Das Büro des Präsidenten der steirischen Arbeiterkammer ist kein besonders großer Raum. Ein Blick aus den großen Fenstern erklärt allerdings sofort, warum die AK ihrem Präsidenten hier einen Arbeitsraum zur Verfügung stellt. Direkt am Volksgarten gelegen, hat Josef Pesserl nicht nur einen perfekten Blick auf den buddhistischen Friedensstupa im Grazer Volksgarten, sondern auch auf den Grazer Schloßberg.
»Jeder, der mich besucht, spricht über die tolle Aussicht«, sagt Josef Pesserl selbst. »Mir wird sie erst dann wieder bewusst, ich komme nicht dazu, sie zu genießen«, fügt er lächelnd hinzu. Der gebürtige Unterpremstättner ist gelernter Kfz-Mechaniker, war Bus- und Straßenbahnfahrer oder Hilfsarbeiter und ist seit 2014 Präsident der Arbeiterkammer. Heuer stellt er sich als Spitzenkandidat der FSG erneut der Wahl.
In Zeiten, in denen es der höchste Vertreter der Arbeitnehmer im Land nicht einfach hat. Das Fazit fragt, wie immer zu Anfang des Gesprächs, ob die folgende Stunde mit dem Mobiltelefon aufgezeichnet werden kann. »Wir wollten das Interview erstmals mit Spracherkennung aufzeichnen«, sagen wir. »Aber unsere App ist anscheinend nicht ausgereift genug«, sagen wir das Experiment kurzerhand ab. »Spannend«, nennt Josef Pesserl die Möglichkeit, ein automatisch transkribiertes Interview zu erhalten. »Das ist die Digitalisierung«, sagt er. Nur ein Thema der folgenden Unterhaltung.
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Herr Präsident, ein befreundeter SPÖ-Gemeinderat ist uns gerade beim Mittagessen begegnet. Er meinte, wir sollen Sie fragen, welchen Plan Sie für die Sozialdemokraten haben. Haben Sie einen?
Ich habe keinen Plan für die SPÖ, ich habe nur einen Plan für die Arbeitnehmer.
Formal wird das schon so sein, aber für viele gilt die FSG als die bessere SPÖ und um Ihre SPÖ-Parteimitgliedschaft haben Sie auch nie ein Geheimnis gemacht. Auch werden viele Arbeitnehmer, die bei der Nationalratswahl andere Parteien gewählt haben, bei der Arbeiterkammerwahl Ihnen das Vertrauen schenken. Warum ist das so?
Auch wenn ich ein politisches Bekenntnis habe, zu dem ich auch stehe: Wir sind keiner politischen Partei verpflichtet und auch keiner Regierung, sondern ausschließlich den Arbeitnehmern. Der Beleg dafür ist, dass wir Maßnahmen der sozialdemokratischen Partei als Regierungsbeteiligte ebenso kritisiert haben wie die Arbeit der aktuellen Bundesregierung. Wir kritisieren stets lediglich Maßnahmen, die gegen Arbeitnehmer gerichtet sind. Auch an den steirischen SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves habe ich dereinst eine Petition überreicht, um den Pflegeregress in der Steiermark abzuschaffen.
Die AK verkörpert in der SPÖ-Basis aber eine gewisse Hoffnung …
… das glaube ich gerne. Wir stellen als FSG die absolute Mehrheit, haben eine tolle Arbeit geleistet und ich erlebe auch vor Ort in den Betrieben, dass diese Arbeit anerkannt wird. Leider verabsäumen es die Politiker, auch abseits des Wahlkampfs den Dialog mit den Menschen zu führen. Das erlebe ich, weil ich in den 500 Betrieben, die ich seit dem Beginn meiner Tätigkeit besucht habe, immer wieder Verwunderung darüber vernehme, dass ich da bin.
Die SPÖ stand immer für Leistung, Arbeit und Aufstieg. Viele SPÖ-Mitglieder oder vergrämte ehemalige SPÖ-Wähler haben den Eindruck, dass sich das geändert hat. Die SPÖ kümmere sich mehr um soziale Randgruppen.
Ich bin schon mehrmals gefragt worden, was die SPÖ tun muss, um wieder mehr Zuspruch zu bekommen. Ich sage immer: Besser werden und das Ohr näher am Menschen und den Bedürfnissen der Menschen haben.
Fällt Ihnen das leichter, weil Sie einen anderen Background haben als viele aktuelle SPÖ-Funktionäre? Sie waren ursprünglich einmal gelernter Kfz-Mechaniker und haben verschiedene Berufe ausgeübt.
Das ist sicher ein Vorteil, der mir zugutekommt. Ich habe bis zu meinem 32. Lebensjahr unterschiedliche Berufe ausgeübt und natürlich war das, was ich getan habe, immer zu jeder Zeit toll. Retrospektiv betrachtet war jede einzelne Tätigkeit für mich heute in der Funktion aber unglaublich wertvoll. Wenn die Kollegen im Betrieb mit mir über ihre Belastungen und Schwierigkeiten sprechen, weiß ich, wovon sie reden, und kann mich hineinversetzen.
Die Regierung hat einen Rückzieher bei der Abschaffung der Kammern-Pflichtmitgliedschaft gemacht, dennoch ist das Thema wohl nicht vom Tisch. Wie gehen Sie damit um?
Es hat schon längere Zeit aus verschiedenen politischen Ecken den Angriff auf die Sozialpartnerschaft an sich gegeben. Man wollte den Eindruck vermitteln, dass diese Sozialpartnerschaft nur faule Kompromisse hervorbringt. Das hat bei Teilen der Bevölkerung gewirkt. Fokussiert hat sich das Ganze schließlich auf die Arbeiterkammer und die Beseitigung der gesetzlichen Mitgliedschaft. Das kam in der Bevölkerung nicht so gut an. 72 Prozent der Bevölkerung sagen uns hohe Kompetenz und Vertrauen zu. Die Regierung hat gemerkt, dass wir einen guten Stand haben, und ist deshalb zurückgerudert. Das Asset, den die Arbeiterkammer hat, ist die Expertise und Beratung durch die Kammer …
… gegen den die Regierung nichts hat. Sie will die AK allerdings auf die Beratungsrolle beschränken, denn unbequem wird die Kammer, wenn sie sich tagespolitisch äußert. Oder in welchen Rollen sehen Sie Ihre Institution?
Wir haben beide Rollen. Wir wollen Arbeitnehmer professionell beraten und Gesetze mitentwickeln bzw. begutachten. Wenn Teile oder Passagen gegen die Interessen der Arbeiternehmer gerichtet sind, müssen wir Kritik üben. Es ist eine bedenkliche, antidemokratische Haltung, sich auf keine inhaltliche Diskussion einzulassen, weil man anderer Meinung ist. Bei der Frage der Umlagensenkung ist die gleiche Konsequenz damit verbunden. Weniger Einnahmen bedeuten die Reduzierung von Beratern und Expertise sowie Vertretung. Die Konsequenz ist, dass die Arbeitnehmer geschwächt werden. Und dagegen verwehren wir uns. Ich würde mir wünschen, dass wir in einen inhaltlichen Diskurs einsteigen. Ich habe nichts gegen Vertreter der Unternehmer, aber es sind nur sie, die seit Jänner 2018 in den Ministerien ein- und ausgehen, während wir Arbeitnehmervertreter ausgeschlossen sind.
Wie ist eigentlich die Gesprächsbasis zu den freiheitlichen Arbeitnehmern?
Gut, aber wenn es um die öffentliche Darstellung geht, verteidigen sie die Maßnahmen der Regierung.
Die FPÖ wiederum unterstellt Ihnen, dass Sie die Oppositionsrolle der SPÖ wahrnehmen. Etwa mit der Kampagne gegen die Arbeitszeitflexibilisierung.
Wenn wir den 12-Stunden-Tag kritisieren, geht es nicht darum, dass dieser nun möglich ist. Das ist er bereits seit zwanzig Jahren unter gewissen Rahmenbedingungen. Es geht darum, dass die Arbeitnehmer bei der Mitwirkungsmöglichkeit des Gesetzes ausgeschaltet wurden. Vorher hat es eine Vereinbarung gegeben, dass dort, wo es keine Belegschaftsvertretung gab, das Arbeitsinspektorat und ein Arbeitsmediziner hinzugezogen werden mussten. Das wurde beseitigt. Ähnliches gilt für die Sozialversicherungen. Es wurde angekündigt, dass die Funktionärsmilliarde zu einer Patientenmilliarde wird oder viel zu viele teure Dienstkarossen unterwegs sind. Auch wurde den Funktionären unterstellt, dass mit Rücklagen in der Höhe von 5,5 Milliarden Euro an der Börse spekuliert wird, anstatt die Beiträge der Versicherten zu senken. Die Versicherten wissen nicht im Detail Bescheid und ich habe Verständnis, dass solche Behauptungen Unmut schüren. Doch sie stimmen nicht. Die Wahrheit bei den Rücklagen ist etwa, dass der Gesetzgeber dem Sozialversicherungsträger vorschreibt, ein Zwölftel der Leistungsaufwendungen eines Jahres als Rücklagen zu schaffen, um im Notfall die Leistungen nicht aus Krediten finanzieren zu müssen. Wie die Rücklagen zu veranlagen sind, wird per Punkt und Beistrich vorgeschrieben und wurde gesetzeskonform gemacht.
Kurz zurück zum 12-Stunden-Arbeitstag. War die Kampagne dagegen nicht überzogen?
Nein, eine Seite hat die Gelegenheit gesehen, dass man sich uns gegenüber nicht mehr bekennen muss, weil die Regierung eh macht, was man will. Viele Unternehmer sagen mir, dass sie diese Regelung gar nicht brauchen. Weil die Produktivität nach acht Stunden sinkt, aber auch weil die Fehlerhäufigkeit und damit die Krankheitsanfälligkeit sowie in weiterer Folge die Abwesenheit steigen. Die Unternehmer sagen aber auch, dass sie es machen werden müssen, wenn die Konkurrenzbetriebe mitmachen, weil sie sonst Aufträge nicht mehr erhalten werden.
Wir nehmen an, das sind Themen Ihrer aktuellen Wahlbewegung. Worauf legen Sie noch Ihren Fokus?
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist uns ein großes Anliegen, aber auch faire Entlohnung für die tolle Leistung, die Arbeitnehmer tagtäglich bringen. Ich möchte die Bedeutung der Unternehmer nicht schmälern, aber man stelle sich vor, die Arbeitnehmer machen vier Wochen einmal nichts, wie es in der Republik dann ausschaut. Es geht um Leistungsträger, aber auch um eine steuerliche Entlastung für Einkommen auf Arbeit.
Wie soll diese steuerliche Entlastung finanziert werden?
Entschuldigung, aber das ist schon die Aufgabe der Politik. Politik bedeutet im Ursprung, zu gestalten und zu steuern. Ich halte es nicht für vertretbar, wenn ich an die Zukunft denke, dass ein überwiegender Teil des Steueraufkommens aus Leistung entsteht, die durch eigene Handarbeit erbracht wird. Gleichzeitig erwachsen dem Einkommen, das aus der Entwicklung von Aktienkursen entsteht, fast keine Steuern. Das ist mit Fairness nicht vereinbar. Es geht uns um faire Besteuerung und damit um Entlastung, aber auch um eine Beseitigung der kalten Progression. Ich habe mir das im Zusammenhang mit dem Kollektivvertragsabschluss für die Metallarbeiter angeschaut. Der Finanzminister bekommt nur aus dieser Lohnerhöhung rund 60 Millionen mehr Steuern. Durch die kalte Progression bekommt er sogar fast die Hälfte davon, nämlich 29 Millionen. Übers ganze Jahr und alle Berufsgruppen hinweg bekommt er durch die kalte Progression rund 500 Millionen. Diese Millionen fehlen den Menschen an Kaufkraft.
Kanzler Sebastian Kurz hat kürzlich sinngemäß gesagt, wer arbeitet, muss mehr bekommen als jemand, der nichts tut. Und meinte damit die Relation zur Mindestsicherung. Unterstützen Sie das?
Ich bin der Überzeugung, dass Leistung eine faire Entlohnung verdient. Leistung ist etwas ganz Besonderes und die Beschäftigten in Österreich bringen tagtäglich große Leistungen, die oft unterbezahlt sind. Wenn ich mir Gesundheit, Pflege oder Tourismus anschaue: Das ist ein Witz, wie mit mangelnder Produktivität und Wertschöpfung argumentiert wird. Da braucht es ein politisches Bekenntnis, dass mindestens ebenso gut entlohnt wird wie bei den Beschäftigten in der Industrie. Leistung muss sich lohnen, keine Frage. Die Sozialtransfers hängen unmittelbar mit der Beschäftigungspolitik zusammen. Wenn ich keine Rahmenbedingungen schaffe, dass möglichst viele Menschen eine Beschäftigung finden, wird das zu Problemen führen. Gerade Teilzeitarbeit ist ein großes Thema. Wenn das nicht gelingt, müssen wir uns als demokratische, entwickelte Wohlstandsgesellschaft dazu bekennen, dass jene, die von der Arbeit oder Gesellschaft ausgeschlossen werden oder von ihrer Arbeit nicht leben können, auch adäquat versorgt werden.
Magna hat im Vorjahr 4.000 Mitarbeiter eingestellt, aber nur 1.027 Menschen am österreichischen Arbeitsmarkt vorgefunden. Trotz relativ hohen Verdiensts und obwohl das Berufsbild des Unternehmens bis auf körperliche Fitness nicht viele Anforderungen kennt. Karl-Heinz Snobe vom AMS Steiermark sagt, 16.000 Arbeitsplätze wurden im Vorjahr in der Steiermark geschaffen, aber nur 5.000 konnten in Österreich besetzt werden. Warum?
Wir haben einen Riesenhandlungsbedarf. Gerade, wenn ich auch an die Fachkräftediskussion denke. Ich höre immer wieder von Arbeitgebern, dass es zu wenige Fachkräfte gibt. In der Regel jammern die am meisten, die selbst keine ausbilden. Das wird nicht funktionieren, die Fachkräfte fallen nicht vom Himmel.
Es gibt noch andere Zahlen. Bei Magna ist Verhältnis von Lehrstellen zu Bewerbern bei eins zu zehn. Bei der Energie Steiermark eins zu acht, bei der Voestalpine in Kapfenberg und Donawitz kommen auf eine Lehrstelle nur zwei Bewerber. Das klingt nach einem Problem.
Trotzdem müssen wir die Katze im Dorf lassen. Mehr als 20 Prozent der Betriebe haben sich in der jüngeren Vergangenheit von der Ausbildung junger Menschen verabschiedet. Ich vergleiche das immer mit der Landwirtschaft. Ein Landwirt, der im Frühjahr nicht investiert, also sät, der kann im Herbst nicht ernten. Auch hier hat die Politik die Verantwortung, darauf einzuwirken. Unsere Politik ist aktuell zu einseitig. Gestalten heißt, das Gesamte im Fokus zu haben und da bin ich wieder beim Ausgangspunkt: bei der Sozialpartnerschaft. Angeblich ist sie so überholt. Aber das ist das mühselige Bemühen, Interessensgegensätze, die es nun einmal gibt, auszutarieren. Am Ende dieses Bemühens steht der Kompromiss. Ich kann natürlich sagen, dass es jemanden braucht, der es einfach entscheidet. Aber diese Alternative zum Kompromiss ist das Diktat.
Die Sozialpartnerschaft hat in der jüngeren Vergangenheit wenige Erfolgsgeschichten geschrieben. Auch spielt die FPÖ dabei keine Rolle. Es liegt auf der Hand, dass sie nicht in Mode ist.
Ja, aber das ist nur eine Verbohrtheit und ein gefährliches Spiel mit der Demokratie. Kein schlagendes Argument. Das Austragen der Sozialpartnerschaft, nicht im Betrieb und nicht auf der Straße, hat dazu beigetragen, dass wir in Österreich mehr als sieben Jahrzehnte in sozialem Frieden leben, großen Wohlstand aufgebaut haben und ein äußerst attraktiver Standort sind. Aus einfachen Gründen: In Österreich gibt es exzellente Fachkräfte, es gibt Verlässlichkeit und keine sozialen Unruhen.
Die Digitalisierung ist das große Thema der Gegenwart und Zukunft. Ist sie eine Bedrohung für wohlhabende Gesellschaften?
Ich sehe sie nicht als Bedrohung. Die Politik muss auch hier gestalten. Wenn das Ziel klar ist und man alles dafür tut, dass die Menschen von der Digitalisierung profitieren, sehe ich kein Problem. Eine Gefahr ist sie dann, wenn einige wenige auf Kosten vieler das große Geld machen. Wir starten eine Digitalisierungsoffensive, mit der wir die Arbeitnehmer unterstützen, in Form von Förderungen. Von Basics bis hin zu speziellen Ausbildungen mit Förderungen bis zu 300 Euro pro Jahr und Projektfonds, durch die Arbeitnehmergruppen bis zu 200.000 Euro bekommen können.
Die Qualifizierung der Mitarbeiter ist eine Maßnahme, um der Digitalisierung Herr zu werden. Was schlagen Sie noch vor?
Wir werden über eine wertschöpfungsbezogene Abgabe reden müssen. Sogar Multimilliardär Bill Gates ist so weit, dass er in Frage stellt, warum ein Arbeitnehmer acht Stunden am Tag arbeitet und dafür bis zu 40 Prozent Abgaben zahlen muss, wogegen der Blechtrottel mit der siebenfachen Produktivität und Wertschöpfung wesentlich weniger zahlt. Vor allem, wenn man bedenkt, was durch die Optimierungsmöglichkeiten wirklich an Steuern abgeliefert wird. Ich verstehe unter Fairness, dass zur Finanzierung unseres Gemeinwohls jeder gemessen an seiner finanziellen Leistungsfähigkeit beiträgt. Am Davoser Wirtschaftsgipfel ist unlängst verlautbart worden, dass allein im Jahr 2018 die Vermögen aller Milliardäre pro Tag um 2,5 Milliarden Euro gestiegen sind. Und die Vermögen der unteren Hälfte der Weltbevölkerung sind täglich um 500 Millionen geschrumpft. Das ist ein Versagen der Politik, nicht nur in Österreich. Die Einkommen der Milliardäre steigen um zwölf Prozent, die der normalen Arbeitnehmer um zwei Prozent. Ist das fair?
Sollen Menschen in Zukunft weniger arbeiten?
Für mich ist das eine Frage des Hausverstands. Wenn ich einen bestimmten Bedarf an Sach- und Dienstleistungen für eine bestimmte Anzahl von Menschen habe und den Bedarf mit 40 Stunden abdecken kann, und dann steigt aber die Produktivität aufgrund des technologischen Fortschrittes, sodass ich nur mehr die Hälfte der Menschen brauche – was werde ich tun? Entweder ich schließe die eine Hälfte der Menschen aus der Beschäftigung und aus dem Einkommen aus oder ich muss die Arbeitszeit so adaptieren, dass wieder alle eine Beschäftigung haben.
Beim Thema Digitalisierung kommt auch immer wieder das bedingungslose Grundeinkommen auf. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin niemand, der jenen, die keine Beschäftigung haben, was zu neidisch ist, sind eh arme Teufel genug. Aber die Stimmung in der Bevölkerung muss mitbedacht werden. Es gibt dann jene, die das zum Thema machen, und es ist die Frage, welche Akzeptanz das in der Bevölkerung hat. Das droht, eine Gesellschaft zu spalten. Auch gilt – mit den wenigen Ausnahmen, die eine Gesellschaft auch verträgt –, dass Menschen in einem arbeitsfähigen Alter das Bedürfnis haben, als Arbeitskraft gebraucht zu werden.
Herr Pesserl, vielen Dank für das Gespräch!
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Fazitgespräch, Fazit 150 (März 2019), Fotos: Marija Kanizaj
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