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Außenansicht (2)

| 31. März 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 151

Gefahr für deutsche Gartenzwerge. Als hätte Deutschland nicht schon genug Sorgen. Von der Kritik der Amerikaner über ihre Exportpolitik, die mit niedrigen Löhnen und geringen Investitionen ihre technische Überlegenheit ausspielt und weltweit mit aggressiver Exportpolitik ein regionales Wirtschaftswachstum beibehält, das den europäischen Konkurrenten extrem schadet, bis zu heimatlichen Protesten, dass die Export-Überschüsse kaum für Infrastruktur und andere innerdeutsche Investitions-Projekte benutzt werden.

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Selbst Brüssel, das mit seinen Beamten immer sehr vorsichtig mit der deutschen Regierung umgeht und in vorauseilendem Kniefalls-Verhalten meist nur lobende Worte für Merkel & Co verbreitet, wagte leise Kritik, dass zwar die deutsche Exportwirtschaft bewundernswert sei, die deutsche Importstrategie – die wiederum direkt mit dem Investitionsverhalten zu tun habe – geändert werden sollte. Der Deutsche verkaufe zwar gerne, weigere sich jedoch, ausländische Produkte zu kaufen, fassten es die Kritiker in einem Satz zusammen und in den letzten Monaten erinnerte ein besonderer Fall, was passieren kann, wenn Deutsche aufhören, die heimatliche Industrie als Konsument zu unterstützen. Es geht um den Gartenzwerg, von denen etwa 25 Millionen in deutschen Gärten stehen.

Reinhard Griebel in Gräfenroda in Thüringen erklärte, er werde sein Unternehmen schließen müssen, da er in Deutschland keine Abnehmer mehr finden könne. Die Familie Griebel produziert seit 1874 Gartenzwerge. Auf der Leipziger Messe von 1884 stellte seine Terrakottafirma ein neues Produkt vor: den Gartenzwerg für jedermann. Hatten die kleinen Statuen im Barock noch ausschließlich die Gärten der Reichen verziert, so stellten August Heissner und Philipp Griebel die Figuren erstmals massenhaft her. Ihre Fabrik am Rande des Thüringer Waldes gilt seither als »Wiege der Gartenzwerge«. Hier werden die weißbärtigen Männchen mit den roten Zipfelmützen bereits in der vierten Generation hergestellt.

Im Unternehmen arbeiteten einst 60 Mitarbeiter, nun sind es noch ganze drei. Die Chinesen seien schuld, sagt Herr Griebel verbittert, die bereits Gartenzwerge um 10 Euro anbieten, während seine Kunstwerke bis zu 300 Euro kosten können. Dabei sei es keine Folge einer Modeerscheinung, wie Griebel es noch vor Jahren vermutete. Die Deutschen kaufen Zwerge wie eh und je und der Markt sei nicht zurückgegangen.Um den Markt in Deutschland zu retten, versuchten einige Konkurrenten von Griebel sogar erotische Variationen und boten halbnackte, männliche Zwerge in unzweideutigen Stellungen an, um daran zu erinnern, dass das Produkt »Gartenzwerg« eine rein männliche Welt darstelle. Doch auch das nütze nichts, die Kunden liefen zu den billigen Importen über.

Die sollen jetzt verboten werden, denn wenn es um die Gefährdung der deutschen Identität geht, kennt zumindest ein Teil der Bevölkerung keinen Spaß. Selbst ein kurzer Vers von Goethe wurde ausgegraben, um jetzt billige Importe zu stoppen, da ein deutsches Kulturgut in Gefahr sei: Versepos Hermann und Dorothea (1797): »So war mein Garten auch in der ganzen Gegend berühmt, und jeder Reisende stand und sah durch die roten Staketen nach den Bettlern von Stein, und nach den farbigen Zwergen.« (Dritter Gesang).

Doch die Pro-Gartenzwergaktivisten hatten jene übersehen, die sich ein ganz anderes Deutschland wünschen. Der Gartenzwerg sei ein sexistisches und kleinbürgerliches Symbol, das in einem modernen, gender-neutralen Land keinen Platz habe. Schon die männliche Dominanz in den Gärten sei für alle anderen »Geschlechter« eine Zumutung argumentierte das »andere Deutschland« und verlangte, die Figuren sollten aus deutschen Gärten verschwinden. Der Kampf um den deutschen Gartenzwerg hat erst begonnen und es ist damit zu rechnen, dass er wie so viele Auseinandersetzungen bei unserem westlichen Nachbar unerbittlich und schonungslos ausgefochten werden wird.

Außenansicht #2, Fazit 151 (April 2019)

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