Tandl macht Schluss (Fazit 151)
Johannes Tandl | 31. März 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 151, Schlusspunkt
Skepsis ist eine Tugend. Klimaskepsis auch! Sprache wertet und deutet. Und Begriffe und Formulierungen können durch ihre bewusste abwertende Verwendung eine Umdeutung erfahren. Denken wir an unzählige Wörter und Begriffe, die von den Nazis durch ihren propagandistischen Gebrauch auf Dauer zerstört wurden. Wer denkt etwa beim Spruch »Arbeit macht frei« nicht an die NS-Gräuel, sondern an Heinrich Betas Schrift »Geist und Geld« aus dem Jahr 1845, der die Formulierung mit folgendem Satz: »Nicht der Glaube macht selig, sondern die Arbeit macht selig, denn die Arbeit macht frei«, erfand?
Oder nehmen wir das Wort »Neger« und den harmlosen Kinderreim von den »zehn kleinen Negerlein«. Die meisten Über-50-Jährigen kennen ihn aus ihrer Schul- und Kindergartenzeit. »Neger« war die neutrale und damit völlig korrekte Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen. Von Rassisten wurde der Begriff zwar immer schon auch abwertend verwendet, aber das gilt auch für Wörter wie »Jude«, »Türke«, »Moslem« oder »Deutscher«. Im Englischen gab es hingegen ursprünglich die neutrale Bezeichnung »Negroe« und das rassistische, abwertende Wort »Nigger«. Im Zuge der Globalisierung ab den 1980er Jahren kam erstmals eine nennenswerte Anzahl dunkelhäutiger Menschen in das für den österreichischen Sprachgebrauch maßgebliche Deutschland.
Sie kamen als afrikanische Studenten, als Armutsflüchtlinge oder als US-Basketballprofis und fühlten sich durch den Begriff »Neger« an das diskriminierende »Nigger« erinnert. Bereits einige Jahre zuvor hatte außerdem der schwarze US-Bürgerrechtler Jesse Jackson in den USA erreicht, dass auch das nicht wertende »Negroes« eine rassistische Konnotation bekam und zuerst durch »Black Americans«, später durch »Colored People« und zuletzt durch »African Americans« ersetzt werden musste. Die politisch korrekten neuen Ausdrücke scheinen sich noch schneller abzunutzen als jene, die durch sie ersetzt werden mussten. Heute ist allen, die zumindest hin und wieder Kontakt zu dunkelhäutigen Menschen haben, völlig klar, dass die Bezeichnung »Neger« unsagbar geworden ist. Und spätestens wenn sich ein Begriff nicht mehr ohne abwertende Bedeutung oder neutral verwenden lässt, müssen sich die Sprachreglementierungen selbstverständlich ändern.
Für wachsendes Unbehagen sorgen allerdings Institutionen, die sich dazu berufen fühlen, bislang neutralen Begriffen eine abwertende Bedeutung zuzuschreiben, obwohl diese nie im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen ist. Sie tun das nur, um die Verwender dieser Begriffe zu stigmatisieren und die dahinterstehenden Meinungen in den Bereich des »politisch nicht Korrekten« zu verbannen. Und schneller als für möglich gehalten, passen politisch unbedarfte oder einseitig ideologisierte Journalistenkollegen ihre Schreib- und Sprechweise an. Aber eine entwickelte Demokratie braucht keine Sprachpolizei, die die Meinungsfreiheit einschränkt, indem sie Begriffe zu »Unwörtern« oder »Wörtern des Jahres« macht.
Für universitär gebildete Menschen ist Skepsis eine Tugend und keine Untugend. Jeder, der als Europa-Skeptiker verunglimpft wird, sollte daher stolz auf diese Zuschreibung sein. Schließlich lässt es ihn nicht kalt, wenn das »gemeinsame Europa« von Leuten, die nicht in der Lage sind, ein Stück zurückzusteigen, um wieder auf den richtigen Weg zu finden, gegen die Wand gefahren wird. Ähnliches gilt für die Klimaskeptiker, die sich etwa mit bitterem Widerstand konfrontiert sehen, wenn sie die Wirkungen der Klimapolitik hinterfragen. Ist es etwa tatsächlich sinnvoll, dass energieintensive Produktionen in Länder mit niedrigeren Umweltstandards außerhalb des EU-Kohlendioxidzertifikateregimes verbannt werden?
Sprache ist eine Waffe. Und eine politisch korrekte Sprechweise, die nicht diskriminiert und wertet, birgt tatsächlich viele Fallstricke. Sprache kann Menschen verletzen und verhetzen. Daher brauchen wir einen verantwortungsvollen Sprachgebrauch. Der darf aber nicht davor zurückschrecken, intolerante Spracheinschränkungen als das zu kennzeichnen, was sie sind – der totalitäre und damit demokratiegefährdende Versuch, die Meinungsfreiheit zu beschneiden.
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