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Tandl macht Schluss (Fazit 152)

| 26. April 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 152, Schlusspunkt

Die Klimapolitik der Union ist leider nur gut gemeint. Der Klimaschutz entwickelt sich immer mehr zum Spielfeld einer breiten fundamentalistisch agierenden Ökobewegung, die für die einseitige europäische Dekarbonisierung eintritt. Die europäische Politik hat bereits vor den wirkungslosen Forderungen der Klimanationalisten resigniert. Brüssel hat nämlich die völlig unverbindlichen Pariser Klimaziele im Alleingang in den politischen Rahmen des Kohlendioxid-Zertifikatehandels gepresst und somit die Abwanderung der energieintensiven Industrie aus Europa beschleunigt.

Das Problem am Zertifikatehandel ist seine Beschränkung auf den EU-Binnenmarkt und dessen Anhängsel. Weder die USA noch Japan und erst recht nicht China, Indien und Brasilien machen bei dieser internationalen Schwächung ihrer Unternehmen mit.

Wenn ordnungspolitisch statt des Zertifikatehandels etwa ein innereuropäischer CO2-Aufschlag in Form einer CO2-Mehrwertsteuer zur Anwendung gekommen wäre, hätte das die Marktreife neuer umweltfreundlicher Technologien gestärkt. Natürlich darf dieser Aufschlag niemals Auswirkungen auf Geschäfte mit Ländern, die sich dem Klimaschutz verweigern, haben. Dazu hätte es bloß der CO2-Steuerfreistellung von Exporten in Drittländer bzw. einer Einfuhr-CO2-Umsatzsteuer bedurft. Das hätte alle klimaschädlichen Importe in den Binnenmarkt – allen voran die fossilen Energieträger – verteuert und die Einführung alternativer Technologien erleichtert. Doch diese Möglichkeit wurde vertan. Die europäischen Anbieter sind daher sowohl bei der Photovoltaik als auch bei der Windkraft und der E-Mobilität längst hoffnungslos hinter China, Korea, Japan und den USA zurückgefallen.

Um das Klima weltweit zu schützen, müssten die nationalen sozialen Marktwirtschaften europäischer Prägung – sie bilden bekanntlich die ökonomische Basis für den Wohlfahrtsstaat – zu ökosozialen Marktwirtschaften, bei denen der Kohlendioxidverbrauch sinnvoll eingepreist wird, umgebaut werden. Stattdessen haben die Brüsseler Technokraten das getan, was sie immer tun. Sie haben ein enges Korsett vermeintlich umweltfreundlicher EU-Richtlinien erlassen, die zu einheitlichen Produkt- und in weiterer Folge zur Vereinheitlichung der Produktionsstandards geführt haben. Die etwas Älteren erinnern sich noch daran im Rückblick auf die planwirtschaftlichen Systeme des real existierenden Sozialismus.

Über Jahrzehnte global erfolgreiche EU-Unternehmen sind zuletzt in Bezug auf ihre technologische und unternehmerische Kreativität hinter ihre internationalen Mitbewerber zurückgefallen. Dadurch werden Exportnationen wie das kleine Österreich und erst recht die Wirtschaftssupermacht Deutschland auf lange Sicht massiv geschädigt. Und inzwischen kontrolliert, plant und diktiert Brüssel nicht nur Traktorsitze, Glühbirnen oder Staubsauger, sondern auch unsere Mobilität.

In der auch für den steirischen Wohlstand maßgeblichen Autoindustrie ist diese Klimaplanwirtschaft gerade dabei, Hunderttausende Arbeitsplätze zu vernichten. Die Brüsseler Ökostandards werden dazu führen, dass das Auto für die Mittelschicht wieder unerschwinglich wird. Der motorisierte Individualverkehr wird durch die vorschnelle Abkehr vom Verbrennungsmotor wieder zum Luxusgut.

Die Art der europäischen Dekarbonisierung erinnert an jene der Euroeinführung. Die Gemeinschaftswährung ist immer noch die Voraussetzung dafür, dass die EU ihre Rolle als »Global Player« halten kann. Die Blauäugigkeit der vom Vergemeinschaftungsgeist beseelten EU-Politiker hat jedoch dazu geführt, dass der Euro nur zehn Jahre nach seiner Einführung beinahe den Zusammenbruch der Union eingeläutet hätte. Wie auch beim Klimaschutz wurden nämlich zuerst politische Fakten geschaffen. Die für den Erfolg maßgeblichen Details wurden wegen ihrer großen Komplexität und schwierigen Verhandelbarkeit jedoch weggelassen.

Ein vernünftiger europäischer Klimaschutzrahmen hätte nicht nur die europäische Wirtschaft gestärkt, er hätte tatsächlich in allen Ländern, die mit Europa Geschäfte machen, ein Zeitalter der Dekarbonisierung in die Wege geleitet.

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Tandl macht Schluss! Fazit 152 (Mai 2019)

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