Vertrauen und Bildung
Volker Schögler | 9. Juli 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 154, Fazitbegegnung
Man kennt den Helmut Reinisch – und doch wieder nicht. Wie das? Seine Galerie mitten am Grazer Hauptplatz in bester Lage, natürlich. Dann dieses eckige Raubkatzentier als Logo, ist das nicht ein Teppichmotiv? Die Hemmschwelle ist hoch, so etwas Banales zu fragen oder überhaupt in die Galerie hineinzugehen. So kennen ihn also die Mutigen, die Nichtmutigen nicht.
::: Hier im Printlayout online lesen
Dabei ist es ein Vergnügen, mit dem Sammler und Händler von antiken Nomadenteppichen und zeitgenössischer Kunst zu sprechen. Vor allem seine griffigen Statements haben Kultcharakter. »Verschiedene Meinungen sind nur verschiedene Wissensstände« (zur Qualität von Kunst). »Es gibt kein messbares Kriterium« (zur Frage, wann ein Teppich oder Kunst wertvoll sind). Was dann? »Der Laie hat zwei Möglichkeiten: Entweder geht er zu jemandem, dem er vertrauen kann oder er bildet sich selbst weiter.« Letzteres dauere in der Regel zwei Jahre. »Der Verkauf eines Seidenteppichs ist unter meiner Würde« lautet der erste Teil seiner Antwort auf die Frage, ob es nicht genüge, wenn einem bloß etwas gut gefalle. Zweiter Teil: »Wenn Sie wollen, erkläre ich es Ihnen, wenn nicht, nicht.« Eine Reinisch-Antwort klingt schroffer als es gemeint ist – mir hat er es so gut erklärt, dass ich es a) kapiert habe und b) überzeugt wurde. Außerdem schickt er so einen Kunden »gern zu einem seriösen Kollegen, wo er bekommt, was er will.« Zum Leiner. »Und dagegen ist auch nichts einzuwenden.« Und was ist mit den Perserteppichen, mit Täbris, Keschan und Co, die uns unsere Eltern vererben? »Nach 1722 hat es gar keine mehr gegeben, erst 150 Jahre später, 1880, wurden Perserteppiche auf den Weltaustellungen in Wien und Paris präsentiert und bestellt und daher wieder produziert. Das sind üppige Kitschbodenbeläge, mit denen der europäische Markt versorgt wurde und die heute preislich völlig verfallen sind.«
Als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Teppiche weiß Helmut Reinisch Bescheid und freut sich darüber, seinen Kunden auch nach Jahren noch in die Augen schauen zu können: »Diese Ware haben wir nie geführt.« Sondern die der Erfinder und Träger der Teppichkultur, nämlich jene der Nomaden, die den Teppich zum Leben im Zelt gebraucht haben. Denn ein Teppich müsse – wie auch Kunst – authentisch sein und Qualität haben, hinter der Talent und Begabung stecken. »Das trifft auch auf einen Van Gogh zu und selbst bei ihm gibt es nur 30 oder 40 Bilder, die absolute Highlights sind. So wie die Schwertlilien aus dem Museum in Pasadena, ohne die ich keine wirklich gute Van Gogh-Ausstellung machen kann. Daher will sie jeder ausleihen.« Auch bei seinen Künstlern trifft das zu. »Ich will nicht einfach einen Herbert Brandl, ich will ganz einen guten Brandl. Ich habe einen großen Brandl, der ist so gut, so wichtig, ein Schlüsselwerk, das jetzt schon zum vierten Mal in einem Museum ausgestellt ist.« Daran erkenne man auch wertvolle Kunst. »Wenn ein Tennisspieler Wimbledon und Paris gewonnen hat, weiß ich, dass er gut sein muss. Solange ein Messi Tore schießt, weiß ich dass er gut ist. Das Gleiche gilt in der Kunst: Wenn der Künstler in Museen ausgestellt wird, dann muss er gut sein.« Ein weiterer Merksatz: In der Kunst geht es nicht um das Was, sondern um das Wie. Daher gehe es auch niemals um Seide als Material für Teppiche oder um feine Pinselführung und tausend einzeln gemalte Baumblätter in der Malerei.
Der bekennende Francis Bacon-Verehrer hat noch andere Interessen. Mit seinem großen Lehrmeister Horst Gerhard Haberl, dem Erfinder der legendären Humanic-Werbung, ist er immer wieder in der Werbeberatung tätig und trotz Abbruchs seines Architekturstudiums (»Ich habe eigentlich nichts gelernt«) hat er bei der Restaurierung seines Schlosses Kalsdorf (um 1 Schilling vom Land Steiermark erworben) ein so gutes Händchen bewiesen, dass er als Folgeauftrag alle Rekreationszentren der Merkur-Versicherung gebaut hat. Und ein paar Villen. Und ein Gesundheitshotel. Und er betreut Sammler. Wie sagt Helmut Reinisch noch: »Kultur ist, wenn man sie macht.«
*
Helmut Reinisch, 1953 als Sohn eines »Steuerfahnders« in Graz geboren, feierte kürzlich das 40jährige Jubiläum seines Teppich- und mittlerweile auch Kunsthandels. Der Vater von drei Kindern und zweifache Großvater ist schon als 16jähriger erstmals nach Bagdad gereist, zum Teppich-Experten geworden und als solcher Fachgruppenobmann in der Wirtschaftskammer.
Fazitbegegnung, Fazit 154 (Juli 2019) – Foto: Heimo Binder
Kommentare
Antworten