Die Kunst und der Wirbel
Martin G. Wanko | 19. August 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Da Wanko, Fazit 155
Letztens traf ich einen guten Bekannten aus Salzburg in Graz wieder. Alexander sein Name, er lebt seit kurzem hier. Wir redeten über dies und jenes, was wo in der Kunst passiert und gingen kurzerhand ins Künstlerhaus, um am letzten Tag noch die Ausstellung vom Böhmermann zu sehen. Ich war ziemlich positiv überrascht, weil sie noch immer sehr gut besucht war, gerade von jungen Menschen ganz ohne Schule und Lehrer, also freiwillig.
::: Text von Martin G. Wanko [Hier im Printlayout lesen.]
Letztens traf ich einen guten Bekannten aus Salzburg in Graz wieder. Alexander sein Name, er lebt seit kurzem hier. Wir redeten über dies und jenes, was wo in der Kunst passiert und gingen kurzerhand ins Künstlerhaus, um am letzten Tag noch die Ausstellung vom Böhmermann zu sehen. Ich war ziemlich positiv überrascht, weil sie noch immer sehr gut besucht war, gerade von jungen Menschen ganz ohne Schule und Lehrer, also freiwillig. Die Ausstellung war jetzt nicht der Wahnsinn auf Erden, aber sie hat schon gepasst, vor allem war sie zielsicher. Irgendwie kamen dann Alexander und ich auf das Forum Stadtpark zu sprechen. Das war ziemlich lustig, denn zuerst musste ich dem Salzburger erklären, was »das Forum« darstellt.
Er dachte nämlich, das Forum Stadtpark beim »Rostigen Nagel« sei eine Notunterkunft für Penner und gestrandete Jugendliche, die nicht wissen, wohin. Dort im Umfeld würde ja alles so ausschauen. Am Anfang vermutete ich, er wolle mich verarschen, aber dem war nicht so. Er glaubte mir einige Zeit nicht, dass das Forum Stadtpark vor einem halben Jahrhundert die allererste Kunstadresse für junge Künstler war, das galt eine Zeit lang sogar für Österreich. Bei uns ist es fast noch immer so, denn aufmerksame Grazer Schüler kennen das Forum schon alleine aus dem Unterricht und ich räume ein, dass die Situation heute natürlich schwieriger ist, weil es in Graz nun schon einige weitere »Foren« gibt, die zumindest auf ein ähnliches Publikum abziehen. Das Umfeld des Forums ist vielleicht auch nicht »nur« optimal, nicht jeder geht mehr gerne durch den Stadtpark.
Ich erzählte Alexander noch einiges aus der wilden Zeit in den Neunzehnsiebzigerjahren, in der der Autor Helmut Eisendle beispielsweise einmal nach seiner Lesung seinen Hut im Forum vergaß, in der tiefen Nacht jedoch nochmals zum Forum zurückkehrte, leicht angegluckert einen Pflasterstein nahm und ihn gegen die Glastüre schmiss, damit er zu seinem Hut kommt. Tatsächlich zerbarst die Türe in tausend Teile. Jetzt ging es nur noch darum, einzusteigen und den Hut zu holen. Den Vorgang beobachtete jedoch ein rüstiges Pensionistenpaar mit Dackel. Sie riefen wagemutig die Bullerei aus der Telefonzelle neben dem Forum, um den gerade geschehenden Einbruch im Forum zu melden. Die Bullerei vom Paulustor war keine Zigarettenlänge vor Ort und schon kam der gute Eisendle in arge Bedrängnis. Natürlich war er kein Einbrecher, dafür wurde eigens Fredy Kolleritsch aus dem Bett geholt, den damaligen Forum-Chef. Eingesperrt wurde niemand, aber über das Forum viel geredet. Unvergesslich auch HC Artmanns Auftritt mit brennenden Fackeln, lebensgefährlich! So kennt jeder eine andere Lieblingsstory über das Forum, die sich genau so oder zumindest so ähnlich passiert sein musste. Und heute meint Alexander, das Forum schaut aus wie eine Notunterkunft für Penner. Bei all meinen Einwänden fragt er mich, warum denn dann der Böhmermann nicht im Forum ausstelle, sondern 100 Meter weiter im Künstlerhaus, wenn das Forum so revolutionär sei. »Damit du etwas zum Goschern hast!«, habe ich ihm geantwortet und die Diskussion war erledigt, weil ich das Thema wechselte und seinen Verein Red Bull Salzburg beleidigte, er denunzierte dafür meinen GAK.
Eh klar, Kunst steht nur für die Kunst, aber nachdenklich stimmte mich die Situation trotzdem. Wann nahm ich das Forum Stadtpark das letzte Mal aufgrund einer Ausstellung oder Lesung so richtig wahr? Das war die Feier zum 80. Geburtstag vom immer jungen Jazzer Dieter Glawischnig, aber das ist auch schon ein Jahr her. Natürlich den 60er vom Forum und Heidrun Primas, die Leiterin und gute Seele des Hauses, und der leider »noch« nicht ins »Kulturjahr 2020« genommene Programmpunkt der »autofreien Zone«. Über das Forum Stadtpark sollten die Zeitungen grundsätzlich mehr schreiben, egal ob es nun genügend »ähnliche« Veranstalter gibt oder nicht, das Forum ist die Mutter der Grazer Kulturszene. Dazu wären aber ein paar »Programmbomben« erforderlich, die den Weg in den Stadtpark wieder selbstverständlich machen, dann wird mein Kumpel aus Salzburg nicht mehr von der Notschlafstelle im Stadtpark sprechen, obwohl es eine solche an einem anderen Ort auch gibt. Ihr sehr geschichtsträchtiger G Punkt.
Martin G. Wanko (49) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at
Da Wanko, Fazit 155 (August 2019), Foto: Martin G. Wanko
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