Tandl macht Schluss (Fazit 155)
Johannes Tandl | 19. August 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 155, Schlusspunkt
Die ÖVP liegt richtig mit ihrer Wasserstoffstrategie. Mit ihrem Konzept, Österreich bis 2030 zur Wasserstoffnation Nummer 1 zu machen, hat die ÖVP für einen ordentlichen Wirbel gesorgt. So sieht etwa die Liste Jetzt ihre antikapitalistische Agenda gefährdet, weil das ÖVP-Programm Konzerne wie die OMV und den Verbund subventionieren würde. Auch die einschlägigen NGOs von VCÖ bis zu Greenpeace zeigen sich abwartend bis ablehnend. Und die Neos, bezeichneten die Idee von Ex-Kanzler Sebastian Kurz sogar als klimapolitischen Irrsinn.
Dabei tut die ÖVP eigentlich nur, was jede verantwortungsvolle Partei tun sollte. Sie versucht, die Interessen der Wirtschaft mit jenen der Umwelt unter einen Hut zu bringen, und will mit einem 500-Millionen-Euro-Programm sicherstellen, dass auch unser Wirtschaftsstandort von der Dekarbonisierung des Verkehrs, der Industrie und der Energiewirtschaft profitiert. So heißt es im türkisen Positionspapier etwa, »wenn wir unserer Automobilzulieferindustrie aus der Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor lösen wollen, müssen wir die Unternehmen bereits heute dabei unterstützen, Kompetenz und Wettbewerbsvorteile bei alternativen Antriebstechniken aufzubauen«. Das passt natürlich jenen Parteien nicht, die ihre Erfolge als Oppositionspartei damit begründen, die Gesellschaft populistisch auseinanderzudividieren. Bei der Stärkung der Wasserstofftechnologie geht es nicht darum, die batteriebasierte Elektromobilität zu schwächen. Doch inzwischen kommt kein einziges ernsthaftes Szenario, das uns bei anhaltender Wirtschaftsleistung den Klimazielen näherbringt, ohne Wasserstoff aus.
Allein um den geplanten Ausbau von regenerativem Wind- und Sonnenstrom in den Nachtstunden und windstillen Phasen im Stromnetz abzusichern, müssten die Pumpspeicherkapazitäten in den Alpen verdoppelt werden. Aus ökologischer Sicht ist das ein Irrsinn!
Trotz der Wirkungsgradverluste im Vergleich zur Pumpspeicherung eignet sich klimaneutral hergestellter Wasserstoff hervorragend zur Verstromung – entweder in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) oder durch Stromwandler in stationären Brennstoffzellen. Aus heutiger Sicht würden sich KWK besser anbieten, denn die Industrie benötigt dringend klimaneutral gewonnene Prozesswärme. Und auch die meisten kommunalen Energieversorger würden ihre fossil erzeugte Fernwärme lieber heute als morgen durch treibhausgasfrei erzeugte Hitze ersetzen.
Noch träumt die Voestalpine nur davon, ihre fossil betriebenen Hochöfen mit regenerativem Wasserstoff zu betreiben. Die ÖVP fordert die Entwicklung einer nationalen Strategie, bei der Forschung und Wirtschaft klare Schwerpunkte für den Einsatz von Wasserstoff definieren.
Denn es sind noch wesentliche technische Innovationen erforderlich, um die industrielle und großflächige Nutzung von Wasserstoff in Industrie, Mobilität und Energiewirtschaft zu ermöglichen. Die Innovationsgeschwindigkeit im Bereich der Wasserstoffanwendungen hat jedoch jene in der Batterieentwicklung bereits überholt. So hat eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts nachgewiesen, dass wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Elektroautos mit mehr als 250 km Reichweite schon heute energieeffizienter sind als batteriebetriebene E-Fahrzeuge mit ähnlicher Reichweite. Nur bei Kleinfahrzeugen mit geringen Stromladekapazitäten schneidet das Batterieauto (noch) besser ab als das Wasserstoffauto.
Die deutschen Grünen haben erst vor wenigen Tagen in einem neuen Positionspapier ihre ablehnende Haltung zum Wasserstoffeinsatz revidiert. Auf fünf Seiten skizzieren die Autoren rund um Energiesprecherin Ingrid Nestle, welchen wichtigen Beitrag Wasserstoff zum Gelingen der Energiewende leisten werde. Wie bei uns fordert auch in Deutschland die Industrie die Verfügbarkeit von Wasserstoff, der elektrolytisch aus regenerativem Strom hergestellt wird. Die Grünen wollen dazu sogar jenen Teil des Ökostroms, der für die Wasserstofferzeugung benötigt wird, von den Netzentgelten befreien.
Vielleicht sollte die Politik ja auch bei uns einen Schulterschluss zur Forcierung der Wasserstofftechnologie wagen.
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Tandl macht Schluss! Fazit 155 (August 2019)
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