Chinesische Industrietomaten
Martin G. Wanko | 11. Oktober 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Da Wanko, Fazit 156
Ich finde es klasse, dass es ein steirisches Ketchup gibt. Nach steirischem Gin und Whiskey gibt es nun auch steirisches Ketchup. Es gibt ja auch exportierten Grünen Veltliner, der in den Vereinigten Staaten gedeiht. Die PR rund um das neue steirische Ketchup tunkte jedoch die Kollegen ein bisserl ein. In der Werbung war zu hören, dass die meisten Supermarktketchups aus chinesischen Industrietomaten hergestellt werden. Mein erster Gedanke: »Chinesische Industrietomaten« klingt spannend, also spannender als »oststeirische Glashaustomaten«.
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Trotzdem, die Kollegen aus China sollen mit unseren Tomaten eigentlich nix mehr zu tun haben, außer der Farbe und dem Geschmack wahrscheinlich. Also, die meisten Ketchups sind anscheinend böse, sie beinhalten Geschmacksverstärker, Haltbarmacher, Farbstoffe und vieles mehr. Das ist ärgerlich, weil man so nach bald 50 Lebensjahren zufällig erfährt, dass das ein Dreck war, was man da so reingefuttert hat. Muss ich jetzt Angst haben, dass ich tot umfalle? Nein, weil meine Oma hat alles gegessen und getrunken, was ihr zwischen die Finger kam und ist satte 92 Jahre alt geworden.
Natürlich, in zwei Weltkriegen gab es nicht viel, zäh hast auch sein müssen, aber dennoch ab den Neunzehnfünfzigerjahren war die voll auf Ketchup drauf und passiert ist ihr nix, nein, steinalt ist sie geworden. Also ist es sinnlos, sich wegen chinesischer Industrietomaten verunsichern zu lassen. Apropos Verunsicherung: Letztens musste ich für meine Bankangelegenheiten auf meinem Smartphone eine App installieren, weil nur so mein Push-Tan wirklich sicher bei mir ankommt. Den Push-Tan durch das SMS zu bekommen, sei zu unsicher. Ganz dasselbe Geldinstitut promotete aber vor einigen Jahren, dass das Internetbanking so sicher sei wie sonst nur was. Also gegen früher mit den Erlagscheinen und so. Kann man nicht sagen, dass die neuen Systeme Zeit und Mühen ersparen, etwas sicherer sind als die alten, aber in der Effizienz einfach greifen und Geld sparen.
Weil wir gerade beim E-Banking sind: Jetzt wird mir online angeboten, mein Bausparen – au ja, ich habe noch so etwas Altmodisches – neu abzuschließen, weil das alte eben ausläuft. Ich weiß, dass früher die Bankangestellten eine Provision bekommen haben, und die war mehr wert als die 40 Euro, die sie mir geben wollen. Sind die Banken jetzt böse? Nein sind sie nicht. Sie sind konsequent und das ist halt meistens nicht witzig. Ich finde ja, eine gewisse Unvernunft muss man sich behalten.
Während Sie diese Zeilen lesen, laufe ich, mit meinem Tschepperherz, womöglich gerade beim Graz Marathon bei Ihnen vorbei. Mein Herz trägt vier Stents in sich, Sie wissen ja, ich bin der Herzinfarkthawie unter 50. Der Marathon ist eine ziemlich undramatische Veranstaltung, man läuft eine Runde und ist am Ziel. Jetzt werde ich nicht mehr meinen Rundenrekord toppen, aber einfach mitlaufen geht ja auch, dabei sein im positiven Sinne. Wie Slow Food, Slow Run. Da ist der Puls niedriger, als wenn ich mir ein spannendes Fußballspiel anschaue. Also werde ich mitlaufen und danach auch ein Bier trinken. Wird auch gesagt, dass man das nicht mehr soll, mit dem Tschepperherz, Bier ist böse, und überhaupt. Für einen Herz-Kreislauf-Geschädigten gelten ja prinzipiell keine anderen Regeln als für die restliche Menschheit. Die erste Regel lautet: »Tu das nicht!« Die zweite: »Tu das auch nicht!« Und die dritte: »Tu das schon gar nicht!« Der Weisheit letzter Schluss kann nicht »Tue nichts und werde 120« lauten.
Ich gehe laufen, am besten an den schattigen Murufern, wo die Bäume noch stehen, dann in mein bevorzugtes Fitnessstudio im Steirerhof am Jacky, weil ich dort immer gut beraten werde. Am Wochenende schaue ich dann noch einen Sprung in die Cohibar. Wenn dann nix mehr zu zum Futtern Hause ist, kommt auch das Ketchupbrot, oder das Senfbrot, mit Zwiebeln, Kapern, Tabasco und getrockneten Chilis, sodass es schön in der Pappe brennt und man weiß, man ist am Leben. Feurige Grüße, Ihr sehr regelvoller G Punkt.
Martin G. Wanko (49) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at
Da Wanko, Fazit 156 (Oktober 2019), Foto: Martin G. Wanko
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