Außenansicht (9)
Peter Sichrovsky | 6. Dezember 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 158
Disziplin schafft Erfolg. Die »Michaela School« im Norden von London ist keine gewöhnliche Schule. Inmitten eines multikulturellen Stadtviertels mit Schülerinnen, die Kopftücher tragen, Schülern aus Hindu-Familien, oder mit der traditionellen Kopfbedeckung der Sikhs, hat es die Schule, die Jahrzehnte lang mit den Prüfungsergebnissen weit unter dem britischen Durchschnitt lag, geschafft, heute eine der besten Schulen von England zu sein.
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Nach dem britischen System erreichten beim letzten Abschlusstest achtzehn Prozent der Schülerinnen und Schüler der »Michaela School« einen Wert von neun Punkten, während landesweit diese Leistung nur 4,5 Prozent der Schüler schafften. Auch in dem immer noch sehr guten Bereich von sieben bis neun Punkten erreichten 54 Prozent der Schülerinnen und Schüler dieses Ergebnis, ebenfalls ein Vielfaches des britischen Durchschnitts.
Delegationen aus anderen Teilen Großbritanniens besuchten die Schule und Vertreter von ausländischen Schulbehörden meldeten sich an, um die Grundlage dieses Erfolgs zu studieren. Wenn ihnen die Direktorin, Katharine Birbalsingh, in Neuseeland, geboren, die Mutter aus Jamaika und der Vater aus Indien, die Regeln der Schule erklärte, waren die meisten Besucher erstaunt, dass ein derart striktes System sich überhaupt durchsetzen lässt.
Die Idee der Schulleiterin ist einfach: Regeln und Disziplin sind die Grundlagen des Lernens. Jede Minute Zu-Spät-Kommens hat Konsequenzen, ebenso nicht-gemachte Hausaufgaben oder Lärm im Schulhof. In den Pausen, wenn von einer Klasse zur anderen gewechselt wird, herrscht Sprechverbot und die Kinder gehen hintereinander an den Wänden entlang durch die Gänge, um so schnell wie möglich die anderen Klassenzimmer zu erreichen.
Katharine Birbalsingh erklärte einer Besuchergruppe, warum ihre Schulphilosophie so erfolgreich sei:
Der erste und wichtigste Grund sei die Zufriedenheit der Kinder. Die Schule könne bei allen Vergleichen mit anderen Schulen die höchste Zufriedenheit der Kinder nachweisen. Die strenge Disziplin gäbe ihnen Sicherheit und die Möglichkeit, sich auf das Lernen zu konzentrieren. Niemand würde hier Angst haben, auf die Toilette zu gehen oder in Pausen gehänselt, schikaniert, gestoßen oder misshandelt zu werden. Ein Mädchen erklärt den Besuchern, sie habe hier in der Schule die Möglichkeit, zu lernen. Zu Hause ginge das nicht, sie habe kein eigenes Zimmer, der Fernseher liefe den ganzen Tag, und es gebe ständig Streit mit den Geschwistern.
Der zweite Unterschied sei die Unterrichtsmethode. Die Direktorin gehe davon aus, dass Lehrer mehr wissen als Schüler und es deren Job und Verantwortung sei, dieses Wissen weiterzugeben. »Unsere Lehrer stehen vor den Schülern und diese haben zuzuhören und aufzupassen. Unsere Lehrer sind Autoritäten, nicht weil sie mächtiger sind als die Schüler, sondern weil sie mehr wissen und mehr können«, erklärt sie.
Das dritte Prinzip, das sie nennt, widerspricht fast den anderen beiden. Katharine Birbalsingh erklärt, dass es neben dem Erlernen von Wissen einen ebenso wichtigen Lernprozess im Bereich Nächstenliebe, Freundschaft und Respekt gäbe. »Wir wollen eine positive Atmosphäre in der Schule, unter den Schülern und auch den Lehrern gegenüber. Niemand wird hier vergessen oder vernachlässigt. Unsere Lehrer kämpfen um jeden Schüler, dass er den Unterricht und einen guten Abschluss schafft und erfolgreich seine Ausbildung auf einer Universität fortsetzen kann. Dazu brauchen wir den engen Kontakt zwischen Lehrern, Schülern und auch Eltern«, erläutert sie den Besuchern.
Der Erfolg der »Michaela School« ist nicht ganz neu, auch wenn die Ergebnisse der Prüfungen jedes Jahr in Großbritannien erstaunte Reaktionen auslösen. Neu jedoch ist die politische Orientierung der Schulleiterin, die sich jetzt öffentlich als Konservative ausgibt. Sie würde keine Unterstützung von Seiten der Labour Party bekommen, meinte sie in einem Interview, im Gegenteil, Sozialdemokraten würden immer noch von einer absurden »Freiheit des Lernens« schwärmen, ohne dass es für solche Fantasien irgendwelche Belege in der Praxis gäbe.
Vielleicht sind die Prinzipien der »Michaela School« auch eine Warnung an grün-türkise Ideen, Druck und Disziplin in Schulen als altmodische Unterrichtsmethoden aufzugeben. Im Parteiprogramm der Grünen heißt es: »Schule und Unterricht müssen die Bedürfnisse und Interessen der einzelnen Schüler zum Ausgangspunkt nehmen. Schule darf kein hierarchisches System sein, in dem vorgegeben wird, was die Lernenden zu interessieren hat.« Eine antiquierter Theorie aus der Studentenbewegung, die von modernen Schulen wie der »Michaela School« längst widerlegt wurde.
Außenansicht #9, Fazit 158 (Dezember 2019)
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