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Sozialdemokraten und Freiheitliche am politischen Scheideweg

| 20. Januar 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 159

Auf »Puls 24«, dem neuen österreichischen Informationssender hat ausgerechnet ein Klaus Knittelfelder von der Gründung der »Allianz für Österreich«, der neuesten Abspaltung der FPÖ, zur Stunde noch beschränkt auf den Wiener Gemeinderat, berichtet. Was einem Menetekel für die Freiheitlichen gleichkommt, waren doch die Folgen der Knittelfelder Vollversammlung dieser Partei im Jahr 2002 nicht nur positive: Das Kurzzeitphänomen BZÖ, das mit seinem Gründer Jörg Haider untergegangen ist und einige Jahre des Wiederaufbaus der zerstrittenen Truppe durch Heinz-Christian Strache. Dieser konnte dann die FPÖ 2017 zwar wieder in Regierungsverantwortung bringen, welche aber bekanntermaßen mit der Implosion durch das Ibiza-Video kläglich gescheitert ist.

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Was dann – einer radioaktiven Wolke gleich, die nun schon seit Monaten die österreichische Innenpolitik durchzieht – an Unglaublichkeiten in Verbindung mit der Person Strache und mit seiner – wohlwollend betrachtet – »interessanten« Vorstellung, was eine Partei ihrem Obmann alles zu bezahlen hat, ans Tageslicht gekommen ist, lässt im Grunde nur einen Schluss zu: Diese Partei hat ein ausnehmendes Skandalproblem, hat viel zu oft die falschen Leute in Spitzenpositionen sitzen und hat jedenfalls nicht die notwendigen Kontrollmechanismen, dass solche Ungeheuerlichkeiten nicht passieren können.

Ob Strache nun als Wiedergänger in den Wiener Gemeinderat einziehen wird, ob er bei der Wahl dort im nächsten Jahr als Spitzenkandidat (s)einer eigenen Allianz oder wie auch immer antreten wird, ist im Grunde in jeder Hinsicht egal. Diesen ganzen fragwürdigen Ballast kann er in einem politischen Leben nicht mehr abarbeiten, und wenn ich auch in der Regel immer dafür bin, dass alle gewählten Parteien prinzipiell zusammenarbeiten können müssen: mit ihm ist kein Staat mehr zu machen!

Die FPÖ, und die wird es wahrscheinlich noch länger geben, hat nun – vielleicht zum letzten Mal auf Sicht – die Chance, endlich mit all diesen kriminalnahen Absonderlichkeiten aufzuräumen, mit einem klaren Schnitt sich von Strache zu trennen und damit zu beginnen, ihre über die Jahrzehnte immer wieder gepredigte Vertreterschaft für den kleinen Mann wahrzunehmen. Oder sie wird halt untergehen. Vielleicht braucht es diese Partei, die aus ihrer Tradition und Geschichte heraus über ein Stammwählerpotential von sechs bis acht Prozent verfügt, schlicht und einfach gar nicht.

Durchaus schlimmer, aber jedenfalls komplexer stellt sich die Situation der SPÖ dar. Deren unglückliche Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner muss ja dem HC und den abtrünnigen Teilen der Wiener FP fast dankbar sein, sie etwas aus dem medialen Schussfeld genommen zu haben. Noch vor zwei Wochen nämlich haben sich die Ereignisse in der SPÖ überstürzt, gute 48 Stunden war nicht klar, ob Rendi-Wagner nicht schon wieder Geschichte ist. Das Problem, die Krise der Sozialdemokratie in Österreich – heute denken wir gar nicht an die SPD, deren neue Vorsitzende gerade mit Vorwürfen des skrupellosen Umgangs mit einer Mitarbeiterin, die sie kündigen wollte, konfrontiert wird – ist eine viel größere als die der FPÖ. Die Partei ist nicht skandalgeschüttelt, sie ist personell ungeheuer schlecht aufgestellt und inhaltlich wie konzeptionell geradezu am Ende. Im Oktober vorigen Jahres habe ich mich hier nicht davon überzeugt gezeigt, ob – die sympathische und sicher in vielen Feldern kompetente – Rendi-Wagner die richtige Frau zur richtigen Zeit wäre. Sie nun aber kurzfristig auszutauschen, kann für die SPÖ nur fatal enden. Ein Kurz-ähnliches politisches Talent gibt es bei den Roten derzeit nicht. Die Partei muss sich also in der Opposition konsolidieren und die Vorsitzende muss alsbald das Heft wieder in die Hand nehmen. Am besten, indem sie umgehend einen Sonderparteitag einberuft, dort eine ernsthafte Diskussion um die inhaltliche Erneuerung dieser für Österreich wichtigen Partei beginnen lässt und dann die Zeit bis zur nächsten Wahl nutzt, dem Wähler wieder ein attraktives Angebot zu bieten.

Eines könnte diesen schönen Plan zunichte machen. Wenn nämlich die schwarzgrünen Regierungsverhandlungen scheitern, würde ich – Potzblitz! – eine schwarzrote Regierung favorisieren. Gut, das tue ich auch schon jetzt. Aber ob es dann Rendi-Wagner sein wird, die die SPÖ in einer solchen Koalition anführt, erscheint zumindest zweifelhaft. Frohes Fest und alles Gute!

Editorial, Fazit 159 (Jänner 2020)

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