Tandl macht Schluss (Fazit 160)
Johannes Tandl | 9. März 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 160, Schlusspunkt
Die Missstände bei der Justiz müssen aufgezeigt werden. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen abends mit Ihrem Ehepartner zu Hause vor dem Fernseher und es läutet an der Tür. Sie machen auf, um den ungebetenen Besuch abzuwimmeln, doch plötzlich drängt ein Staatsanwalt mit einem Ermittlerteam in die Wohnung. Er hält Ihnen einen vom Journalrichter unterzeichneten Durchsuchungsbefehl unter die Nase, faselt irgendetwas von Flucht- und Verdunkelungsgefahr und fordert Sie auf, ihm sofort Ihr Mobiltelefon auszuhändigen und sich nur ja nicht dem PC oder dem I-Pad zu nähern. Die Truppe stellt Ihre Wohnung auf den Kopf und durchsucht alles vom Vorraum bis zum Schmutzwäschekorb im Schlafzimmer. Sie glauben, das kann Ihnen nicht passieren? Das dachten auch die beiden Ex-Finanzminister Hartwig Löger und Josef Pröll, als ihnen dieser unglaubliche Angriff auf ihre Privatsphäre, der genauso wie zuvor geschildert abgelaufen sein könnte, widerfuhr.
Dass es bei Strafverfahren auch Hausdurchsuchungen geben muss, steht außer Zweifel. Dass ein solcher Eingriff in die Privatsphäre jedoch auf einem anonym bei der Staatsanwaltschaft eingebrachten Hinweis beruht, ist unglaublich; ebenso wie die mediale Hinrichtung Lögers wegen einer bei der Durchsuchung sichergestellten SMS-Nachricht. Löger hat auf ein SMS des damaligen Vizekanzlers mit einem nach oben gerichteten Daumen geantwortet. Strache wollte wissen, ob ein von der Regierung bei den Casinos Austria zu bestellender Posten wohl mit einem positiv aus dem Auswahlprozess hervorgegangenen FPÖler besetzt worden sei. Selbst wenn formal der Eigentümervertreter der Republik im Aufsichtsrat für die Bestellung der Organe zuständig ist, ist völlig klar, dass niemand ohne den Segen des zuständigen Regierungsmitglieds Vorstand werden kann.
Jetzt stellt sich die Frage, ob sich Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem journalistischen Hintergrundgespräch über dieses Vorgehen der Justiz, aber auch über andere Missstände, wie manche ewig verschleppten Verfahren, ärgern darf?
Er muss es sogar! Die Verhältnismäßigkeit, mit der eine Strafverfolgungsbehörde vorgeht, ist im Rechtsstaat ein ständig präsentes Thema. Auch die Unabhängigkeit der Staatsanwälte und Gerichte muss immer wieder hinterfragt werden. Der Rechtsstaat wäre nur dann gefährdet, wenn Missstände, die abgestellt gehören, nicht einmal aufgezeigt werden dürfen. Und wer, wenn nicht die Politik, hat die Möglichkeit, sich mit der Justiz anzulegen? So hat etwa der spätere Bundespräsident Heinz Fischer ein vom OGH bestätigtes Urteil gegen Fred Sinowatz als absolut unfair und als politisches Pamphlet bezeichnet. Der ehemalige Bundeskanzler war wegen falscher Zeugenaussage in der Waldheimaffäre von einem Richter mit einem angeblichen Naheverhältnis zu Jörg Haider zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Fischer wünschte sich damals völlig zu Recht eine »intelligente Diskussion über den Richterstaat«.
Dass es unter Staatsanwälten und Richtern stramme Parteisoldaten gibt, ist nichts Neues. Dass es sich dabei nur um eine kleine Minderheit handelt, auch nicht. Wenn die Staatsanwälte und Richter nun so tun, als ob Bundeskanzler Kurz etwas Unerhörtes behaupten würde, ist das lächerlich.
So dauern die Verfahren gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser nun bereits viele Jahre lang und kosten die Steuerzahler viele Millionen Euro, ohne dass irgendetwas Verwertbares oder gar eine Verurteilung herausgekommen wäre. Die Unschuldsvermutung hat für Grasser aufgrund geschickt geleakter Akten nie gegolten. Seine Integrität wurde zerstört. Und wenn er nicht in eine der reichsten Familien des Landes eingeheiratet hätte, wäre er auch wirtschaftlich längst pleite. Dass er auf den BUWOG-Verfahrenskosten in Höhe von etwa drei Millionen Euro selbst nach dem sich nun abzeichnenden Freispruch sitzenbleiben wird, ist ein weiterer Justizskandal.
Eine Staatsanwaltschaft, die das Steuergeld für solche Verfahren ausgeben kann, ist nicht besonders glaubwürdig, wenn sie ein höheres Budget fordert. Grasser hat übrigens eine halbe Million Euro nur für Kopien seiner Gerichtsakten zum Justizbudget beigetragen.
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