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Gastrodämmerung

| 29. Mai 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 163, Fazitbegegnung

Foto: Heimo Binder

Das Konzept der Gastronomie ist Unterhaltung mit Dienstleistung. So bringt es Klaus Josef Friedl, der Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftkammer Steiermark auf den Punkt. »Was wir bis jetzt nach der Wiedereröffnung am 15. Mai erlebt haben, war bestenfalls Nahrungsaufnahme.« Friedl ist der Betreiber der Kantine in der Finanz Landesdirektion Graz, einer Institution, die nicht nur »den Finanzbeamten«, sondern »jedem Steuerzahler«, also der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Bei scharf kalkulierten sieben Euro für Suppe und Hauptgericht ein Geheimtipp, den auch zahlreiche Pensionisten schätzen.

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Eine Kantine ist naturgemäß nicht gerade ein lauschiger Ort, man lädt sich Besteck und Serviette, Speisen und Getränke selbst auf das Tablett und ist nicht heikel bei der Auswahl des Tisches. Aber ein Ort der Kommunikation ist eine Kantine allemal. Gewesen zumindest. Die Selbstbedienung wurde bekanntlich – vorübergehend – abgeschafft und wer kommt, muss Maske tragen. Friedl schätzt dem Umsatzrückgang im Mai auf 70 Prozent, auf einen von vier Mitarbeitern musste er bereits verzichten. Dabei musste er aufgrund der großzügigen Räumlichkeit von insgesamt 350 Quadratmeter kaum einen der einhundert Sitzplätze wegräumen, aber während in der Vor-Corona-Zeit hundert und mehr Gäste die Öffnungszeit zwischen 7 und 14 Uhr nutzten, ist es nunmehr kaum ein Drittel. »Gerade die Maske ist das Gegenteil dessen, was wir in der Gastronomie sind, denn wir verkaufen neben der Dienstleistung auch Emotion, Nähe und Persönlichkeit, da ist die Maske eine Hemmung«, so Friedl. Seinen Branchenkollegen geht es ähnlich, wie er aus zahlreichen Gesprächen weiß. Genauer gesagt, oft schlechter. Auch weil keine Touristen mehr in der Stadt sind, hat die Gastronomie einen sechzigprozentigen Gästeausfall. Einen ersten Impuls hat die Wiedereröffnung zwar gebracht, aber: »Es flacht schnell ab.« Das »Homeoffice« vieler Angestellter erweist sich als zusätzliches Problem: Es wird nicht mehr essen gegangen, sondern man kocht selbst. Klaus Josef Friedl ist ein Wirtshauskind. Bereits seine Eltern waren Gastwirte in Sinabelkirchen, in Eggersdorf und ab 1980 in Weinitzen. Den dortigen »Niederschöcklhof« übernahm er Mitte der Neunzehnneunzigerjahre und führte ihn bis 2003. Einige Zeit war der Gasthof verpachtet, vier Jahre stand er leer, heute macht er Wohnungen daraus. Friedl war einer der jüngsten Lehrbeauftragten am Wifi, wo er im Übrigen auch den Tipp für die Kantine im Finanzamt erhielt, die er seit mittlerweile zwanzig Jahren führt. Er beginnt zwar schon ab 6 Uhr früh, dafür ist aber um 14 Uhr Schluss. Meist fährt er dann ins Büro nach Weinitzen oder in die Wirtschaftskammer, wo er sich mit seinem Team in der Fachgruppe Gastronomie um die Belange von weit über 6000 Gastronomiebetrieben in der Steiermark kümmert – vom Kebabstand über das Haubenrestaurant bis zum Tankstellencafé.

Als stellvertretender Spartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft hat er auch eine Antenne für Reisebüros, Kinos, Freizeitbetriebe und die Hotellerie. Startschuss für Hotels ist zwar der 29. Mai, aber Friedl kennt »viele, die erst später aufsperren. Bei den Hotels tun sich die Kleinen leichter als die Großen, die eine bestimmte Grundauslastung brauchen.« In der Gastronomie werde man vielleicht nicht gleich in Konkurs gehen, aber: »Es werden viele einfach gar nicht mehr aufsperren.« Letztlich, so fürchtet er, werden sich 25 Prozent der Gastronomiebetriebe auflösen. Am »Wirtshauspaket« der Regierung schätzt er zwar auch den Zugang über steuerliche Entlastungen wie die Pauschalierung und die damit verbundene Erhöhung von 255.000 auf 400.000 Euro Jahresumsatz. »Aber«, so Friedl, »bei einem Verlust bringt das gar nichts. Und die Kredite und Stundungen sind ja auch nur Gelder, die zurückgezahlt werden müssen und etwa für geplante Investitionen dann fehlen. Jetzt fließt zuwenig Geld, die Fixkosten bleiben ja. Ein Unternehmer erzählt mir, dass er aus dem zweiten Pot des Härtefonds gerade einmal 146 Euro erhalten hat. Gerecht wäre gewesen, wenn jeder Unternehmer, unabhängig von Größe, aber auch unabhängig von einem Zuverdienst, ein bestimmten, für alle gleichen Betrag, zum Beispiel 2.000 Euro, erhalten hätte.« Das mit der Gleichheit hat was.

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Klaus Josef Friedl wurde am 8. 9. 1971 in Kirchberg an der Raab geboren und lebt in Weinitzen. Bereits seine Eltern waren Gastwirte in der Oststeiermark und führten zuletzt den »Niederschöcklhof« in Weinitzen, den er in den 1990er Jahren übernahm und bis 2003 weiterführte. Seit 20 Jahren betreibt er die Kantine in der Finanzlandesdirektion Graz. Er ist Obmann der Fachgruppe Gastronomie und stellvertretender Spartenobmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftkammer Steiermark.

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Fazitbegegnung, Fazit 162/163 (Juni 2020) – Foto: Heimo Binder

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