Humankapital Staatssekretärin
Michael Petrowitsch | 29. Mai 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 163, Kunst und Kultur
Die Ära Lunacek ist vorbei bevor sie richtig begonnen hat. Die wenigen Monate im Amt waren bitter. Bitter auch die Bosheit der Kulturschaffenden. Und besonders bitter die Aussichten auf die nächsten Monate, außer …
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Bitte keine schnellen Schlüsse aus meiner »Präambel« ziehen. Andrea Mayer wird das zur vollsten Zufriedenheit erledigen und gut machen. Sie kann gar nicht anders. Den Betrieb kennend, vor allem den Bundes- und Wiener Kulturstandort, aus dem sie immer mal wieder in die Bundesländer »gerochen« hat. Sie vermag wohl zwischen den Irrungen, Wirrungen und Niederungen der parteipolitischen Querschüsse zu wandeln, dafür war sie lange genug in der zweiten Reihe. Zudem bringt sie als Kind von Rudolf Scholten das nötige Feingefühl mit, zwischen Freier Szene und großen Häusern und zwischen Zeiterscheinung und Kontinuität im künstlerischen Output zu unterscheiden. Und ebenjenes Fingerspitzengefühl, dass Geld die Basis der Kulturförderung ist und nicht Schöngeisterei, braucht es. Den allerorts eingeforderten »Dialog« beherrscht sie auch. Der Hauptunterschied zu ihrer Vorgängerin liegt im Werdegang! Bottom-Up im Vergleich zu Ulrike Lunaceks Top-Down. Schluss jetzt mit der Lobhudelei. Denn, wenn da nicht das Umfeld und die Genese wäre …
Hüpfen wir noch mal zurück in die Vorweihnachtszeit. Wir wissen, Werner Kogler und sonst niemandem ist es zu danken, dass die Grünen ins Parlament zurückgekehrt sind. Viele Glücksritter auf hinteren Plätzen sind plötzlich unverhofft im Hohen Haus gelandet. Dass Lunacek überhaupt noch mal in den engeren Kreis von Koglers Wahrnehmung gekommen ist, war ihrer breiten Lobby in der Community und den vorgeblichen Kontakten nach Brüssel geschuldet. Den Hauptfehler, bei den Koalitionsverhandlungen – dem Vernehmen nach aufgrund der Frauenquotenfrage – auf das Finanzstaatssekretariat zu verzichten (die wohl Koglers männliche, rechte Hand bekommen hätte) und stattdessen die Kulturagenden zusätzlich mit einem Staatssekretariat zu beglücken, darf nun die frisch gekürte Andrea Mayer leider weiter ausbaden. Und das ist der Pferdefuß im System. Die Grünen haben den Kulturbegriff stark vernachlässigt und stets nach Maßgabe der Umstände unter ihre jeweiligen gesellschaftspolitischen Prämissen (Gender, Umwelt, Gleichberechtigung etc.) gestellt, anstatt ihn losgelöst davon weiterzuentwickeln. Das lässt sich etwa an den wenigen, von Lunacek getätigten, glücklosen Aussagen festmachen. Es braucht aber offensichtlich Rücktritte wie diesen, um ein Wachrütteln zu erwirken.
Jetzt wären die Kulturschaffenden entsprechend gefordert
Jedoch weniger das Gejammer Einzelner (»Wir wollen wahrgenommen werden«), das an ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom erinnert. Ernsthafte realpolitische Lobbyarbeit wäre von Interesse. Zudem sind es von den Wirtschaftern angestossene Diskussionen, die aufzeigen, dass der Umgang mit dem Faktor Kultur auf bundespolitischer Seite mangelhaft ist. Siehe Staatssekretariat als Anhängsel und danebengegangene Postenbesetzung. Ohne den direkten Zugriff auf Gelder wird die Außenwirkung von Mayer jedoch – und zwar aufgrund ihrer Vergangenheit – eine bessere sein als die von Ulrike Lunacek. Finanzielle Wunder wird man sich jedoch keine erwarten können.
Ein kapitaler Fehler des »Kulturlandes« Österreich war es, den »Wirtschaftsfaktor Kultur« wieder mal zu übersehen. Das zeigt sich bei jeder Koalitionsverhandlung. Die Kultur wird zum Schluss irgendwo »hingepickt«. Dass sie je nach Rechnungsart bis zu neun Milliarden Euro schwer ist und mehr zum BIP beiträgt, als die Landwirtschaft, dass in Europa (auch hier je nach Rechnungsart) mehr Arbeitsplätze an der Kultur als an der Autoindustrie hängen, wird dieser Tage gebetsmühlenartig runtergebetet. Wenn sich das vom Ökonomen artikulierte Wording ändert, versteht es die Politik hoffentlich besser. Einzelne Bundesländer haben das verstanden. Möge der Bund nachziehen.
Dass die Menschen in diesem Bereich schon per se eigenbrödlerisch in ihrer Blase vor sich hintümpeln und zu wirklicher gewerkschaftlicher Arbeit und Lobbyierung ihrer Interessen nicht fähig sind, zeigt sich spätestens in Krisen. Es wird mehr bedürfen als notleidende EPUs und Künstler mit 500 oder 1500 Euro auszustatten. Was fehlt ist ein »Fahrplan«. Und zwar nicht »aus der Krise«, sondern um »Nachhaltiges zu bewirken«. So muss das Wording sein, entsprechend auch die Taten und das funktioniert auch auf Bundesebene, wenn man sich darauf einlässt. Daran wird man Andrea Mayer messen müssen und nicht an unwahrscheinlich plötzlich auftauchendem Geldregen. Und sollte sie reüssieren, werden wir uns wieder fragen – wie bereits anlässlich Kanzlerin Bierleins Regentschaft – ob es wirklich Politiker braucht oder ob die Chose nicht Beamte effizienter erledigen können.
Alles Kultur, Fazit 162/163 (Juni 2020), BKA/Dunkler
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