Zur Lage (101)
Christian Klepej | 6. Juli 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 164, Zur Lage
Überraschenderweise quasi nichts über das Foto eines Babys mit einem Geldschein, dafür recht viel über das grobe Mundwerk weststämmiger Politiker und einige Gedanken über sich am Horizont abzeichnende neue Patriarchate.
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Ich hab ja einen neuen Liebling, einen richtigen Superstar, der mich veranlasst hat, wieder einmal eine Lage zu schreiben. Nein, es handelt sich nicht um das Baby, das Schuld am Foto mit der Frau Bundesminister trägt, wiewohl das natürlich auch ein sicher lässiges Kerlchen sein wird. Nein, mein Liebling also, mein Held zumindest dieser Tage ist das Raubein aus dem Westen, der Grobian ausch‘m heiligen Land, der stellvertretende Landeshauptmann von Tirol. Der Josef, der Geisler, der Josef Geisler. Sepp, wie ich sag – wir anonymen Choleriker duzen uns –, Sepp, dieser Meister des subtilen Kompliments hatte da jüngst ein Problem mit Stimme gewordenen Gedanken. Bei irgendeinem jetzt nicht weiter googleswerten Event hatte er eine Vertreterin einer NGO beleidigt.
Niemand weiß das besser als ich, das soll und kann man nicht schönreden! Ich etwa hab viel zu oft schon in meinem langen Leben viel zu oft Menschen beleidigt. Passiert ist mir das in aller Regel noch dazu immer nur bei Menschen, die mir besonders am Herzen liegen. Und es ist in allererster Linie meiner besten Ehefrau von allen zu verdanken, dass ich da in letzter Zeit etwas »besser« geworden bin, meinen Jähzorn etwas mehr in den Griff bekommen habe. Menschen, die mir wenig bedeuten, die beleidige ich in der Regel gar nie nicht. Was wiederum nicht nur stimmt, weil beim Autofahren hat mir schon, seinerzeit, als ich noch öfter automobil unterwegs war, der eine »Vollkoffer« oder die andere »Flachkappe« enftahren können, um meinem Unmut Luft zu verschaffen.
Wieweit dem Sepp jetzt die Aktivistin auch am Herzen gelegen ist, dass er so die Contenance verlor, vermag ich nicht zu beurteilen, es spielt auch gar keine Rolle, irgendwas wird es schon gewesen sein, womit die Dame den Landespolitiker getriggert hat. Da muss Sepp an sich arbeiten, da muss er nachbessern! Da bin ich mir mit allen wohl einig. Der Landeshauptmannstellvertreter hat sich mittlerweile, das Mindeste, auch persönlich ordentlich entschuldigt, seine erste Erklärung, es täte ihm leid, wenn jemand seine Äußerung missverständlich aufgenommen hätte, war ja doch eher was fürs Kabarett. Inwieweit nämlich »widerwärtiges Luder« Interpretationsspielräume offengelassen hat, übersteigt dann sogar meinen großen Vorstellungsrahmen. Sepp: Vorgemerkt!
Was mich ratlos bei dieser an sich unbedeutenden Sache zurücklässt, war was anderes. Die große, auch mediale Entrüstung wie Empörung ob der »Frauenfeindlichkeit« des Geisler-Sagers und überhaupt die Proklamation, dass diese Beleidigung eine »sexistische« sei. Das kann ich so nicht nachvollziehen, handelt es sich doch ganz klar um den Sachverhalt, dass hier ein Mensch einen anderen beleidigt hat. Welchen Geschlechts die beteiligten Personen dabei sind, tut gar nichts zur Sache. Kein Mensch soll einen anderen beleidigen, beschimpfen oder sonstwie verunglimpfen. Das sollten wir alle beherzigen und immer danach trachten, dies nicht vorkommen zu lassen. In der selbstverständlichen Gewissheit, dass es, solange Menschen diesen Planeten bevölkern – die jungen Leute von diesem Friday-for-future-Werch zeichnen da eh ein sehr positives Bild –, immer und immer wieder zu genau solchen Beleidigungen, Beschimpfungen und Verun- glimpfungen kommen wird.
Und da wundert es mich nun ausnehmend, dass es gerade sich als Feministinnen und Antisexismuskämpferinnen (wie deren, die schmecken mir besonders, männliche und sonstige Pendants) verstehende Humanoide sind, die Frauen den Zugang in diese Königsklasse der menschlichen Interaktion verwehren wollen. Ja, sie geradezu als zu schwach darstellen, einen Disput auf Augenhöhe alleine austragen zu können. Und sie damit im Grunde nicht viel weniger diffamieren und diskreditieren, als jemand, der beispielsweise dem abstrusen Weltbild anhängt, Frauen seien zu »schwach« um selbst mit einem Auto zu fahren. Soll dort, wo nur am Freitag geköpft wird, bis vor kurzem noch die Regel gewesen sein.
Das würde mir nie einfallen. Also noch weniger, als es mir jemals einfallen würde, eine Frau zu beleidigen, würde mir nur eines einfallen: sie nicht zu beleidigen, weil sie eine Frau ist. Ein geradezu pathologisch sexistischer Gedanke und in seiner Konsequenz ein noch nie dagewesenes totales Patriarchat begründend.
Ein guter Wegbegleiter dieses flachen Gedankengutes scheint mir dabei das »Frauennetzwerk Medien«, ein überparteilicher Verein für Journalistinnen und Frauen in Medienberufen, zu sein. Die vergeben schon seit einigen Jahren einen »Negativpreis für sexistische Äußerungen«, das sogenannte »Rosa Handtaschl«. Für das Jahr 2020 geht das Taschl an den Sepp. Was ich nur mit einem, in den jungen internetten Twitterkreisen üblichen »Hallo!?« quittieren kann. Wir haben Juni! Nicht nur, dass nach deren Lesart Frauen zu arm und schwach und zu sonstwas sind, Beleidigungen selbständig abwehren zu dürfen, nein, die ignorieren damit auch noch eine ganze Jahreshälfte. Und machen es damit allen echten Chauvinisten und Unehrenmännern leicht, indem sie ihnen ab Juli freie Bahn zu wüstesten sexistischen Beschimpfungen gegenüber den allesamt schützenswerten Frauen ermöglichen. Ohne mit der Schmach, mit dem »rosa Handtaschl« ausgezeichnet zu werden, leben zu müssen. Das kann ich einfacher Geist nicht verstehen, für mich wäre das ähnlich absurd, wie wenn durch Städte marodierende Selbstermächtiger fordern würden, Denkmäler von Winston Churchill oder George Washington abzumontieren. Soweit wird es aber hoffentlich nie nicht kommen. Abschließend darf ich Sie noch erinnern, nichts von mir ernst zu nehmen, bei uns in der Taz ist alles nur Satire. Bleiben Sie mir gewogen.
Zur Lage #101, Fazit 164 (Juli 2020)
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