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Chroniken eines Ankünders

| 4. März 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 170, Fazitportrait

Foto: Toni Muhr

Das 1924 gegründete Außenwerbeunternehmen  »Ankünder« erwirtschaftet Umsatz aus der Vermietung von Werbeflächen auf unterschiedlichen Werbeträgern wie klassischen Litfaßsäulen, Großplakaten oder digitalen City-Lights und Infoscreens in Straßenbahnen und Bussen. Seit der Partnerschaft mit dem Weltmarktführer »JCDecaux« agieren die Steirer in Gesamtösterreich und erzielten 2019, im »Jahr vor Corona«, einen Rekordumsatz. Die Zeichen stehen auch hier auf Digitalisierung.

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Wer Wien aus den frühen Achtzigern kennt, weiß was Grau ist. Ein grau lackiertes Auto am Matzleinsdorferplatz war praktisch unsichtbar. Häuser, Straßen, sogar die Luft hatten den gleichen Farbton, irgendwas zwischen Mausgrau und Käsbeige. Nur die Sonne will bekanntlich immer alles mit Farben beleben, nimmt gern geputzte Menschen dafür, so blinkten uns auch damals schon von fernen Pfaden farbige Kleider an. Das waren so ziemlich die einzigen Farbtupfer in der Stadt. Noch trister sah es in der Schwesternstadt Budapest aus. Der Eiserne Vorhang zu Ungarn war von österreichischer Seite aus durchlässig und die Hauptstadt mit dem vom Vater geliehenen Peugeot 504 passabel erreichbar, aber wie trist und baufällig ihr Erscheinungsbild! Erst als uns graue Soldaten mit mattschwarzen Kalaschnikows aufforderten, auszusteigen und meinen Führerschein erst gegen Devisen wieder retournierten, fiel mir auf, dass sogar die gedeckten Farben der Schillingscheine im Vergleich zum Forint so farbenfroh erschienen wie holländische Guldenscheine. Auch in den Auslagen fehlten die Farben, die Stoffe der Kleidung, die ausgestellte Mode – alles wie ausgebleicht. Was macht das Bunte in einer Stadt aus, fragte ich mich und dachte an den Picadilly Circus in London und den Time Square in New York. Es ist die grelle bunte Werbung, für den damaligen Ostblock mutmaßlich Inbegriff kapitalistischer Dekadenz.

Foto: Heimo Binder

Große bunte Plakate machen viel aus. Und die gab es in Wien und Restösterreich immerhin bereits seit einer kleinen Ewigkeit. Werbeplakate waren also die weiteren Farbtupfer, die Wien damals von Budapest unterschieden. Subjektiv gesehen hat sich die ungarische Hauptstadt heute zur attraktiven Schwester gewandelt, ich sage nur Andrássy út – der zweieinhalb-Kilometer-Boulevard von der Innenstadt bis zum Heldenplatz (sic!) – aber das führt nun buchstäblich zu weit. Sogar für eine Fazit-Abschweifung.

97 Jahre Ankünder
Farbenfrohe Plakate haben nicht nur Wien, sondern auch Graz und die Steiermark bunter gemacht. Platzhirsch für die sogenannte Außenwerbung ist hierorts der Ankünder, 1924 von der Stadt Graz als Steiermärkische Ankündigungs-Ges.m.b.H. und der Firma Kienreichs Anzeigen Vermittlungsgesellschaft m.b.H. gegründet. Das altbekannte Logo wurde nur unwesentlich verändert: Ein Herold posaunt die Botschaft hinaus, wofür seit 1950 auch Großplakate zum Einsatz kommen. Als größtes Außenwerbeunternehmen in Südösterreich hat der Ankünder den Anspruch, die Werbeziele seiner Kunden bestmöglich zu erreichen. »In der Außenwerbung ist der Standort alles«, konstatiert Dieter Weber, Unternehmenssprecher und neben Berd Schönegger einer der beiden Geschäftsführer. Auch in diesem Punkt sei man den fünf Mitbewerbern in der Steiermark für die Vermarktung von Werbeflächen um einiges voraus. Für die Kundschaft, insbesondere Buchungsagenturen, egal ob regional oder national werbend, stellt sich die Standortfrage nur indirekt – sie kauft Kontakte. Wichtig ist daher die Frequenz der Werbeadressaten an den Standorten, die aber wiederum ständig wechselt, je nach Uhrzeit, Wochentag, Saison und so weiter. Das hat wieder Auswirkungen auf den Preis – es bestand daher immer schon der Wunsch, diese Parameter möglichst genau messen zu können. Dies wird nun mit Hilfe von OSA, Outdoor Service Austria, möglich gemacht. OSA ist für die Außenwerbung das, was die Mediaanalyse für Zeitungen oder der Teletest für das Fernsehen bedeuten. Das Streben nach möglichst vielen und möglichst detaillierten Informationen über Standortkonditionen, Gewohnheiten und Frequenzverhalten seitens des Zielpublikums oder auch Umstände wie Zeitsprünge durch andere Arbeitszeiten oder Mittagspausen, geändertes Verkehrsverhalten, bis hin zu Altersbestimmungen oder noch Persönlicherem und vielleicht noch Ungedachtem war gestern noch utopisches Gedankenspiel. Heute wird das Sammeln von Daten als notwendige Grundvoraussetzung für die voranschreitende Digitalisierung auf allen Ebenen erachtet. Auch im Bereich der Außenwerbung macht das Sinn und ist richtungsweisend für eine Weiterentwicklung, denn die Zukunft hat für den Ankünder schon längst begonnen.

Einstieg von Weltmarktführer JC Decaux
Um sich breiter aufzustellen und auch innovationstechnisch ganz vorne mit dabei zu sein, verband sich die Holding Graz als Eigner des Ankünder mit dem weltweit größten Unternehmen für Außenwerbung, dem französischen Konzern JC Decaux. 2013 wurde die lange vorbereitete Partnerschaft Wirklichkeit. Über einen wertgleichen Anteilstausch stieg Gewista/Decaux mit zunächst 24,9 Prozent und vier Jahre später, 2017, mit 33,33 Prozent beim Unternehmen der Stadt Graz ein. Damit eröffnete sich für den Ankünder die Möglichkeit, seinen Kunden auch österreichweite Werbung anzubieten, da er nunmehr über in der Regel 49-Prozent-Beteiligungen an mehreren Außenwerbungsunternehmen auf den Märkten in Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien direkt vetreten ist. Darüber hinaus haben Ankünder und »Gewista« unter dem Namen »Europlakat« bereits Anfang der 1990er Jahre den slowenischen und den kroatischen Markt erschlossen. Die Strategie hinter der Partnerschaft mit einem internationalen Partner, der in 80 Ländern tätig ist, ist schon angesichts der Synergieeffekte ganz offensichtlich aufgegangen. Für die Holding Graz ist der Ankünder ein wichtiger Beitragsleister für das Konzernergebnis, erwirtschafteten die 52 Mitarbeiter des Werbeflächenvermarkters 2019 doch einen Rekordumsatz von rund 16 Millionen Euro. Für das Corona-Jahr 2020 hingegen ist mit spürbaren Einbußen zu rechnen, da die Werbewirtschaft sehr unmittelbar auf Konjunkturentwicklungen reagiert. Auch deswegen sind Weiterentwicklung und Innovationsführerschaft keine leeren Schlagworte in der Branche, sondern schlichte Notwendigkeiten – ein weiterer Grund, der allenthalben gepriesenen Digitalisierung Vorschub zu leisten und zu erkennen, was alles möglich ist. Das gute »alte« Plakat wird es immer geben – es ist der Klassiker der Outdoor-Werbung und das ideale Medium zum raschen Aufbau von Bekanntheit und Reichweite. Aber nicht erst seit der Ankünder vor vier Jahren digitale Werbeträger in Graz eingeführt hat, herrscht Klarheit darüber, dass es einen Mix aus analog und digital geben muss. Keiner weiß das besser als Dieter Weber, der vor 17 Jahren von der Styria Media AG zum Ankünder in die Herrengasse gekommen und heute für Personal, Finanzen und Technik zuständig ist. Er darf als alter Werbeprofi bezeichnet werden: »Als ich gekommen bin, hat man einmal pro Monat die Plakate gewechselt«, plaudert der dreiundsechzigjährige Betriebswirt aus dem Nähkästchen, »heute werden digitale Werbesujets stündlich oder noch häufiger gewechselt und das frequenzabhängig.« Vorigen Sommer wurde die Werbung auf dem am stärksten frequentierten Platz von Graz, dem Hauptplatz, ausschließlich auf digitale City-Lights umgestellt. Weber, nicht ohne Stolz: »Das ist einzigartig in der gesamten D-A-CH-Region. Das gibt es nicht in Berlin, nicht in Zürich, nur in Graz.«

Analog und digital
Die Ausrüstung, sprich die Produkte des Unternehmens, können sich auch international sehen lassen. Neben den 1.600 Großplakaten in Graz und 1.200 steiermarkweit, gibt es mehr als 500 Scrollerflächen für »rollierende Werbung« (Poster Light oder Rolling Board) an hochfrequentierten Standorten, über 700 Infoscreens in Bussen und Straßenbahnen für Information, Unterhaltung und Werbung sowie riesige Videowalls (Jakominiplatz) für bewegte Bilder und Animationen. Sie umfasst »Culture Screens« in FullHD und »Culture Lights« für Veranstaltungsbewerbungen oder riesige Prismenwender bis 40 Quadratmeter an Autobahnen oder Einkaufszentren, aber auch Kleinplakate für Litfaßsäulen in ausgesuchten Innenstadtbereichen oder analoge City-Lights (hinterleuchtete Plakate), wie auch die erwähnten digitalen City-Lights an besonders belebten Standorten in der Innenstadt für wechselnde Zehnsekundenspots. Ganz abgesehen von Innovationen wie »Fotobox«, »Ambient Media« oder Innenbranding für außengebrandete (beklebte) Straßenbahnen, um nur einige zu nennen.

Foto: Heimo Binder

Digitalisierung und öffentlicher Raum
Digitalisierung umfasst aber viel mehr Dimensionen, so auch Raum, Zeit oder Geld. Sie bedeutet zum Beispiel zeitabhängige Werbung, etwa zu verschiedenen Tageszeiten und folglich zu anderen Preisen. Werbespezialist Weber kennt aber auch die zum Teil bereits realisierte Werbezukunft: Alles wird vernetzt, »digital out of home« plus »mobile-marketing« – Push-Nachrichten auf das Handy – erhöhen Aufmerksamkeit und Zielgenauigkeit, die Werbung wird synchronisiert und findet verstärkt Eingang in verschiedene Medienkanäle bis zum Internet. So vielfältig werden und sind bereits die, auch von der Außenwerbung zu bedienenden, Spielwiesen. »Um da mithalten zu können, müssen wir in Innovationen investieren«, sind sich die beiden Geschäftsführer einig. »Und das heißt, Qualität geht vor Quantität«, sagt Bernd Schönegger und meint damit etwas ganz Bestimmtes. Der vierundvierzigjährige Jurist stieß erst 2018 dazu, ist zuständig für Verkauf, Marketing, Innovation und IT, er ist auch Geschäftsführer in Slowenien, Kroatien und Kärnten und er kommt aus der Politik, wo er unter anderem auf eine zehnjährige Erfahrung als Nationalratsabgeordneter verweisen kann. Eine Expertise, die vielfältig einsetzbar ist, so auch im Unternehmen Ankünder. »Wir spielen ja eine große Rolle in der Öffentlichkeit, weil wir den öffentlichen Raum mitgestalten«, so Schönegger. »Dieser Verantwortung sind wir uns bewußt und agieren gemeinsam mit der öffentlichen Hand. Das heißt, wir bemühen uns um bestmögliche Integration in das Stadt- oder Ortsbild, versuchen Formate weitgehend zu vereinheitlichen und Wildwuchs zu vermeiden. Passanten sollen ja positiv angesprochen und nicht gestört werden, deshalb haben wir etwa die Dreieckständer eliminiert – auch das ist gemeint mit Qualität.«

Das Unternehmen Ankünder greift auch direkt in die städtische Infrastruktur ein. Werbeträger mit Mehrwert wie digitale City-Lights mit Defillibratoren – dreimal zwischen Jakominiplatz und Hauptplatz entlang der Herrengasse – oder rund 400 Wartehäuser seit Mitte der Neunzehnneunzigerjahre allein in Graz im Bereich des öffentlichen Verkehrs leisten wichtige Zusatzfunktionen und erhöhen die Lebensqualität im öffentlichen Raum. Bei den Wartehäusern, die eine geniale Kombination aus Schutz vor Wind und Wetter, Beleuchtung in den Nachtstunden sowie – natürlich – Werbung sind, gibt es außerdem eine erfreuliche Offensive: Für die Smart City und die Reininghausgründe werden vom Ankünder noch heuer 30 neue gebaut.

Ankünder GmbH
8010 Graz, Herrengasse 7
Telefon +43 316 90040
ankuender.com

Fazitportrait, Fazit 170 (März 2021) – Fotos: Toni Muhr und Heimo Binder

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