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Führen in kritischen Situationen

| 13. April 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 171, Serie »Erfolg braucht Führung«

Klarheit und Empathie im richtigen Maß. Ein Gespräch von Carola Payer nmit der pensionierten Hebamme und Autorin Petra Schurian-Krassnig.

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In Helferberufen kommt man oft in brenzlige Situationen. Da ist Krisenmanagement erforderlich. Petra Schurian war 25 Jahre als selbstständige Hebamme mit eigenem Entbindungsheim in Buchscheiden bei Feldkirchen tätig und hat 3.000 Spontangeburten begleitet. In der Pension hat sie ihr spannendes Leben und ihre Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst. Sie hat genügend Situationen erlebt, in denen man einen kühlen Kopf bewahren muss und hohe Verantwortung hat, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zwar ist eine Geburt an und für sich ein natürlicher Prozess, kann aber schnell zu einer Situation zwischen Leben und Tod für Mutter und Kind werden. Wie können Führungskräfte auch in zeitkritischen und komplexen Situationen fundierte Entscheidungen treffen und Risiken minimieren? Im Managementalltag von Führungskräften kommt gerade in kritischen Situationen das Leistungsspektrum guter Führungsstrategien zum Tragen. Petra Schurian zeigt auf, welche Wege sie gewählt hat, Familien in dieser besonderen Situation der Geburt zu begleiten und wie sie bedrohliche Situationen gemeistert hat.

Geburt auf Termin oder als natürlicher Prozess
Möglichst vielen Frauen eine natürliche Geburt zu ermöglichen, war für Petra Schurian die Motivation, ein eigenes Entbindungsheim zu gründen. Sie ist überzeugt davon, dass Mutter und Kind davon profitieren. Petra Schurian zum Vorteil einer natürliche Geburt: »Der absolute Gewinn ist, dass die Mutter es selbst geschafft hat, indem sie geboren hat und nicht entbunden worden ist. Die Frau erlebt das Frausein und Mutterwerden ganz bewusst und das Bonding von Mutter und Kind ist gegeben. Somit erlebt das Neugeborene dieses Urvertrauen, das so wichtig ist. Jede Geburt prägt einen Menschen nachhaltig und sollte durch nichts zerstört werden. Bei geplanten Geburten durch Kaiserschnitt erlebt das Kind sein erstes Trauma, das sich in den verschiedensten Ängsten widerspiegelt. Wenn Erwachsene nicht durch einen Tunnel fahren können, in Aufzügen Platzangst bekommen oder beim Schwimmen ständig Angst haben zu ertrinken, kann dies absolut auf die unbewussten Geburtserlebnisse bei einem Kaiserschnitt zurückzuführen sein. Das Unterbewusstsein vergisst nicht. Die Frau hat das Geburtserlebnis verschenkt und kann dies auch nicht mehr ändern. Man hat bei Tierversuchen festgestellt, dass wenn das Muttertier die Geburt nicht bewusst erlebt hat, nimmt es zu 89 Prozent das Junge nicht als das seine an. Damit will ich sagen, dass in diesem Fall dieses unmittelbar während und nach der Geburt entstehende Bonding, das durch Hormone gesteuert wird, nicht gegeben ist.«

Vertrauen als Voraussetzung
Petra Schurian: »Meine Frauen, die mich als Hebamme ausgewählt haben, müssen das unbedingte Vertrauen in mich haben, dass ich alles rund um die Geburt und auch danach richtig manage. Wenn ich aus medizinischen Gründen eine Geburt abbrechen und die Frau zur Geburt in eine Klinik überweisen muss, dann hat das auch seinen absoluten Grund und es gibt darüber keine Diskussionen, ob ja oder nein.« Des Weiteren betont sie, dass die menschliche Zuwendung den Familien oft mehr Sicherheit geben kann und nicht durch medizinische Apparate zu ersetzen ist. Die Hebamme muss Vertrauensperson sein, der Partner der Anker. Das Schaffen einer geschützten und sicheren Umgebung für die Gebärenden ist erforderlich, um loslassen zu können. Eine Geburt ist immer ein »Loslassens-Prozess«, der unter Stress und Anspannung nicht möglich ist. Petra Schurian: »Ich war in meiner aktiven Zeit immer wie eine Löwin und habe darum gekämpft, alles Mögliche zu versuchen, den Frauen ein natürliches Erlebnis zu ermöglichen. Das hat mir auch viel Mundpropaganda, Empfehlungen und Vertrauen gebracht. Mein eigenes Vertrauen gründete auf meiner fundierten Ausbildung. Gestärkt haben mich die positiven Rückmeldungen der Frauen, die glücklichen Väter mit Freudentränen in den Augen, die gesunden Kinder, die ich in den Händen halten durfte, und mein tiefer Glaube in die Natur und an unseren Herrgott.«

Fähigkeiten in Grenzsituationen
Petra Schurian auf die Frage, wie sie sich in Grenzsituationen erlebt: »Fokussiert, überlegt und lösungsorientiert.« Das stellt hohe Anforderungen an die Persönlichkeit, die jemand mitbringen muss. Daher betont Petra Schurian, dass eine zukünftige Hebamme auf jeden Fall eine Person sein muss, die robust und gesund genug ist, um diesen Herausforderungen immer wieder gewachsen zu sein. Man darf den Überblick nicht verlieren, was wichtig ist und was nicht. Man muss einen starken Charakter haben, um sich an die jeweilige Situation anpassen zu können, ohne zu bevormunden. Jede Frau hat andere Bedürfnisse. Die Gebärenden wissen instinktiv, was ihnen gut tut. Eine gute Hebamme kann gleichzeitig nah sein und trotzdem den nötigen Abstand bewahren. Petra Schurian: »Ganz wichtig ist, dass man nicht ‚mitleidet‘, sondern einfühlsam führt und begleitet. Geteiltes Leid ist doppeltes Leid! Mit jahrelanger Erfahrung reagiert man dann immer instinktiver.« Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Vertrauen in natürliche Abläufe, Anerkennung, Freude und Neugier, etwas noch zu verbessern, nennt Petra Schurian als wesentliche Basis für den Umgang mit Herausforderungen. Hebammen brauchen eine gute Fähigkeit zum Risikomanagement. Risiken erkennen, bewerten und dann den Mut zu entscheiden.

Situativer und individueller Führungsstil
In Führungstheorien würde man die Vorgehensweise von Hebammen wahrscheinlich als situativ angepasstes Führungsverhalten beschreiben. Petra Schurian: »Wichtig ist vor allem die Haltung, absolut Verantwortung zu übernehmen«. Ihren Führungsstil beschreibt sie folgendermaßen: »Mit Geduld, Vertrauen aufbauen, Aufmerksamkeit, Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen der Frauen, Erfahrung und einer Portion Intuition, jedoch klarer Linien, wenn es zu Entscheidungen kommen muss.« Wesentlich ist auch die Vorbereitung zu einer Geburt mit der Familie. Die Personen, die bei der Geburt dabei sind, müssen genau instruiert werden und Bescheid wissen, was in jeder Phase der Geburt passiert. Es werden die Erfahrungen der Hebamme zu jedem Thema (Ausnahmesituationen während der Geburt, Schmerzerleichterung, Kinder bei der Geburt, Eifersucht der Geschwister auf das Neugeborene, Schreikinder usw.) ausreichend diskutiert und alle noch vorhandenen Fragen der Familie ausführlich besprochen. Es gab in ihrem Entbindungsheim immer Besichtigungstermine, um sich kennenzulernen und um auszuloten, ob man überhaupt miteinander kann. Klare Vereinbarungen durch Anmeldeformulare waren wesentlich für die Entscheidung zur Kooperation. Geburtsvorbereitungskurse, um sich gemeinsam auf dieses Erlebnis vorzubereiten und um die bestmöglichen Voraussetzungen zu erwerben, dass es auch zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle Beteiligten wird. Vor der Geburt schon Tag und Nacht erreichbar zu sein, war selbstverständlich. Auch der Lebenspartner von Petra Schurian war zu jeder Uhrzeit für sie und die Familien zur Unterstützung bereit. Ganz wesentlich war Petra Schurian immer, das Bevormundung keinen Platz hat, sondern die Förderung der Eigenverantwortung.

Der Wunsch von Petra Schurian, ein Buch zu schreiben, resultiert aus dem Wunsch bei Frauen, das Selbstbewusstsein zu fördern, was sie selbst gerne möchten. Zum Beispiel keinen Einleitungstermin, sondern warten, bis die Geburt von selbst beginnt, keine unnotwendigen Vorsorgeuntersuchungen und natürliche Geburtsmethoden. Sie sagt: »Es ist höchste Zeit, dass sich da nachhaltig etwas ändert. Den natürlichen Prozessen muss wieder mehr Raum gegeben werden!«

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 171 (April 2021), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 38)

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