Anzeige
FazitOnline

Guillaume Bruère im Kultum

| 13. April 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 171, Kunst und Kultur

Foto: Guillaume Bruère

Der französische und in Berlin ansässige Maler Guillaume Bruère, der bereits international durch seine »Museumsbilder« Furore gemacht hat, ist mit seinen neuen Arbeiten in einer Soloschau im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten zu sehen.

::: Hier im Printlayout lesen.

Guillaume Bruère hat sich während der Coronakrise im letzten Jahr intensiv mit religiösen Themen auseinandergesetzt. Es entstanden neue Arbeiten, die Kurator Johannes Rauchenberger zurzeit im »Kultum« erstmals präsentiert. Der internationale Bekanntheitsgrad des Künstlers gründet auf seine aufsehenerregenden ersten Werkzyklen in den großen Museen Europas. So erarbeitete er in verschiedenen Sammlungen Wiens, in der Berliner Gemäldegalerie und in vielen anderen Institutionen vor den Porträts der Meister seinen eigenen Zugang zur Kunsthistorie. Er transformierte bekannte Arbeiten in völlig neue und unabhängige Momentaufnahmen von Menschen.

In seinen jüngsten Arbeiten orientiert er sich nun an kunsthistorischen Vorbildern, mit Wiedererkennungswert, da sie sich in die Kunstgeschichte und in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben. Arbeiten, die man wiedererkennen kann, wie etwa Caravaggios »Grablegung Christi« aus dem Vatikanischen Museum oder Piero della Francesca »Hieronymus«. Letzteres etwa wird vergrößert und »erneuert«. Für den Künstler, wie er im Interview anführt, eine persönliche Sache, eine Art »Selbstbildnis«.

Im Gespräch entwickelt der sympathische, wortgewandte Franzose in blütenweißem Deutsch seine Theorien über die »Selbstwerdung« seiner Arbeiten: »Wenn meine Bilder das Atelier verlassen, entsteht durch den Abstand eine »Entbindung«, dabei erkenne und entdeckt ich meine Arbeit neu. Wenn ich in einem Museum vor einem Kunstwerk stehe, muss ich meine Vorstellung davon komplett auf der Seite lassen und was ich versuche, ist eine total neue Interpretation der Dinge. Meine Augen wollen nur das darstellen, was vor mir steht.« Sehgewohnheiten und handelsübliche Klischees müssen weg. Der Betrachter möge seine »Seh-Erfahrungen« und Erinnerungen aktiv vergessen. Kurator Johannes Rauchenberger erinnert in diesem Zusammenhang an die innere Zerrissenheit Van Goghs und seine Auseinandersetzung mit dem Mystischen. Ähnliches, so der Kultum-Chef, sei bei Bruère zu entdecken: eine gezielte Auseinandersetzung mit dem Mystisch-Sakralen und das ganz ohne Auftrag einer übergeordneten Instanz, wie einem Mäzen oder Gönner. Als Beispiel möge die Beschäftigung mit einer ganzen Reihe von Kreuzigungen fungieren, gemahnend an eine Verlassenheit und Gottferne. Kreuzigung und Kreuze sind die Beschäftigung und nehmen Bezüge an Bruères Kindheitserinnerungen. »Ich wuchs am Land auf, ein Kreuz in der Nähe des Hauses meiner Großeltern hat mich schon als Kind beschäftigt.« Dieses spezifische Kreuz in seiner Biografie interessiert den Künstler bis heute. War es ein Mahnmal, eine Orientierungshilfe in der Weite der Landschaft, ein Ort, der für Kinderaugen weit hin sichtbar und damit am Ende der Welt lag? »Dieses Kreuz hat mich bewegt, die Seelenerfahrung wirkt in den Arbeiten bis heute nach.« Die entstandenen Arbeiten zu diesem Thema sind ein Art Tagebuch mit komplexen Fragestellungen: Wo ist die Grenze zwischen einer Darstellung eines Kruzifixes und die Wahrnehmung im christlichen Kontext? Ist die Abwesenheit des leidenden Körpers schon eine Präsenz des Nichtsagbaren? Nachsatz: »Ich wurde leider nicht religiös erzogen.«

In den letzten Monaten entstanden radikale religiöse Bilder, die aus den zentralen Figurationen des Christentums hervorgegangen sind: neben den Kreuzigungen diverse Adams und Evas, einige Marien, ein Haufen Apostel. Mittendrin verschiedene Varianten von Hieronymus. »War Bruère bislang durch seinen exzessiv-expressiven Malgestus bekannt, reiht er sich nun in die Schatten seiner malerischen Vorbilder ein«, weiß Rauchenberger. Diese Vorbilder sind niemand geringerer als Giorgione, Piero della Francesca, Dürer, El Greco, Caravaggio oder Rembrandt. »Ich lerne malen«, sagt Bruère lakonisch über seine momentane Lebensphase.

Das abschließende Urteil Rauchenbergers über seinen letzten kuratorischen Fang: »Es gibt wohl kaum einen Künstler im internationalen Kunstgeschehen, der sich mit einer derartigen Durchsichtigkeit und Zerbrechlichkeit der ‚alten‘ Gestalten des Christentums annimmt wie Guillaume Bruère.« Gerne schließen wir uns dieser Meinung an. Das Kultum zeigt diesen »Van Gogh der Gegenwart« mit seinen neuesten Arbeiten zur Fasten- und Osterzeit 2021 mit dem Titel »Dead & Alive. Alte Meister« noch bis 8. Mai 2021.

::: Kultum Graz

Alles Kultur, Fazit 171 (April 2021), Foto: Guillaume Bruère

Kommentare

Antworten