Die steirische Wirtschaft steht auf einem guten Fundament
Redaktion | 11. Mai 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Essay, Fazit 172
Ein Essay von Barbara Eibinger-Miedl. Die steirische Landesrätin skizziert im aktuellen Fazitessay, wie die Steiermark nach der Coronakrise zurück auf einen Kurs des Wachstums geführt werden soll.
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MMag. Barbara Eibinger-Miedl, geboren 1980 in Graz, ist seit 2017 als Landesrätin Mitglied der Steirischen Landesregierung. Aktuell für die Ressorts Wirtschaft, Tourismus, Regionen, Wissenschaft und Forschung. fb.com/barbaraeibingermiedl
Die Coronakrise war in Österreich – so wie in allen anderen Regionen der Welt – im vergangenen Jahr das bestimmende Thema. Die Pandemie hat auch in der Steiermark im Frühjahr abrupt zu einer Vollbremsung der Wirtschaft geführt, die davor in unserem Bundesland sehr positiv gelaufen war. Zahlreiche Branchen sind seither von den Auswirkungen massiv betroffen. Dabei sind sich die Wirtschaftsforscherinnen und -forscher einig, dass die Folgen von Corona noch länger zu spüren sein werden.
Unmittelbare Auswirkungen am Beispiel verschiedenster Kennzahlen
Während die Steiermark im Jahr 2019 mit einem realen Zuwachs des Bruttoregionalproduktes von 2 Prozent den höchsten Wert aller Bundesländer verzeichnen konnte, gehen Schätzungen für das Jahr 2020 der Bank Austria vom Dezember 2020 von einem Rückgang in der Höhe von 8,5 Prozent aus. Nach einem Wachstum von 1,4 Prozent im Jahr 2019, brach 2020 das österreichische Bruttoinlandsprodukt laut Statistik Austria um 6,6 Prozent ein. Damit fällt der Rückgang der Wirtschaftsleistung 2020 deutlich höher aus als während der Finanzkrise. Laut aktuellen nationalen und internationalen Schätzungen wird für das reale österreichische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 ein Zuwachs in einer Bandbreite von 1,5 bis 3,5 Prozent erwartet. Für das Jahr 2022 soll der Zuwachs deutlich höher ausfallen und im Intervall 4 bis 5,7 Prozent liegen.
Im Bereich des Exports war die Steiermark im ersten Halbjahr 2020 das am stärksten betroffene Bundesland Österreichs. Bei der Wareneinfuhr war ein Rückgang von 18,2 Prozent zu verzeichnen, die Warenexporte der Steiermark brachen im ersten Halbjahr 2020 um mehr als ein Fünftel ein. Damit betrug die Warenhandelsbilanz der Steiermark rund 2,2 Milliarden Euro und fiel damit um 33,4 Prozent niedriger als im ersten Halbjahr 2019 aus. Dieser massive Abwärtstrend in der Wirtschaft wirkte sich auch unmittelbar auf den steirischen Arbeitsmarkt aus. Im Bereich der Beschäftigungsentwicklung war ein Rückgang von 11.200 auf rund 509.200 unselbstständig Aktivbeschäftigte zu verzeichnen. Dabei waren sowohl Männer (-2,3 Prozent) als auch Frauen (-1,9 Prozent) vom Beschäftigungsrückgang in der Steiermark stark betroffen. Im Jahresdurchschnitt stieg die Zahl der als arbeitslos vorgemerkten Personen um 41,3 Prozent auf einen Durchschnittsbestand von 48.100. Damit stieg die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt deutlich von 6,0 Prozent auf 8,5 Prozent. Österreichweit war die Arbeitslosigkeit mit 10,2 Prozent noch höher. Dabei verzeichnete die Lehre in der Steiermark trotz Pandemie ein geringeres Minus als erwartet. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Unternehmensgründungen. Dem Trend, sein eigener Chef zu werden, hat auch das Coronakrisenjahr keinen Abbruch getan. So wurden im Jahr 2020 4.487 Unternehmen in der Steiermark gegründet, inklusive der Personenbetreuung waren es sogar 5.918. Damit haben sich im Schnitt zwölf Steirerinnen und Steirer pro Tag selbständig gemacht. Gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2019 ist das ein Plus von 2,4 Prozent. Hingegen zählt der Tourismus zu den am stärksten von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffenen Branchen. Dies wird etwa an den Gäste- und Nächtigungszahlen des Jahres 2020 deutlich. Gegenüber den Rekordwerten von 2019 sank die Zahl der Gäste im vergangenen Jahr um über 32 Prozent von vier Millionen auf 2,9 Millionen, jene der Nächtigungen um 25 Prozent von 13,3 auf 10 Millionen.
Mittelbare Auswirkungen, die sich erst in den kommenden Jahren quantifizieren lassen
Die temporäre Schließung des stationären Handels hat zu einer noch stärkeren Dynamik des Onlinehandels geführt, die sich auf einzelne Unternehmen sehr unterschiedlich ausgewirkt hat: Wer schon vor der Krise auf die Möglichkeiten des Onlinehandels gesetzt und dahingehend investiert hatte, konnte Umsatzausfälle während der Handelsschließungen naturgemäß leichter kompensieren als jene Unternehmen, die rein vom stationären Handel abhängig sind. Wie sich der Trend zum Onlinekauf nachhaltig auf den heimischen Handel auswirken wird, ist noch nicht absehbar. Dies ist Gegenstand von Forschungsprojekten, die auch vom Land Steiermark unterstützt werden. Ebenfalls schwer einzuschätzen ist, ob und wann die internationale Reisetätigkeit wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird. Das wirkt sich nicht nur unmittelbar auf den Tourismus, sondern auch auf die internationale Geschäftstätigkeit sowie auf die Wissenschaft und Forschung aus. Corona befeuerte die Nutzung digitaler Plattformen, die neben dem Handel auch die Kommunikation, Zusammenarbeit und den Wissensaustausch verändern werden. Generell ist davon auszugehen, dass die Nutzung von Onlineplattformen zur Kommunikation die berufliche Reisetätigkeit national und international in Teilen kompensieren wird. Dies kann erfreuliche Auswirkungen, etwa für unsere Umwelt haben, aber auch zu massiven Umsatzverlusten von Industriesparten führen. So ist davon auszugehen, dass die derzeitige Wirtschaftskrise den Flugsektor deutlich länger beeinträchtigen wird als andere Branchen. Für die Industrie stellt die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten eine der größten Herausforderungen im Zuge der Coronakrise dar. Der abrupte Abbruch der Reisetätigkeit, aber auch der Einbruch im Warenverkehr haben aufgezeigt, wie abhängig international vernetzte Wirtschafts- und Produktionsstätten voneinander sind. Innerhalb der Europäischen Union gibt es daher Überlegungen und Bestrebungen, durch die Neugestaltung von Lieferketten und die Ansiedelung oder Verlagerung von Zulieferbetrieben wieder mehr Unabhängigkeit in einzelnen Branchen (z.B. in der Pharmaproduktion) zu erreichen. Wie nachhaltig und erfolgreich diese Bestrebungen sein werden, werden die nächsten Jahre zeigen.
Umfangreiche Hilfsmaßnahmen
Die Bewältigung dieser unmittelbaren und mittelbaren Folgewirkungen der Krise stellt die öffentlichen Haushalte auf EU-, Bundes- und Landesebene vor große Herausforderungen. So hat die Bundesregierung zur Bekämpfung der Krise sehr rasch umfangreiche Maßnahmenpakete verabschiedet, die von steirischer Seite mitgetragen und unterstützt wurden. Dazu zählen der Härtefallfonds des Bundes, der Fixkostenzuschuss I und II, ein Covid-Startup-Hilfsfonds, ein Veranstalterschutzschirm, ein umfassendes Garantiepaket für Überbrückungskredite, der Lockdownumsatzersatz, ein Verlustersatz, die Corona-Kurzarbeit, eine Covid19-Investitionsprämie sowie der Corona-Ausfallsbonus. In Summe sind durch diese Maßnahmen bis Anfang März 2021 rund 2,3 Milliarden Euro in die Steiermark geflossen. Dabei haben wir seitens des Landes Steiermark stets darauf geachtet, diese Maßnahmen konstruktiv zu begleiten und entsprechende Verbesserungen und Ausweitungen zu erzielen. Dies ist vielfach gelungen, etwa bei der Ausweitung der Anspruchsberechtigten für den Härtefallfonds, den Hilfsfonds und den Fixkostenzuschuss. Gleichzeitig hat die Landesregierung – aufbauend auf den Maßnahmen des Bundes – entsprechende Hilfspakete geschnürt und umgesetzt. Dazu zählen ein Hilfspaket für Wirtschafts- und Tourismusbetriebe, Unterstützungsmaßnahmen für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch neue Stiftungen, ein umfangreiches Gemeindepaket sowie diverse Unterstützungsmaßnahmen für Kulturbetriebe oder Sportorganisationen. Die von der Landesregierung in einem ersten Schritt im April 2020 beschlossenen Hilfsmaßnahmen hatten das Ziel, die ökonomische Situation der Unternehmen bestmöglich zu stabilisieren und konzentrierten sich auf die Bezuschussung von Zinsen für Überbrückungskredite für Wirtschaft und Tourismus, die Förderung von im Zuge der Covid-19-Krise geschaffenen Telearbeitsplätzen sowie die Unterstützung von Unternehmen durch einen Härtefallfonds des Landes, für jene Fälle, die vom Härtefallfonds des Bundes nicht abgedeckt werden
Ein Konjunkturprogramm für die Steiermark
Ebenso wichtig wie die Maßnahmen zur Soforthilfe waren und sind aber Impulse zur Konjunkturbelebung. Daher wurde bereits im Sommer des Jahres 2020 damit begonnen, ein umfassendes Programm zur Konjunkturbelebung und Bewältigung der Wirtschaftskrise für die Jahre 2021 bis 2023 zu erarbeiten. Die darin ausgearbeiteten Maßnahmen konzentrieren sich auf die Umsetzung der Schwerpunktbereiche »Green Deal und Nachhaltigkeit« sowie der »Digitalisierung« in der steirischen Wirtschaft. Dabei fokussiert sich das weiß-grüne Konjunkturprogramm auf sieben Schwerpunkte:
1. Investitionen in Wirtschaft und Tourismus
2. Offensive im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz
3. Eine verstärkte Digitalisierungsoffensive
4. Ankurbelung der Exportwirtschaft
5. Stärkung der regionalen Wirtschaft und der Ortskerne
6. Unterstützung neuer und vor allem innovativer Unternehmen (»Startupmark«)
7. Ein umfgangreiches Expansionsprogramm für forschungsnahe Infrastruktur
Mit der »Startupmark« werden alle bestehenden Initiativen zur Unterstützung, Betreuung und Förderung von Unternehmensgründungen unter einem Dach vereint, wodurch deren Wirkung erhöht wird. Parallel dazu wollen wir die Zahl innovativer StartUps weiter anheben. Dazu werden die Unterstützungs- und Förderungsprogramme für Start-Ups speziell in den Bereichen Digitalisierung und Green Deal ausgebaut und wir setzen gezielt auf Beteiligungsmodelle, bei denen wir mit privaten Kapitalgebern zusammenarbeiten. Zusätzlich errichten wir neue Gründer- und Impulszentren an der Meduni Graz, der Universität Graz, an der FH Kapfenberg und an der TU Graz. Für die kommenden Jahre ist darüber hinaus die Errichtung von 2-3 zusätzlichen Impulszentren vorgesehen.
Die Steiermark hat ihren Spitzenplatz unter den forschungs- und entwicklungsstärksten Regionen Europas zu einem großen Teil ihren universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und deren Kooperation mit Wirtschaft und Industrie zu verdanken. Forschungsnahe Infrastrukturen – darunter fallen unsere 25 steirischen Comet-Zentren, Impulszentren für innovationsorientierte StartUps, die landeseigene Forschungsgesellschaft Joanneum-Research und seit einigen Jahren das neu gegründete Spitzenforschungszentrum für Mikroelektronik, Silicon Austria Labs, – sind ein wichtiges Fundament für den Erfolg unserer Wirtschaft und für den steirischen Arbeitsmarkt. Daher soll dieses Angebot in den kommenden Jahren schrittweise ausgebaut werden. Geplant ist die Errichtung mehrerer neuer Impulszentren, um die Gründung und Expansion forschungsnaher Spin-Offs und innovativer Start-Ups zu fördern und zu begleiten. Darüber hinaus wird Silicon Austria Labs mit seinem Headquarter in Graz weiter ausgebaut und auch die Erweiterung der steirischen Comet-Zentren und -Projekte vorangetrieben. Die Steiermark wird damit ihren Platz als Österreichs Nr. 1 bei Forschung, Entwicklung und Innovation stärken und ausbauen.
Belebung des Arbeitsmarktes
Eine weitere und wesentliche Herausforderung stellt die Belebung des Arbeitsmarktes dar. Einerseits ist die Arbeitslosigkeit in Österreich und somit auch in der Steiermark im Zuge der Coronakrise auf ein Rekordniveau geklettert. Zur gleichen Zeit hat sich der Fachkräftemangel, unter dem heimische Betriebe aller Sparten seit Jahren leiden, sogar noch verschärft. Unsere Anstrengungen, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten werden sich in den nächsten Jahren noch viel mehr auf den Bereich der Bedarfsorientierung und der zielgerichteten Aus- und Weiterbildung konzentrieren müssen. Dazu braucht es eine noch viel engere Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, die zur Lösung dieses Problems einen Beitrag leisten können. Für den Standort Steiermark ist die Frage der »Human Resources« schon lange zum kritischen Erfolgsfaktor geworden. Dementsprechend müssen sich auch unsere Anstrengungen intensivieren. Zweifelsohne hat die Coronakrise die steirische Wirtschaft, den Tourismus und den Arbeitsmarkt hart getroffen. Aber die Steiermark, als Heimat mutiger Unternehmerinnen und Unternehmer, stemmt sich unermüdlich gegen diese Krise. Denn was im Jahr 2020 ebenfalls sichtbar war, ist das starke Fundament auf dem unser Land in Wirtschaft, Wissenschaft und Arbeitsmarkt steht.
Erfreulicherweise lässt sich aufgrund der bisherigen Erfahrungen feststellen, dass die steirische Wirtschaft auch in Zeiten der Corona-Pandemie investitionswillig ist. So wurden im Jahr 2020 im Tourismus 145 Investitionsprojekte mit einer Gesamtinvestitionssumme von 127,3 Millionen Euro bearbeitet. Im Bereich der Wirtschaft konnten 103 Großprojekte mit einer Gesamtinvestitionssumme von 591 Millionen Euro unterstützt werden. Diese Basis wird gemeinsam mit massiven Anstrengungen der Wirtschaft und der Öffentlichen Hand dazu beitragen, die Steiermark aus der Krise zurück auf einen Kurs des Wachstums zu führen.
Essay, Fazit 172 (Mai 2021), Foto: Lunghammer
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