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Digitale Müdigkeit der Digital Natives

| 11. Mai 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 172, Serie »Erfolg braucht Führung«

Hilfeschrei der Generation Z. Ein Gespräch von Carola Payer mit Nike Payer, Maturantin und Fotografin sowie ihren Freunden Victoria Kogler, Bastian Knapp, Sophia Krasser und Lara Rainer.

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Die Coronakrise und vor allem der letzte Lockdown ohne Perspektive für Normalität hat den Alltag von Kindern und Jugendlichen drastisch verändert. Wie groß die Belastung für junge Menschen ist und wie sehr sie sich auf die jugendliche Psyche auswirkt, haben wir mit Nike Payer, Maturantin an der Ortweinschule Graz, und einigen ihrer Freunde diskutiert. Der Kontakt mit Freundinnen und Freunden, der soziale Austausch mit Gleichaltrigen und der regelmäßige Schulbesuch sind wichtige Elemente für Jugendliche und der psychischen wie psychosozialen Gesundheit von jungen Menschen. »Ein längerer Ausschluss aus diesen Lern- und Erfahrungsräumen schädigt Kinder und Jugendliche in ihrer kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung und hinterlässt Spuren, die schon jetzt sichtbar sind und sich auch für längere Zeit nach der Aufhebung der Restriktionen zeigen werden«, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, deren Vizepräsidentin Kathrin Sevecke ist.

Belastungen im Home Schooling
Nike Payer: »Man nimmt weniger auf und der Lerneffekt ist nicht so wie im Präsenzunterricht. Es ist schwieriger, zuzuhören. Es ist sehr monoton, andauernd auf den Bildschirm zu starren. Die Augen trocknen aus und es ist so ermüdend. Auch der normale Schulweg geht mir ab. Der Überblick über Aufgaben geht verloren. Die Lehrer wollen jetzt alles nur mehr digital und keine Handschrift. Ich brauche, um gut zu lernen, alle Lernformen. Ich lerne zum Beispiel gut durch Schreiben. Das Nachfragen virtuell ist sehr mühsam und man verliert einfach die Lust. Für mich ist das Lernen so nicht effektiv. Die Klasse ist meistens ja via Teams stummgeschaltet. In der Schule kann man immer auch den Nachbarn mal fragen, wenn man etwas ungenau verstanden hat. Man hört und versteht die Lehrer schlecht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Teil im Präsenzunterricht ist und der andere Teil dann zu Hause sitzt. Die Mitarbeit wird auch nicht so wahrgenommen. Oft wird mir einfach während des Unterrichts langweilig und man verfällt sehr leicht in eine depressive oder verlorene Stimmung.« Sophia Krasser: »Psychisch ist es für mich auch ein Auf und Ab. Ich habe gewisse Tage, da will ich nichts machen und mit keinem reden.« Nike Payer: »Ich habe das Gefühl, dass die Vorbereitung auf die Matura nicht optimal ist. Das Tragen von Masken trotz Test ist für mich nicht sinnvoll. Sogar bei den Schularbeiten muss man diese stundenlang tragen. Das hemmt extrem die Konzentration!« Lara Rainer: »Das ständige Sitzen am Computer hat bei mir Einschlafstörungen verursacht. Ich kann mich schon schwer im Präsenzunterricht konzentrieren, da fällt mir der Onlineunterricht gleich noch viel schwerer. Es herrscht immer eine Ungewissheit und es fehlt ein gutes System, mit dem man Lehrinhalte wirklich effektiv online vermitteln kann.« Den Unterricht erlebt Nike Payer eher als sehr monoton: »Es beschränkt sich auf das Hörbare. Vieles wird einfach heruntergeredet.« Bastian Knapp empfindet die Aufgabenvorgaben oft als unrealistisch. Nike Payer: »Die Lehrer versuchen jetzt den Unterricht etwas interessanter zu gestalten. Das Bemühen steigt. Da es schon zu lange dauert, erkennt man jetzt, dass die Lehrer uns mehr unterstützen und helfen möchten, anstatt uns zu überfordern und mit Aufgaben zuzumailen!« Victoria Kogler: »In meinem Fall war das große Problem, das mich echt Nerven gekostet hat, die schlechte Internetverbindung bei mir zu Hause, sodass man nur die Hälfte bis gar nichts vom Online-Unterricht mitbekommen hat. Auch das Lehrer nach fünf oder mehr Stunden Videokonferenzen von dir noch immer volle Aufmerksamkeit und Konzentration gefordert haben, finde ich nicht ok!«

Postive Effekte des Home Schoolings
Nike Payer und Victoria Kogler finden die Möglichkeit, mehr Zeit für den Ausgleich zu haben, am positivsten. Nike Payer: »Da ich gerne Sport mache, investiere ich die Zeit dorthin. Man kann rausgehen, sich bewegen. Die Zeiteinteilung ist ganz eine andere, weil auch die Wegzeiten wegfallen. Wenn man am Vormittag alles erledigt hat, hat man den Nachmittag frei. Ich schätze jetzt vermehrt die Möglichkeit, wenn ich mit jemandem qualitative Zeit verbringen kann« Sophia Krasser: »Ich bin aber sehr viel selbstständiger geworden, weil ich nicht fünf Tage die Woche in der Schule bin und alles selbst einteilen muss.« Victoria Kogler: »Als Schülerin, der das Lernen ‚leicht‘ fällt, sehe das Home Schooling eigentlich als etwas Positives. Vor allem in meinem Fall, da ich nicht jede Woche nach Graz pendeln musste. Auch das eigene Einteilen der Zeit bringt sehr viele Vorteile mit sich.«

Motivation hochhalten
Sophia Krasser: »Meine letzte Motivation bekomme ich durch meinen Freund, meine Eltern und Ziele, die ich in der Zukunft erreichen will.« Nike Payer betont: »Es ist die Routine, die mich motiviert. Da bleibe ich halt dran. Es bringt mir nichts, wenn ich nicht im Online-Unterricht anwesend bin. Ich möchte was lernen und die Themen interessieren mich. Ich brauche den Stoff für die Matura oder eine gute Note. Ich stehe meistens sehr früh auf, schlafe auch um einiges mehr, betreibe regelmäßig Sport und bewege mich viel, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt. Ich koche oft und mache auch Yoga zu Stabilisierung.« Jedoch fordert es sie, so viel Zeit zu Hause verbringen zu müssen: »Es ist einfach langweilig und man fühlt sich echt oft verloren. Die Zukunft ist sehr unberechenbar, nicht planbar. Man verliert sich in sich selbst. Man kann sich nicht austoben, mit Freunden treffen, Spaß haben. Keine Interaktion mit Freunde, Familie, Bekannten zu haben, tut was mit mir. Facetimen ist alles andere als eine Lösung! Es geht mir einfach zu viel das Leben ab – balance is the key. Psychisch ist der Anstrengungslevel für mich ganz ein anderer. Durch das ständige Alleinsein fängt man an, mit schlechten Dingen des Lebens zu kompensieren. Die Stimmung schwappt dann oft in die Depression über. Das macht mir schon Angst, wenn ich in die Zukunft schaue.«

Bastian Knapp meint dazu: »Man darf nur ja nicht anfangen Serien zu schauen, das ist der Untergang!« Victoria Kogler: Ja, all die Ablenkungsmöglichkeiten, wie Handy, Internet … stellen einfach eine zu große Versuchung dar, der man meist nicht widerstehen kann. Lara Rainer: »Ja, man muss das Handy wirklich außer Reichweite haben.« Sophia Krasser: »Wichtig ist auch, nicht bis zu Mittag schlafen, sondern um die gewohnte Uhrzeit aufzustehen, Arbeitsaufträge direkt zu erledigen und nicht bis kurz vor Schluss hinauszögern.« Victoria Kogler: »Größte Motivation war das Spazierengehen zwischendurch.” Sophia Krasser: »Ich hätte lieber wieder Präsenzunterricht. Es ist mein letztes wirkliches Schuljahr und in diesem Jahr sehe ich meine Klassenkameraden kaum und wenn, nur einen Teil davon. Die Klassengemeinschaft hat sich extrem verschlechtert.« Victoria Kogler: »Man darf nur nicht an der Situation verzweifeln.« Nike Payer: »Bitte lasst uns wieder raus, wir wollen das Leben und die Jugend spüren!«

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 172 (Mai 2021), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 39)

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