Politicks Mai 2021
Johannes Tandl | 11. Mai 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 172, Politicks
Die »Steiermark-Schau«
übertrifft die Erwartungen
Mit der Steiermark-Schau ist dem Kulturressort des Landes unter Kulturlandesrat Christopher Drexler endlich ein Nachfolgeformat für die Landesausstellungen und Regionalen gelungen. Die Landesschauen hatten sich nach einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte Mitte der Nullerjahre endgültig totgelaufen und die darauffolgenden drei Regionalen waren bloß künstlerisch interessant. Ihnen fehlte aber der erforderliche Publikumszuspruch, um zur kulturellen Visitenkarte der Steiermark zu werden. Das ist der Steiermark Schau trotz Pandemie bereits nach wenigen Wochen gelungen. Die Eröffnung des Ausstellungshighlights, eines mobilen Pavillons, auf dem Wiener Heldenplatz ist zwar dem inzwischen zweimal verlängerten Wiener Osterlockdown zum Opfer gefallen. Die breite mediale Berichterstattung über die virtuelle Eröffnung könnte das bisher vor allem vom Steiermark-Frühling dominierte, folkloristische Steiermark-Bild in der Bundeshauptstadt dennoch in Richtung Kultur, Volkskultur und Innovation korrigieren.
Natürlich hätte Landesrat Drexler die Möglichkeit gehabt, die gesamte Steiermark-Schau auf die Zeit nach Corona zu verschieben. Aber es war wohl richtig und wichtig, der Pandemie zu trotzen. Der Kulturpolitiker sieht in der Schau daher nicht nur eine Liebeserklärung an die Steiermark und eine Reflexion des Steirischen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln, sondern er sieht in ihrer Durchführung einen Lichtblick am Ende einer wegen der Pandemie für die Kultur sonst so düsteren Phase.
Die Grazer Ausstellungsorte – das Museum für Geschichte (was war), das Kunsthaus (was sein wird) und das Volkskundemuseum (wie es ist) – stehen den Besuchern ohnehin seit der Eröffnung in vollem Umfang zur Verfügung. Die Inhalte des mobilen Pavillons (wer wir sind) gibt es vorerst allerdings nur als virtuellen Rundgang zu sehen und hören. Von 8. Mai bis 31. Oktober wird der Pavillon aber – von Wien aus – nach Hartberg, Spielberg, Schladming und Bad Radkersburg weiterwandern und die Besucher nicht nur digital, sondern auch real begeistern. Obwohl es keine Schulklassen, Busausflügler und Seniorengruppen unter den Besuchern geben wird, hat die Schau sowohl an den Grazer Standorten als auch im mobilen Pavillon das Potenzial zum Besuchermagneten – mit der Strahlkraft eines „Must-see“ über die Landesgrenzen hinaus.
Der Turnschuhminister
Selten hat ein Minister seine Angelobung durch den Bundepräsidenten so in den Sand gesetzt wie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. Für den ersten Eindruck gibt es nun einmal keine zweite Chance. Statt eines akkuraten Technokraten, der das Land als Gesundheits- und Sozialminister gemeinsam mit Bundeskanzler und Vizekanzler aus der Pandemie führen will, bleibt in den Köpfen der Österreicher das Bild eines schlampig gekleideten grünen Turnschuharztes hängen, der glaubt, dass es cool sei, wenn er dem Präsidenten, seinen Regierungskollegen und vor allem seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitsministerium signalisiert, dass es ihm völlig egal ist, wie und was die Menschen außerhalb der grünen Bubble von ihm denken.
Sein Auftritt bei einem ausnahmsweise nicht auf Krawall gebürsteten Armin Wolf in der ZIB2 war trotzdem wohltuend. Mückstein blieb besonnen und ließ sich nicht aus der Reserve locken. Er verteidigte ein strikt faktenbasiertes Vorgehen bei sämtlichen weiteren pandemiebedingten Lockerungen und Verschärfungen und ließ sich auch nicht darauf ein, Trennlinien zu den Landeshauptleuten und zur ÖVP zu definieren.
Der praktische Arzt – er leitete bisher in Wien ein Primärversorgungszentrum – machte einen besonnenen Eindruck. Anders als seinem gescheiterten Vorgänger schien ihm bewusst zu sein, dass nicht die nächsten 14 Tage die entscheidendsten der ganzen Pandemie sein werden, sondern dass es darum geht, die Bevölkerung dauerhaft davon zu überzeugen, wie sinnlos weitere Lockdowns sind, wenn die Corona-Regeln zwar in der Öffentlichkeit, nicht aber im privaten Bereich eingehalten werden.
Noch vor seiner Angelobung hat Mückstein übrigens die Landeshauptleute und Landesgesundheitsreferenten durchtelefoniert, um sich vorzustellen und erste Ideen zu präsentieren. Damit hat zumindest bei den Verantwortlichen in den Bundesländern durchaus einen positiven Eindruck hinterlassen. Jetzt mag es zu den Basics gehören, dass ein neuer Minister unmittelbar nach Ernennung mit den wichtigsten Stakeholdern spricht. Von jemanden, der sich in einem schlecht sitzenden Anzug und mit Turnschuhen der Marke »New Balance« an den Füßen vereidigen lässt, war diese Art von professioneller Kommunikation nicht unbedingt zu erwarten.
Aus dem Umfeld des Bundeskanzlers ist übrigens zu erfahren, dass Sebastian Kurz seit dem Rücktritt von Rudolf Anschober spürbar besser gelaunt ist. Das Verhältnis zwischen den beiden dürfte daher noch schlechter als ohnehin vermutet gewesen sein. Auch dass Anschober bei seiner Abschiedsrede der ganzen Welt – nur nicht dem Bundeskanzler – dankte, illustriert das ziemlich zerrüttete Verhältnis zwischen den obersten Pandemie-Bekämpfern der Republik gut.
Trotz Chatprotokollen und
Corona ist die ÖVP schon
wieder auf dem Vormarsch
Bei der letzten Prognose zur Sonntagsfrage (Research Affairs für die Tageszeitung Österreich vom 15. April) erreichte die ÖVP übrigens wieder 36 Prozent, nachdem eine Umfrage von Unique Research wenige Tage zuvor (für Profil am 10. April) nur mehr 33 Prozent für die Kanzlerpartei ausgewiesen hatte. Das ist umso erstaunlicher, da unmittelbar vor dem Befragungszeitraum zahlreiche weitere – die ÖVP belastende und eines Kanzlers und seines Umfeldes unwürdige – Chatnachrichten geleakt wurden.
Bei den Wählern scheint sich der Eindruck durchzusetzen, dass es sich bei diesen WhatsApp-Chat-Inhalten bloß um digitales Stammtischgeschwätz handelt, das ebenso wenig an die Öffentlichkeit weitergegeben werden hätte dürfen wie womöglich manche Inhalte auf den eigenen Mobiltelefonen.
Die SPÖ kam bei dieser Umfrage, nachdem sie wochenlang bei etwa 25 bis 26 Prozent lag, nur auf 21 Prozent, die FPÖ auf 18 und die Neos schlossen zu den Grünen mit jeweils 11 Prozent auf.
Der Befragungszeitraum ging übrigens mit sich stabilisierenden bis leicht sinkenden Corona-Neuinfektionszahlen einher. Vielleicht haben jene Meinungsforscher recht, die seit Monaten behaupten, dass sämtliche Umfragewerte derzeit ausschließlich vom Pandemieverlauf bestimmt werden. Nachdem sich die Bevölkerung zu Beginn ängstlich um den Kanzler scharte, was zu türkisen Rekordwerten führte, begann die Zustimmung zur ÖVP ab Herbst – einhergehend mit der Corona-Müdigkeit und dem Lockdown-Frust – deutlich zu sinken.
Dass nun, nachdem ein Viertel der Bevölkerung bereits mindestens einmal geimpft ist und die Neuinfektionszahlen endlich ihren Schrecken verlieren, die Zustimmung zur Volkspartei wieder steigt, könnte ein Indiz für die Richtigkeit der These sein, dass weder die Chats der türkisen Buben noch die Novomatic-Affäre oder die Schmid-Bestellung das Verhalten der Wähler nachhaltig beeinflussen kann. Das Einzige, das zählt, ist offenbar die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie. Damit wird auch das ausgegebene ÖVP-interne Wording von einer breit angelegten und gut akkordierten Verschwörung sämtlicher missgünstiger Kräfte in Opposition, manchen Medien und Justiz, denen jedes Mittel recht sei, um den herausragenden und mit lauteren Mittel nicht besiegbaren Sebastian Kurz zu schwächen, hinfällig.
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