Vom Homeoffice zurück ins Office
Carola Payer | 31. Mai 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 173, Serie »Erfolg braucht Führung«
In der aktuellen Folge beschreibt Carola Payer eine »Rückkehr mit gemischten Gefühlen«.
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Die Arbeit zu 100 Prozent aus dem Homeoffice zu erledigen ist für Mitarbeiter einiger Unternehmen im letzten Jahr zur Normalität geworden. Das hatte auch Auswirkungen auf die Bereitschaft von Firmen, Mitarbeitern auch in Zukunft Homeofficetage zu gewährleisten. Viele Betriebsvereinbarungen wurden neu aufgesetzt. Homeofficemöglichkeiten wurden sogar bei zuvor erzkonservativen und absoluten Homeofficeverweigerern zur Realität. Aber auch die Mitarbeiter sind erst durch die Coronakrise mehr auf den Geschmack gekommen. Vor 2019 boten viele größere Unternehmen oder kleine dynamische Startups schon Arbeitsplätze von zu Hause an. Diese wurden aber laut einer Studie von bitkom vor der Coronakrise von Mitarbeitern meistens nur bei bestimmten Situationen (z. B. Kinderbetreuung) genutzt. Der Trend zum Homeoffice ging 2019 sogar nach unten. Lockdownbedingt tummeln sich nun alle Generationen von Mitarbeitern nicht nur in Meetings via »Teams«, »Zoom« oder »Webex«, sondern bewegen sich schon fast selbstverständlich in komplexeren Formaten wie zum Beispiel Assessment-Centern. Technische Voraussetzungen wurden rasend schnell realisiert. Bei einigen wächst schön langsam die Sehnsucht, wieder im Unternehmen zu arbeiten, aber es gibt auch viele, die sagen: »Ich will nicht mehr zurück ins Büro.« Für Führungskräfte wird es zunehmend ein Thema, sich mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen an Nähe zum Team und Präsenzzeit im Büro auseinanderzusetzen. Die Arbeit zuhause wird in Zukunft kein »Mitarbeitergoodie« mehr sein, sondern eine sinnvolle Gestaltung der Arbeitsplätze aufgrund des Auftrages von Abteilungen. Organisationsziele, Mitarbeiterbedürfnisse und Erwartungen der Teams gut abzustimmen, ist ein wesentlicher Punkt auf der »Post-Corona-To-do-Liste«.
In Ruhe seine Arbeit tun
Viele Mitarbeiter schätzen es, ihre Aufgaben viel konzentrierter und ohne Störungen durchführen zu können. Das spontane »Reinschauen bei der Tür« fällt weg. Insbesondere Arbeitnehmer, die in Großraumbüros unter der Offenheit des Arbeitsplatzes hinter ihrer Koje (oder dem als Schutzschild installierten Blumentopf) gelitten haben, genießen es, ohne Hintergrundgeräusche ihre Arbeit zu tun. Für diesen Typus Mensch ist das Homeoffice eine Stressbremse. Doch wo viel Ruhe ist, lauert um die Ecke auch die Vereinsamung oder ein »sich nur mehr auf seine Sache konzentrieren«. Bei Post-Corona-Teamentwicklungsmaßnahmen ist auch in manchen Fällen eine größere Selbstbezogenheit und Desinteresse an den Themen der anderen erkennbar. Wer sich schwer abgrenzen kann zu anderen Haushaltsmitgliedern, präferiert sehr oft wieder, im Büro den klaren Rahmen für die Arbeitszeit und -themen zu haben.
Großer Benefit: der wegfallende Weg zur und von der Arbeit
Keine Rushhour, nicht ins Auto steigen müssen, keine Schweißschwaden in den Öffis, eventuell auch länger schlafen oder die Fahrtzeit alternativ für Morgenyoga, ein Läufchen oder ein Frühstück in Ruhe verwenden. Ein Teil an Lebensqualität, das durch das Homeoffice gewonnen werden kann. Dem gegenüber steht, dass für manche der Fahrtweg eine Art Psychohygiene darstellt, wo man von der Firma abschaltet und dann ins Privatleben übergeht. Von früh bis spät im gleichen Umfeld mit allen Familienmitgliedern zu sein, liegt auch nicht jedem. Es ermöglicht dann eventuell doch nicht, statt in die Fahrtzeit in die eigenen Bedürfnisse nach Ruhe oder Ausgleich zu investieren. Relativ schnell erkennen Haushaltsmitglieder, wie sie die gewonnene Zeit des Arbeitspendelns für sich nutzen können. »Nein-Sagen« und »Eigenraum-Schaffen« müssen dann gelernt werden. Einige Arbeitnehmer erleben, dass durch Ablenkungen zu Hause die gewonnene Zeit auch schnell wieder »verplempert« werden kann. Normal verbringt man zu Hause ja seine Freizeit und ist eventuell so darauf konditioniert. Daraus erwächst die Gefahr, sich leicht ablenken zu lassen. Einige nutzen auch die Bequemlichkeit, nicht aus dem Haus zu gehen und tagein, tagaus im Schlabberpullimodus zu verbringen. Die Vorstellung, sich jetzt für das Büro wieder ansehnlich zu machen, wird als anstrengend empfunden.
Schnell mal was klären
Was viele Mitarbeiter anführen, ist die fehlende Möglichkeit, halt nebenbei schnell was mit dem Kollegen zu klären oder in der Kaffeeküche zu besprechen. Die virtuellen Räume stehen da mehr im Weg, als dass sie dafür geeignet sind. Viele führen auch an, dass, wenn man den ganzen Tag online sein muss, man keine Lust mehr hat, Teammitglieder einfach mal so anzurufen. Gerade sehr gesellige Personen leiden darunter, immer nur gezielt in Kontakt zu treten. Nachdem der Austausch beim Feierabendbier oder mit Freunden in der Bar auch nicht möglich ist, machen sich bei einigen auch aggressive oder depressive Stimmungen bemerkbar. Weiters fällt der »Flurfunk«, der zur Verbreitung der letzten Neuigkeiten gute Dienste leisten kann, weg.
Misstrauen in die Arbeitsleistung
Viele Chefs haben immer noch Angst, dass ihre Mitarbeiter zuhause nicht genug leisten. Hier brauchen gute Vereinbarungen Vertrauen als Grundlage. Wer immer wieder daran zweifelt, dass seine Mitarbeiter nicht genug arbeiten bzw. es sich im Homeoffice zu gemütlich machen, muss einen Schritt zurück machen. Fehlende Kooperationsvereinbarungen zur Klarheit einer Stelle müssen eventuell überprüft werden: Sind Aufgaben und Erwartungen gut genug definiert? Wurde der Output der Leistung definiert? Sind quantitative und qualitative Ziele definiert? Wurden Teambeiträge vergeben und reflektiert? Wem klar ist, wie ein Mitarbeiter effizient, effektiv und wirksam ist, interessiert dessen Gestaltung der Arbeitszeit nur wenig. Nicht abheben, obwohl man es eh schon so oft probiert hat, obwohl kein Termin im Outlook-Kalender steht, reicht für manche, am Fleiß der Mitarbeiter zu zweifeln. Im Büro wird Anwesenheit zu oft als Kriterium für Engagement bzw. Überprüfbarkeit der Leistung gesehen. Die Anzahl der Arbeitsstunden in der Leistungsaufzeichnung müssen aber noch gar nichts aussagen. Daher kann die »Büro oder Zuhause«-Debatte eventuell endlich auch dazu beitragen, neu über Arbeit und den Rahmen für Arbeit nachzudenken. In Organisationen, wo man schon in klarer Auftragsklärung und Erwartungshaltung sehr weit ist, sind Diskussionen, wo jemand seine Arbeit tut, schon lang kein Thema mehr. Auf der anderen Seite neigen manche Charaktere von Mitarbeitern dazu, noch mehr zu tun, als im Office. Sie können schwer aufhören, gehen immer wieder an ihren Arbeitsplatz und neigen zu Überlastungssyndromen.
Raum für Kreativität
Wer wochenlang beim Arbeiten zuhause sein Süppchen kocht, hat eine eingeschränkte Bandbreite an Ideen und Sichtweisen. Natürlich kann in virtuellen Settings gerade an konkreten Problemstellungen gut gearbeitet werden. Viele digitale Werkzeuge zur Zusammenarbeit sind schon sehr professionell. Aber es gibt eben auch noch das »Resonanzprinzip«, eine Schwingung, die zwischen Menschen entsteht, wenn sie direkt im Kontakt stehen. Auch der Teamgeist fördert die Motivation für besondere Leistungen und Herausforderungen. Gelebte Zugehörigkeit war und ist für Unternehmen ein Kreativitätsmotor. Bei hohem Homeofficeanteil ist daher das Planen von Gelegenheiten zu kreativem Austausch abseits von konzentrierten Informations- und Umsetzungstreffen enorm wichtig. Das fördert auch, dass sich Mitarbeiter intensiver kennenlernen und Potenziale sichtbar werden. Homeofficemöglichkeiten erweitern natürlich auch für Unternehmen den Markt an potentiellen Mitarbeitern. Recruiting ist jederzeit quasi weltweit möglich. Damit kann der Rahmen für Sichtweisen aus den verschiedensten Kontexten und Hintergründen noch mal ausgeweitet werden. Homeoffice hin oder her, das ist die Frage! Eine Frage, mit der sich Organisationen in den nächsten Jahren sicher noch viel befassen werden. Einerseits aus den Anforderungen der neuen Generationen und der Engpässe am Arbeitsmarkt. Eventuell auch aus Kostengründen oder wegen eines vollkommen neuen Verständnisses von Arbeit. Hoffentlich nicht mehr aufgrund einer Pandemie!
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Dr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at
Fazit 173 (Juni 2021), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 40)
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