Lokal versus International
Michael Petrowitsch | 2. Juli 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 174, Kunst und Kultur
Das Paradefestival stellt sich seit drei Jahren neu auf und wird wohl, so macht es die Programmvorschau deutlich, im vierten Jahr dort ankommen, wo die derzeitig handelnden Protagonisten hinwollten. Ein Vorabloblied auf eine breite Konzeption mit dem behutsamen, aber (noch) nötigen Ausgleich zwischen Lokal- und Internationalisierung.
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Seit der Autor dieser Zeilen das Licht der Welt erblickt hat, gibt es dieses Festival. Zufall? Schicksal? Gefühlt seit dieser Zeit gibt es ebenso die lähmende Diskussion, wie »steirisch« denn »der Herbst« nun wirklich sein soll. Wie gut, dass Henriette Gallus, ihres Zeichens Debuty Director, in ihrem pressekonferenziellen Statement im wunderschönen Innenhof des Palais Attems bei strahlender Junisonne gleich klarstellte, dass der Anteil der mitpartizipierenden lokalen Künstler und Initiativen in der Zeit unter Ekaterina Degot deutlich höher ist als unter den Vorgängern.
Zum gleichen Anlass erhellt Intendantin Degot und stellt klar, dass alle Arbeiten des »herbst« Auftragsarbeiten sind. Also frisches und erfrischend neues Material. Das freut das Kulturkonsumentenherz. Zudem ist die lang angedachte Verlängerung des Festivalzeitrahmens nun auch endlich Realität, man beginnt früher, nämlich bereits am 9. September. Viele kleine Programm- bzw. Parallel- und dennoch wichtige Eckpunkte starten bereits im Sommer oder haben bereits begonnen, wie etwa die grandiose Schau »Einatmen-Ausatmen« im Kultum. Die Rabtaldirndln und Stubenrein starten in ihren Outlets Murau und Hainersdorf ebenfalls in Bälde. Neben den ohnehin bekannten und hier nicht weiter zu erwähnenden Fixstartern aus der »Grazer Szene« freuen wir uns schon ganz besonders auf die neue coole Location Annenstr. 53 mit Milica Tomic. Am Start ist auch und zum zweiten Mal mit spanendem Programm, kuratiert vom stets eloquenten Klaus Kastberger, das Literaturhaus Graz. Erfreulich Diskursives wird es vom frischformierten Führungsteam, den Youngsters vom Forum Stadtpark, die mit Elan das ergraute Haus in eine neue Zeit führen wollen, geben.
Aber was spielt sich denn so ab in der großen weiten Welt, die es auch noch gibt? Man pflegt weiterhin intensive sind Kontakte in den Süden. Theater aus Laibach ist genauso vertreten. Große Namen wie Thomas Hirschhorn und Rosemarie Trockel, Hans Haacke und Phil Collins (nicht den Musiker, wie die Kuratoren Christoph Platz und Dominic Müller augenzwinkernd betonen) werden den September und Oktober 2021 in Graz bereichern. Apropos Stadtbild und öffentlicher Raum: Auch hier wird es weise Antworten auf mögliche Fragestellungen geben. Betont wird im Programm der proaktive Akt, die Stadt zur Bühne zu machen. So wird der öffentliche Raum besetzt mit Straßeninterventionen von Sophia Brous. International gesehen wird also reichlich geklotzt und gar nicht erst gekleckert und das ist unterstützenswert und für die nächsten Jahre ausbaufähiger. Man möchte gar applaudierend meinen, dass die Entwicklung Richtung Kasseler Documenta wohlige, stete eherne Formen annimmt.
Vielleicht wagt man einst den revolutionären Schritt, komplett auf Lokales zu verzichten und rein die Internationalität zu forcieren? Müssen Menschen, die im steirischen Kulturgeschehen im Jahreslauf ohnehin unvermeidbar immer wieder aufpoppen, mit dem »steirischen herbst«-Pickerl ausgestattet werden? Die schaffen das auch ohne Handerlhalten, die sind groß genug. Vielleicht will man den Sprung in die Totale der Internationalisierung wagen? Hier noch als Gedankenspiel, ein Experiment wäre es wert. Die lokale Szene würde es überleben, das Festival vollkommen neu ausgerichtet.
Steirischer Herbst 2021
The Way Out
9. September bis 10. Oktober
steirischerherbst.at
Alles Kultur, Fazit 174 (Juli 2021), Illustration: Steirischer Herbst
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