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Die Kunst der richtigen Ernährung

| 30. November 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 178, Fazitbegegnung

Foto: Heimo Binder

Gesundheit und Wohlbefinden – klingt nach einem bescheidenen Ziel, aber nur für den, der es schon erreicht hat. Wer sich erst auf dem Weg dorthin befindet, schätzt die Wertigkeit dieses Ziels höher ein. Viel höher. Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts, sagt der Volksmund. Die Wissenschaft vergleicht mittlerweile Gehirn und Gedärm, vermeint Parallelen oder gar Zusammenhänge zwischen Hirn und Darm zu erkennen. Frage: Wie wichtig ist die Ernährung wirklich und gibt es dafür ein Rezept?

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Dafür ist Meinrad Lindschinger Experte. Er gründete 1998 das Institut für Ernährung und Stoffwechselkrankheiten in Laßnitzhöhe, ist Internist, Kneipparzt, Stoffwechsel- und Ernährungsmediziner: »Wir sind so ziemlich die einzigen, die routinemäßig Diagnosen bis zur molekularen Ebene, das sind die Funktionen der Zelle, erstellen. Das heißt, wir messen bei den Patienten etwa den oxidativen Stress, wir messen die Antikörper gegen die Zellveränderungen und machen sämtliche internistischen Kontrollen, wie Gefäße, Herz, Kreislauf, Leber, Nieren.« Dazu gehört auch alles, was mit dem Darm zusammenhängt, von Übergewicht über Lebensmittelallergien bis zu Problemen von Sportlern. Kernstück ist dabei die Erstellung eines individuellen Ernährungskonzepts: »Denn ein Hirnarbeiter hat völlig andere Nährstoffbedürfnisse als ein Kräuterzüchter von der Alm.« Wobei nicht nur Verwaltungsbeamte und Journalisten zu den Hirnarbeitern zu zählen sind, sondern zum Beispiel auch Fernfahrer, deren Geist wegen des Straßenverkehrs ständig gefordert ist.

Seine Grundregel lautet daher: Man muss die Ernährung an die Bedürfnisse des Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Doch hätten sich starre Ernährungsempfehlungen, die mit dem Speiseplan enden, als nicht sehr erfolgreich herausgestellt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Verstoffwechselung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein kann. Erst eine Bedarfsanalyse des erwähnten Hirnarbeiters, der etwa erhöhte Bedürfnisse beziehungsweise Defizite an Nervenüberträgersubstanzen oder Antioxidantien hat, schaffe Abhilfe: »Weil wir wissen, welche Lebensmittel diese Defizite auffüllen.« Dafür sortiert der Ernährungsexperte qualitative Warenkörbe, die in ihrer quantitativen Vielfalt eine möglichst große Auswahl an Lebenmitteln und deren Kombinationen bieten. So ergeben sich Warenkörbe für Antistressernährung, solche für Hirnernährung, für Sport, für Kombinationen und so weiter. »Seitdem sind wir wirklich erfolgreich, weil wir die Ernährung auf den Punkt bringen. Das heißt, sie muss durchführbar sein, sie muss gut schmecken, sie muss beschaffbar sein, sie muss auch familiär tauglich und einfach kommuniziert sein.«

In seinem Buch über »Functional Eating« hat Meinrad Lindschinger schon vor einigen Jahren einen Leitfaden für ausgewogene Ernährung erstellt. Nicht in Form einer Diät, sondern als »Ernährungsphilosophie«: keinesfalls auf irgendetwas verzichten, sondern aus dem gesamten Spektrum an Lebensmitteln schöpfen, allerdings in der richtigen Kombination und im richtigen Verhältnis. Diese »bilanzorientierte Ernährung« ist erlernbar. Sie ist einerseits eine Rückbesinnung auf alte Esskulturen, geht aber zugleich von der traditionellen Verteilung der Mahlzeiten auf dreimal täglich weg und nimmt vielmehr Bezug auf den persönlichen Tagesrhythmus und die geänderten Nahrungsbedürfnisse. Letztlich soll bilanziert werden, welche Energiemenge der jeweiligen Situation in der man sich befindet, entspricht. So gesehen, kann es keine einzige Wahrheit und kein einfaches Rezept für »richtige« Ernährung geben. – Wenn wir gestresst sind, müssen wir andere Lebensmittel konsumieren, als wenn wir unsere geistige Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen müssen oder Sport treiben möchten, so Meinrad Lindschinger im Vorwort seines Buchs. So lernen wir von ihm auch, dass sich Lebensmittel durch Kombination gegenseitig aufwerten, zum Beispiel, wenn man pflanzliches (Erbsen) und tierisches (Rindfleisch) Eiweiß zusammen verzehrt. »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile« gilt offenbar auch beim Essen.

Meinrad Lindschinger wurde am 22. 10. 1960 in Sankt Peter am Kammersberg in eine hochmusikalische Familie geboren, die mit Futtermittel und Landmaschinen handelte; seine Schwester ist ebenfalls Medizinerin. Während seiner Studienzeit in Graz war er ÖH-Vorsitzender (Aktionsgemeinschaft) und Studentenvertreter im Diösezanrat. 1998 gründete er in Laßnitzhöhe das Institut für Ernährung und Stoffwechselkrankheiten mit acht Mitarbeitern. Der dreifache Vater ist dort ärztlicher Leiter, Facharzt für Innere Medizin, Ernährungsmediziner, Kneipp-Arzt und Begründer des Ernährungskonzepts »functional eating«.   lindschinger.at

Fazitbegegnung, Fazit 178 (Dezember 2021) – Foto: Heimo Binder

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