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Außenansicht (30)

| 16. März 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 180

Wir müssen über die Zukunft unserer Medien nachdenken. In irgendeiner Statistik betreffend Pressefreiheit ist Österreich angeblich abgerutscht in der Bewertung und zahlreiche Kommentatoren veröffentlichten ihre eigenen Analysen dazu. Da sahen die einen den viel zu großen Einfluss der Politik durch Vergabe von Inseraten, andere beklagten direkte Interventionen von Parteien bzw. Politikern und manche bemängelten die intransparente Verteilung der Presseförderung. Nur eine Gruppe kam als mögliche Verantwortliche nicht vor: die Journalisten. Allerdings auch nicht die Herausgeber oder Verleger.

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Wenn man ein angeblich korruptes System kritisiert, sollte man es vorher beschreiben. Beeinflusst der oder die den oder die, dann entsteht eine Verbindung von »Geben und Nehmen«. Wenn staatliche und halbstaatliche Institutionen sinnlose Inserate schalten und damit eine Zeitung, eine Zeitschrift finanziell unterstützen, so stehen auf der anderen Seite die Verantwortlichen für das Produkt, die diese Anzeigen gerne annehmen. Inserat ist allerdings nicht Inserat. Wenn eine Möbelfirma eine Marketingstrategie mit einer bezahlten Anzeige unterstützt, ist das etwas anders, als wenn die Wiener Stadtwerke ihren Service mit einem Eigeninserat loben. Hier wird es problematisch, und der Verdacht, dass sich eine politisch kontrollierte Verwaltung damit einen gewissen »Goodwill« erkauft, ist berechtigt.

Doch das Wort Pressefreiheit hat auch in der Umkehr der Deutung eine wichtige Botschaft. Wenn die Presse »frei« sein möchte, müsste sie sich von finanziellen Einflüssen befreien, die mit einer Erwartungshaltung verbunden sind. Finanzielle Einbußen durch Verlust von Werbung und geringeren Verkauf der Zeitungen zwingen Verleger immer mehr zu Kompromissen. War es in der Vergangenheit undenkbar, dass redaktionelle Beiträge an Anzeigen gekoppelt sind, wird diese Trennung heutzutage mehr und mehr verwässert. Der kommerzielle Druck zwingt Verleger von Produkten mit geringer Auflage oder Nischenprodukten oft in Situationen, die vor wenigen Jahren nicht vorstellbar gewesen wären.

Doch was ist die Lösung? Zumindest von Seiten der Steuerzahler kann erwartet werden, dass die Verteilung von Inseratengeldern nicht den politisch Verantwortlichen zufällt. Inseratengelder könnten in den Topf der Medienförderung fließen und dann verteilt werden. Aber wer sollte wie viel bekommen? Ein Vorschlag eines prominenten ORF-Journalisten liess aufhorchen: Die Qualitätsmedien sollten vom Staat besser finanziell unterstützt werden. Wer jedoch soll entscheiden, was Qualität ist und was nicht?

Während der Interviews in der Zeit-im-Bild-2 zum Beispiel, werden die Interviewten mit Kommentaren bestimmter Zeitungen konfrontiert, fast ausschließlich aus der Süddeutschen Zeitung und der Hamburger Zeit. Die Welt, die NZZ aus der Schweiz oder die Frankfurter Allgemeine kommen als Quelle offenbar nicht in Frage. An dieser »Nebensächlichkeit« ist bereits zu erkennen, wie politische Vorurteile und ein Segmentdenken den »Wert« einer Zeitschrift beurteilen. Sogenannte Qualität ist heute von entsprechenden inhaltlichen Erwartungen nicht mehr zu trennen. Und da sich der Berichtteil in den Medien immer mehr in Richtung Kommentar verändert und eben mit Meinung überlagert wird, ist eine solche Bewertung der angeblichen Qualität in Wahrheit eine Bewertung der politischen Position.

Soll also der Markt entscheiden über das Überleben der Zeitungen? Auch dieser Zustand ist ein ungleicher Wettbewerb durch die Zwangsbeiträge an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vor ein paar Wochen hat der ORF sich selbst gefeiert, da in der Liste der geehrten »Journalisten des Jahres« fast nur deren Mitarbeiter genannt wurden. Während ORF-Journalisten nicht nur ihr stabiles Gehalt beziehen, sondern auch garantierte jährliche Steigerungen genießen, haben – laut einer Umfrage unter freien Journalisten – zwei Drittel von ihnen durch Corona Einkommensverluste erlitten. Redaktionen vieler Zeitungen haben in den letzten Jahrzehnten ihre Mitarbeiterzahl halbiert, Auslandskorrespondenten gibt es immer weniger.

All diese Probleme werden noch durch den »Generationsverlust« der traditionellen Medien verschärft. Von den Pensionisten bis zu den Jugendlichen nimmt das Interesse an Zeitungen und ORF prozentuell ab. Wie sieht also der Medienmarkt der Zukunft aus, wie wird er sich finanzieren und seine Unabhängigkeit bewahren? Es wird Zeit, darüber nachzudenken.

Außenansicht #30, Fazit 180 (März 2022)

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