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Politicks März 2022

| 16. März 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 180, Politicks

Schützenhöfer – ein Großer wird 70
Das Kuriosum, am Schalttag geboren zu sein, führt dazu, dass der nächste reguläre Geburtstag von Hermann Schützenhöfer eigentlich erst der 29. Februar 2024 wäre. Aber das hat den steirischen Landeshauptmann bisher nicht am Feiern gehindert; die Pandemie jedoch schon. Ohne Corona würde sich alles, was in unserem Land Rang und Namen hat, wie schon bei Schützis 50er und 60er, auch beim 70er wieder im Festsaal der Steirischen Arbeiterkammer treffen, um einem großen Steirer zu huldigen. Darüber, dass Schützenhöfer wieder einmal in der AK gefeiert hätte, wundern sich die wenigsten, die ihn näher kennen. Er ist in der Jungen ÖVP und später im Steirischen ÖAAB groß geworden. Das politische Talent des im niederösterreichischen Edlitz geborenen Einzelhandelskaufmanngesellen machte ihn im Jahr 1971 zum Landessekretär der Jungen ÖVP und 1976 zum Landesobmann. 1978 holt ihn sein Mentor und Freund Franz Wegart als Landessekretär zum Steirischen ÖAAB. Seit dieser Zeit ist Schützenhöfer einer der bedeutendsten nicht-sozialdemokratischen Arbeitnehmervertreter des Landes. Er führte die ÖAAB-Fraktion in der Arbeiterkammer an, wo er sich legendäre Gefechte mit der sozialdemokratischen Mehrheit lieferte. Und weil er auch der Erste war, der in Österreich einen gesetzlichen Mindestlohn forderte, hatte er im ÖVP-Wirtschaftsflügel auch nicht nur Freunde. Schützenhöfer konnte immer schon hart austeilen. Er kann aber auch harte Schläge einstecken, ohne den Respekt vor seinem jeweiligen politischen Gegenüber zu verlieren. Und ganz egal welches Handy noch gehackt oder beschlagnahmt wird – ein Chat, in dem Schützenhöfer die SPÖ pauschal als »rotes Gesindel« bezeichnet, wird sich nirgendwo finden.

1994 wurde Schützenhöfer Klubobmann des ÖVP-Landtagsklubs, ein Jahr später stieg er im ÖAAB zum Landesobmann auf. Mitglied der Landesregierung wurde er nach der gewonnenen Landtagswahlsieg der ÖVP am 15. Oktober 2000, wo es Landeshauptfrau Waltraud Klasnic gelang, den Schwung, den Bundeskanzler Wolfgang Schüssel der ÖVP gegeben hatte, für die Steirische ÖVP zu nutzen. Als die SPÖ fünf Jahre später, mit Franz Voves an der Spitze, einen fulminanten Wahlsieg einfahren und dadurch den Landeshauptmann stellen konnte, musste Schützenhöfer plötzlich die nach der Niederlage am Boden liegende steirische ÖVP als Obmann übernehmen. Der Konsenspolitiker überwand seine inneren Widerstände und setzte auf einmal auf einen strikten Oppositionskurs – mit dem Ziel, die ÖVP so rasch wie möglich wieder zur Nummer eins in der Steiermark zu machen. Mit dieser Strategie kam die ÖVP bei der Landtagswahl 2010 zwar bis auf wenige tausend Stimmen an die SPÖ heran, Franz Voves blieb jedoch Erster. Das Ergebnis der Regierungsverhandlungen war die sogenannte Reformpartnerschaft. SPÖ und ÖVP einigten sich auf eine breite Zusammenarbeit, um die Steiermark in vielen Bereichen endlich zu modernisieren und das unter der Regierung »Voves I« explodierte Budgetdefizit einzufangen. Ganz anders als sonst bei zwei Regierungsparteien, die vom Wähler zur Zusammenarbeit gezwungen wurden, passte fünf Jahre lang tatsächlich kein Blatt Papier zwischen Franz Voves und Hermann Schützenhöfer – zwischen SPÖ und ÖVP. Tatsächlich gelang es den beiden gemeinsam mit Walter Kröpfl (SPÖ) und Christopher Drexler (ÖVP) als Regierungskoordinatoren, viele Verkrustungen aufzubrechen. Gegen breite Widerstände wurden nicht nur die Landesverwaltung, sondern auch das Sozial- und Gesundheitswesen modernisiert. Was jedoch nicht gelang, war die Sanierung des Landeshaushalts. Die von unverantwortlichen Banken ausgelöste Weltwirtschaftskrise schlug nämlich voll auf die Steuereinnahmen durch und ließ eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung einfach nicht zu.

Aus heutiger Sicht ist der Mut zu unpopulären Reformen, wie er von Voves Schützenhöfer an den Tag gelegt wurde, nur schwer nachvollziehbar. Nach Jahren der wahltagsgetriebenen Umfragedemokratie erscheinen Reformen im Sozialbereich oder die Auflösung von Bezirken und  Gemeinden wie ein politisches Harakiri. Doch anders als geplant, machten diese den in wenigen Tagen 70-jährigen Jubilar zum Landeshauptmann. Obwohl es Franz Voves bei der Landtagswahl 2015 gelungen war, mit 29,3 Prozent Zustimmung, die Nummer Eins für die SPÖ zu verteidigen, trat er zurück. Er fühlte sich nämlich an sein vor der Wahl gegebenes Versprechen gebunden, bei einem Ergebnis unter 30 Prozent nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Zur völligen Überraschung  aller – angeblich hatte die SPÖ Angst vor einer schwarzblauen Landeskoalition – schlug Voves nicht Michael Schickhofer, seinen designierten Nachfolger als Parteivorsitzender, zum Landeshauptmann vor, sondern seinen Regierungspartner Hermann Schützenhöfer. Selbstverständlich nahm die ÖVP dieses Geschenk an. Und so gelangte Hermann Schützenhöfer am 16. Juni 2015 doch noch an sein Ziel, den steirischen Landeshauptmannsessel. Danach funktionierte auch seine Zusammenarbeit mit der Schickhofer-SPÖ recht ordentlich. Aber natürlich konnte die sozialdemokratische Basis den Schock darüber, dass ihr ehemaliger Obmann den LH-Sessel aus ihrer Sicht einfach verschenkt hatte, nicht so ohne weiteres überwinden. Auf die Reformpartnerschaft folgte »Governance as usual«. Nach der Gemeindestrukturreform, die 2015 in Kraft trat, hatten weder Schützenhöfer noch Schickhofer die Kraft und die Lust zu weiteren harten Einschnitten.

Und so konnte Schützenhöfer – auch angesichts des gewaltigen Popularitätsschubs, den der neue ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz der gesamten Volkspartei gegeben hatte – einen fulminanten Wahlsieg einfahren. Die ÖVP hatte die Wahl nämlich um einige Monate, auf November 2019, vorverlegt und lag damit auch goldrichtig. Schützenhöfer wurde mit einem riesigen Stimmenzuwachs Landeshauptmann – und diesmal, anders als fünf Jahre zuvor, aus eigener Kraft. Doch aus der erwarteten gemütlichen Legislaturperiode, die er nutzen hätte können, um sein politisches Vermächtnis in die Wege zu leiten, wurde nichts. Und noch weiß niemand, wie sich Corona, aber auch die gewaltige Krise, die die ÖVP auf Bundesebene gerade durchlebt, auf die politischen Verhältnisse in der Steiermark auswirken werden.

Eigentlich haben die meisten Insider spätestens mit dem Ende des Vorsitzhalbjahres der Steiermark bei der Landeshauptleutekonferenz am 30. Juni 2021 mit Schützenhöfers Rückzug als Landeshauptmann gerechnet. Und so sehen die landespolitischen Auguren der Tagesmedien diesen Tag nun eben irgendwann zwischen Frühsommer und Herbst kommen. Doch ganz egal, ob und wann der bis Herbst 2024 gewählte Schützenhöfer Platz macht: Er wird einer der letzten Kaufmannsgesellen sein, die es bis zum Landeshauptmann bracht haben und auch seine Größe wird bleiben. Alles Gute zum Geburtstag, Herr Landeshauptmann!

Schützenhöfer – Ist sein Mut
 zum Unpopulären zurück?
Während der Reformpartnerschaft zeichnete sich Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer durch seinen Mut zum Richtigen aus, selbst wenn es aus Sicht der Betroffenen unpopulär war. Dass er immer noch nicht davor zurückschreckt, auch gegen die veröffentlichte Meinung und Reformverweigerung aufzutreten, zeigt sich gerade jetzt wieder in der Impfdebatte. Anders als die Landeshauptleute von Salzburg, Oberösterreich oder Kärnten, die sich in einer Art verzweifelter Kindesweglegung gerade von der Impfpflicht verabschieden, bleibt Schützenhöfer standhaft.

Schließlich hat er als erster maßgeblicher österreichischer Politiker schon im Herbst 2020 eine Impfpflicht gefordert. Aber erst ein Jahr später konnte er sie – gemeinsam mit seinen LH-Kollegen – der in dieser Frage über lange Zeit zaudernden Bundesregierung abtrotzen. Schützenhöfer steht zu seinem Wort. Und so erklärte er vor wenigen Tagen: »Die Impfpflicht kommt zweifellos zu spät. Wir hätten sie zur Bekämpfung der Delta-Variante schon viel früher gebraucht.« Man könne, so der LH, doch kein Gesetz schaffen, und sich danach einfach davon verabschieden. Dabei ist auch dem steirischen Landeshauptmann bewusst, dass der aktuelle Impfstoff nur recht bescheiden gegen die zwar harmlosere, aber umso infektiösere Omikron-Variante wirkt. Und er weiß natürlich auch, dass die vom Nationalrat deutlich abgemilderte Impfpflicht erst in einiger Zeit organisiert und exekutiert werden kann.

Schützenhöfer wird Bundeskanzler Karl Nehammer, der ja erst von den Landeshauptleuten zur Initiierung der Impfpflicht veranlasst werden musste, also ganz sicher nicht in den Rücken fallen. Als darüber zuletzt im Landtag diskutiert wurde, zeigte Schützenhöfer zumindest seine Bereitschaft, über eine Aussetzung der vorgesehenen Strafen zu diskutieren. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die bereits vor Jahrzehnten abgeschaffte Wahlpflicht, die, obwohl entsprechende Verstöße nicht exekutiert wurden, ebenfalls von fast allen befolgt wurde. Damit liegt auch eine gesichtswahrende Lösung auf der Hand. Die Impfpflicht wird zu einer Art Vorratsbeschluss, der erst dann mit Verordnungen scharf gestellt wird, wenn im Herbst auf Omikron nicht nur eine gefährlichere Virusvariante folgt, sondern auch ein entsprechender Impfstoff, der nicht nur wie ein Medikament, das den Krankheitsverlauf abmildert, wirkt.

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Politicks, Fazit 180 (März 2022)

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