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Außenansicht (31)

| 6. April 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 181

Russland vs. China. Kein Vergleich. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als Mao Zedong seinen Konkurrenten Chiang Kai-shek endgültig auf die Insel Taiwan zurückdrängte, war China ein einziger Trümmerhaufen. Jahrzehntelanger Bürgerkrieg zerstörte die Landwirtschaft, die Industrie und kostete Millionen Menschen das Leben.

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Russland vs. China. Kein Vergleich. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als Mao Zedong seinen Konkurrenten Chiang Kai-shek endgültig auf die Insel Taiwan zurückdrängte, war China ein einziger Trümmerhaufen. Jahrzehntelanger Bürgerkrieg zerstörte die Landwirtschaft, die Industrie und kostete Millionen Menschen das Leben.

Die ersten Jahre der Volksrepublik China waren gezeichnet von Fehlplanung, Missernten, Hungersnöten und der Verfolgung von kritischen Intellektuellen und Künstlern. Beinahe die gesamte Intelligenz des Landes wurde vertrieben, eingesperrt oder ermordet. Als dann in den Neunzehnfünfzigerjahren auch noch der Bruch mit der Sowjetunion dazu führte, dass Wissenschaftler, Techniker und Professoren nach Moskau zurückgerufen wurden, schien das Land vor einer nationalen Katastrophe zu stehen.

Niemand hätte damals auch nur ansatzweise China mit der Sowjetunion verglichen, um einen möglichen Unterschied zu beschreiben. Die Sowjetunion war der benachbarten Volksrepublik um Jahrzehnte voraus und China schien trotz aller Anstrengungen den Abstand nicht zu verkleinern, sondern versank im Chaos.

Ein Sprung von 1960 in das Jahr 2022 zeigt ein ganz anderes Bild. In Oxford und Cambridge drängen sich die chinesischen Studenten in den Speisesälen in einem eigenen Bereich, sitzen meist zusammen an einem Tisch und haben kaum Kontakt zu den Kollegen und Kolleginnen. Jedes Jahr werden es mehr.  Russische Studenten sind kaum zu sehen. Der chinesische Präsident hat bei seinem letzten Besuch in England das »Imperial Colleges« besucht, eine der besten Universitäten der Welt mit einem extrem hohen Anteil an Studenten aus China. Kann sich jemand erinnern, dass Putin jemals eine Universität besuchte, weil dort so viele Studenten aus Russland studierten?

China ist etwa halb so groß wie die Russische Föderation – mit zehn Mal so vielen Einwohnern. Die Lebenserwartung der Männer liegt in China sieben Jahre über der von Russland, die der Frauen ist etwa vergleichbar. Alle anderen Werte wie Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Gesundheitsversorgung und Ausbildung sind durchaus vergleichbar, keiner der beiden Staaten ist gegenüber dem anderen voraus oder zurück. Dennoch, ein Wert lässt die unterschiedliche Entwicklung besser verstehen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist in zwei Jahrzehnten in China von 318 auf 10.500 US-Dollar nach oben geschossen, und ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. In Russland hat es sich kaum verändert, ist in den letzten Jahren sogar leicht rückläufig. China könnte in den nächsten Jahren die USA als weltweit größte Volkswirtschaft ablösen, und das ohne Öl und Bodenschätze.

Während die Transsibirische Eisenbahn wie vor hundert Jahren im Schritttempo von Moskau nach Vladivostok schleicht, hat China Dutzende Schnellverbindungen gebaut – mit Zügen, die bis zu 600 Kilometer pro Stunde fahren könnten. Die Strecke von Peking nach Shanghai mit 1300 Kilometer dauert etwas mehr als vier Stunden, genauso lang wie der Zug von Wien nach Klagenfurt. China plant in den nächsten 15 Jahren 216 neue Flughäfen, dutzende neue Bahnverbindungen und modernisierte Bahnhöfe. In den Städten nördlich von Hong Kong fühlt man sich wie in einen futuristischen Film versetzt, mit Wohn- und Verkehrsflächen auf bis zu zehn verschieben Ebenen.

Beide Länder sind mit westlichen Demokratien nicht vergleichbar. Die Menschenrechte werden missachtet, es herrscht weder Pressefreiheit noch gibt es freie Wahlen. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied: China hat sich das Ziel gesetzt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern; Russland lebt in dem Wahn, wieder eine wichtige Großmacht zu werden und investiert die Einkünfte der Exporte in Militär und die Entwicklung moderner Waffen. Der historische Beweis des Unterschieds ist ebenso eklatant. Während die »Große Chinesische Mauer« ein Zeichen der Verteidigung ist und China nie in seiner Geschichte Expansionspolitik betrieben hatte, ist Russland das Symbol für Imperialismus und Expansion.

Ein einfacher Test des Alltags zeigt die unterschiedliche Entwicklung. Auf billigen Souvenirs, auf teuren Mobiltelefonen und den neuesten Tennisschlägern finden wir das Kleingedruckte »Made in China«. Dagegen ist ein »Made in Russia« nirgends zu finden. Die gesamte Volkswirtschaft Russlands liegt unter der Erde.

Außenansicht #31, Fazit 181 (April 2022)

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