Anzeige
FazitOnline

Lehre statt Studium

| 6. April 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 181, Serie »Erfolg braucht Führung«

Handwerk hat goldenen Boden. Ein Gespräch von Carola Payer mit Christian Holzer, Chef eines Handwerkbetriebs bei Graz.

::: Hier im Printlayout online lesen

Das Handwerk war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine der tragenden Säulen der Wirtschaft und war in Zünften organisiert. Handwerker stellten alles her, was die Bevölkerung zur Lebensbewältigung nicht selbst herstellen konnte: Behausung, Einrichtung, Nahrung, Kleidung, Werkzeuge. Handwerk war immer geprägt von Fortschrittsgeist und Innovationskraft, steht aber auch für traditionelle Werte. Bei der Ausbildung galt immer der Generationenvertrag und Fertigkeiten wurden vom Meister zum Gesellen und dem Lehrling wieder vermittelt. Kein Berufsfeld verknüpft die Anforderungen modernster Technologie und überlieferter Tradition so konsequent wie das Handwerk. Berufseinsteiger können sich über gute Arbeitsmöglichkeiten freuen. In diesen Berufen werden Arbeitskräfte knapper und knapper. Vor allem aufgrund des seit Jahren bestehenden Trends zunehmender Akademisierung. Immer mehr Schüler machen einen Abschluss mit Matura und gehen danach an eine Fachhochschule oder Universität. Das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ entspricht immer mehr der Wirklichkeit. Wer heute eine gute Ausbildung zum Elektriker, Installateur, Tischler oder Schlosser macht, hat bessere Chancen am Arbeitsmarkt als mit einem Soziologie- oder Jusstudium. Christian Holzer zu den Gründen, einen Installationsbetrieb zu gründen: »Das war eigentlich ein Zufall. Ich habe die Unternehmerschule gemacht und mein Chef hat zugesperrt. Da habe ich spontan beschlossen einen Betrieb zu gründen. Am Anfang habe ich noch stark aktiv mitgearbeitet. Jetzt bereite ich die Projekte vor, manage die Ressourcen und führe meine 13 Mitarbeiter. Handwerk hat für mich dann goldenen Boden, wenn die Qualität stimmt und ein profundes technisches Know-how vorhanden ist. Dann rennt es. Ohne Qualität kann sich ein Handwerksbetrieb nicht vergolden.«

Agilität im Handwerk – Anpassung an die Auftragslage
Nachdem gute Handwerksbetriebe bei Kunden sehr begehrt sind, ist die Auftragslage naturgemäß gut. Umso herausfordernder ist es, wenn Mitarbeiter ausfallen. Was ist der Schlüssel, um Kundenwünsche dennoch rasch und verlässlich zu bedienen? Christian Holzer managt das sehr professionell. Er hat zwei Mitarbeiter mehr als er benötigt, um die unvorhersehbaren bzw. nicht geplanten, meist in der Priorität akuteren (etwa ein Rohrbruch) Kundenanforderungen zu bearbeiten. Er definiert klar die Prioritätenreihung der Aufträge und setzt auf ehrliche Kommunikation zum Kunden hin. Wer es kalt oder einen Rohrbruch in seinem Haus hat, wird als erstes bedient. Christian Holzer: »Aktuell haben wir drei Partien Facharbeiter und Helfer, die für längerfristige Bauwerke verplant sind. Die Wartezeit beträgt momentan so zirka einen Monat. Wir können innerhalb von 24 Stunden auf Notfälle reagieren. Eine Partie ist von Montag bis Mittwoch fix verplant, die andere ist der Springer im System. Saisonbedingt ist der spontane Einsatz unterschiedlich. Im Herbst ist meist alles akut. Da klingelt das Telefon im Minutentakt!«

Fehlende Lehrlinge als Bedrohung der Branche
Christian Holzer sieht eine sehr düstere Zukunft für qualifizierte Facharbeiter: »Lehrlinge zu finden, ist schon fast unmöglich. 2013 haben im Schnitt zehn Lehrlinge bei uns wegen einer Lehre angefragt, 2021 kein einziger mehr. Es fehlt bei den Lehrlingen die mittlere Leistungsqualität. Die Guten sind meist gleich weg vom Arbeitsmarkt und jene mit schlechteren Voraussetzungen tun sich überall schwer, eine Lehre zu finden. Im Jahr 2016 hatte ich einige Anfragen von jungen Frauen. Grundsätzlich gibt es von Frauen eher wenig Interesse. Unser Beruf erfordert auch eine gewisse körperliche Voraussetzung, die Kraft betreffend, die man mitbringen muss. Mädchen haben auf jeden Fall die gleichen technischen Fähigkeiten und das gleiche Grundverständnis wie Männer. Beim Thema Sauberkeit auf der Baustelle und beim Kunden, was bei uns sehr wichtig ist, sind sie um einiges aufmerksamer. Es kommt mehr auf die Persönlichkeit als auf das Geschlecht an. Wer Abwechslung in den Aufgaben mag, bereit für Weiterbildung bei Heizungssystemen ist, gern selbständig auf den Baustellen arbeitet, passt gut in unser Berufsbild. Die große Bandbreite eines Handwerksberufes müsste wieder mehr hervorgehoben und publik gemacht werden. Dann würden sich vielleicht viel mehr Jugendliche dafür interessieren. Wir verlegen nicht nur Heizungsrohre oder lösen Kanalverstopfungen!« Engagierte und erfahrene Mitarbeiter mit langer Zugehörigkeit fördert er besonders. Christian Holzer: »Wer mehr Nutzen einbringt, soll auch mehr Chancen haben!«

Zahlreiche Herausforderungen für das Unternehmen
Christian Holzer: »Zum Glück haben wir vier unterschiedliche Großhändler in Graz. Momentan geht es noch. Ich muss mir aber alle Produkte von den unterschiedlichen Lieferanten zusammenwürfeln. Artikel mit Elektronik haben eine Wartezeit von zwei Monaten. Aktuell ist die Teuerung vom C-Stahl-Rohr zirka 110 Prozent. In der Menge wird das zum Problem, wenn man zum Beispiel einen ganzen Wohnblock mit Heizungsrohren ausstatten muss. Generell ist momentan alles um fünf Prozent teurer. Das Management des Einkaufs wird noch wichtiger. Nach der Auftragsvergabe bestellen wir sofort beim Großhandel und lagern es dort.« Drei Heizungssysteme sind aufgrund der geltenden Förderungen sehr gefragt: Fernwärme, Pellets-Anlagen und Wärmepumpen. Die Fachabteilung Heizung der WKO bietet hier ein breites Spektrum an Weiterbildungen an. Nur in Partnerschaft mit einem konzessionierten Wärmepumpeninstallateur kann der Kunde die Förderung lukrieren. Christian Holzer: »Auch wir sind durch diese Ausbildung bei der Wirtschaftskammer dafür berechtigt.« Die Umrüstung auf elektrische Heizsysteme, wie Wärmepumpen, ist riesengroß. Christian Holzer: »Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine wollen die Leute ihre Flüssiggas-Anlagen austauschen. Eine Alternative zu Gas ist jetzt plötzlich gefragt.« Energieeffizienz wird Kunden immer wichtiger. Christian Holzer: »Wir machen eine Klimaanlage nur gekoppelt mit einer Photovoltaikanlage. Das macht den meisten Sinn. Tagsüber braucht die Klimaanlage Strom.« Bei Heizungen ist die Digitalisierung mittlerweile ein großes Thema. Christian Holzer: »Digitale und visuelle Heizungsregelung mittels Tablets und Handys und die Fernregelung der Heizungssysteme zur Optimierung des Energieaufwandes sind bei den Kunden sehr gefragt.«

Die Qualität der Berufsausbildung wird in erfolgreichen Handwerksbetrieben immer noch sehr hoch gehalten. Es müsste gesellschaftlich noch viel mehr von Interesse sein, dass bewährte, über Generationen erworbene Fertigkeiten weitergegeben werden. Zunftwissen in Kombination mit den neuen digitalen Möglichkeiten bieten Unternehmen Erfolgschancen und Mitarbeitern einen spannenden, sehr wertschöpfenden Beruf. Der Erhalt dieses Handwerkswissens ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht wichtiger denn je. Steigende Rohstoff- und Energiepreise, wachsendes Bewusstsein für Umwelt und Regionalität erhöhen die Bedeutung des Handwerks und führen eventuell vermehrt zu einer Renaissance von Reparatur und Sanierung. Christian Holzer auf die Frage, was ihn tagtäglich motiviert, sich für das Installationshandwerk einzusetzen: »Die Kundenzufriedenheit motiviert mich und dass wir unser technisches Knowhow tagtäglich mit hoher Qualität für unsere Kunden umsetzen. Auch wenn die Energiekosten steigen, den Bedarf zu heizen wird es immer geben. In Zukunft wird es noch wichtiger sein, den Kunden bei der Auswahl und Installation des richtigen Systems oder der richtigen Systemkombination, wie zum Beispiel einer Solaranlage zur Heizungsunterstützung, zu beraten.«

Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 181 (April 2022), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 48)

Kommentare

Antworten