Tandl macht Schluss (Fazit 181)
Johannes Tandl | 6. April 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 181, Schlusspunkt
Putin muss weg! Und nicht die EU-Wirtschaft. Die Diskussion über einen Importstopp von russischem Öl und Gas bleibt nicht zuletzt wegen der verzweifelten Apelle des ukrainischen Präsidenten auf der Agenda. Wolodymyr Selenskyj hat jedes Recht der Welt, unsere Solidarität einzufordern. Das betrifft Waffenlieferung ebenso wie den Boykott russischer Energielieferungen an die EU oder die Luftunterstützung der Ukraine durch die Nato. Während westliche Waffen außer Streit stehen, bleibt Selenskyj bei der Forderung von Nato-Luftangriffen ebenso ungehört wie beim Aufruf, russisches Gas für Europa zu boykottieren. Denn beides wäre kontraproduktiv. Österreich kann zwar recht rasch das russische Öl ersetzen, beim Erdgas sind wir jedoch zu etwa 80 Prozent von den russischen Gazprom-Lieferungen abhängig. In Deutschland sind es etwa 45 Prozent. Daher ist die EU zumindest mittelfristig auch weiterhin auf russisches Gas angewiesen.
Daran ändert auch die europäische Empörung darüber nichts, dass Putins zukünftig nur mehr gegen Rubel liefern will. Um das Gas bezahlen zu können, müssten die dafür notwendigen Rubel nämlich zuvor bei der russischen Zentralbank gegen Euro getauscht werden. Damit würde die EU den Kurs des Rubels stützen, statt den mit den Sanktionen beabsichtigten russischen Staatsbankrott herbeizuführen.
In Deutschland ist mit »Frieren für die Freiheit« eine gefährliche Boykottbewegung entstanden, die kurzfristig alle EU-Energieimporte aus Russland stoppen will. Initiator war der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauk. Aus seiner Sicht seien die Wohlstandsverluste durch einen Boykott sogar jahrelang zu ertragen. Dabei steht fest, dass dieser Boykott Europa mehr Schaden zufügen würde als Russland. Putin kann sein Gas nämlich mittelfristig problemlos nach China und Indien verkaufen. Und die Lieferverträge kann er schon jetzt – noch bevor ein Kubikmeter Gas geflossen ist – um viele Milliarden Euro, Dollar, Yuan oder gar Rupien monetarisieren. Ein Energieboykott würde die Finanzierung des verbrecherischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht gefährden. Die EU hingegen braucht ständig verfügbare bezahlbare Energie. Sonst würde nicht nur unser Lebensstandard dramatisch sinken, Schlüsselbereiche unserer Industrie hätten plötzlich keine Zukunft mehr in Europa.
Entsprechend groß ist die Sorge bei sozial engagierten Politikern, die immer mehr Steuergeld für Heizkostenunterstützungen zur Verfügung stellen müssen, und bei Gewerkschaften und Wirtschaftsvertretern. »Den Gashahn von heute auf morgen so stark zu drosseln, hätte katastrophale Auswirkungen auf unser alltägliches Leben«, ist etwa IV-Präsident Georg Knill überzeugt, denn damit würden wir unsere Industrie und Arbeitsplätze vernichten.
Besorgniserregend ist die Forderung »Frieren für die Freiheit« auch deshalb, weil sie nicht mehr nur von Joachim Gauck – übrigens einer der am besten bezahlten Politpensionisten der Welt – kommt. Sie findet europaweit breite Unterstützung bei all jenen, die eine Chance erkennen, mit den Putin-Sanktionen gleichzeitig auch ein schnelleres Ende der fossilen Energien herbeizuführen. Wenn gleichzeitig die wirtschaftliche Vormachtstellung Deutschlands innerhalb der EU geschwächt wird, wäre das ein weiterer positiver Nebeneffekt.
Mit den Fridays-for-Future-Kindern fordern europaweit gleichzeitig viele einschlägige Journalisten einen russischen Energieboykott. Auch die Biden-Administration will die Chance nutzen, endlich mehr amerikanisches Fracking-Gas nach Europa zu verkaufen.
Dass dem womöglich größenwahnsinnig gewordenen »Zaren« dadurch das Geld für seinen Angriffskrieg ausgeht, bleibt ein frommer Wunsch. Putin hat seit seinem legendären Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 nichts unversucht gelassen, um die freie Welt zu destabilisieren. So hat er Georgien überfallen, steckt hinter den Kriegen in Syrien und Libyen sowie zahlreichen afrikanischen Bürgerkriegen. Er hat der Ukraine die Krim und den Donbass gestohlen, den Brexit befeuert und mitgeholfen, den NATO-Gegner Trump zum US-Präsidenten zu machen. Putin muss weg. Und zwar noch bevor überzogene und wirkungslose Sanktionen zu Armutsunruhen in Europa führen.
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