Life is going on
Volker Schögler | 12. Oktober 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 186, Fazitbegegnung
Wer sind schnell die, vor denen uns unserer Eltern gewarnt haben? Wir selbst? Die anderen? Wer weiß das schon. Kierkegaard und Hebbel waren sich vor 200 Jahren einig: Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte. Auf den heute 71-jährigen Alex Rehak trifft das nicht zu. Als er mit 14 zur Firmung 500 Schilling bekommt, investiert er nicht in einen Bausparvertrag, sondern in eine Wandergitarre und gründet seine erste Band, »The Strangers«.
::: Hier im Printlayout online lesen
Als Friseurmeisterin in der Grazer Zinzendorfgasse hätte seine Mutter ihn gern als Friseur oder zumindest als Arzt gesehen, doch Alexander absolviert eine Lehre als Musikalienhändler bei den Firmen Stanberg und Nedwed. Mit 17 spielt er bereits bei der Psychodelic-Rock-Formation »Hide and Seek« auf, wo auch Wilfried Scheutz sang, und gewinnt mehrfach den steirischen Bandwettbewerb. Nach einem kurzen Intermezzo als Tanzmusiker (»Die lustigen Steirerbuam«) in Kärnten erhält er 1970 einen Anruf von Fredi Steinbrenner, dem Manager der »International Travellers«, dass ein Bassist gesucht wird. So lernt er Johann Köberl alias Jimmy Cogan und Werner Zwirn alias Roger Menas kennen. Aus namensrechtlichen Gründen muss sich die Gruppe umbenennen und bedient sich kurzerhand beim damals gerade erschienen Album »Turning Point« des britischen Blues-Musikers John Mayall. Der »Small Faces«-Fan und Autodidakt Alex Rehak lernt innerhalb von wenigen Tagen das Repertoire der Band und er bringt zwei Geschenke mit. Eine Wahnsinnsstimme und eine Eigenkompostion: »Easy Song« (sing a song of lalala) wird der erste Hit, die Debüt-LP »Life is going on« wird ein sensationeller Verkaufserfolg, 50.000 Langspielplatten gehen über den Verkaufstisch. »Ö3 hat die Platte damals rauf und runtergespielt, aber wahrscheinlich nur, weil sie geglaubt haben, dass das eine englische Band ist«, grinst Alex Rehak heute noch.
Damit gilt Turning Point als die erste erfolgreiche Popband Österreichs. Die AKM-Gebühren belaufen sich damals auf 170.000 Schilling – für die Neunzehnsiebzigerjahre sensationell, aus heutiger Sicht nüchterne 12.000 Euro. Die Kombination aus Jimmy Cogans Kompositionen – wobei etwa »Life is going on« aus der Feder von Roger Menas stammt – und der Begabung von Rehak als Entertainer und Rampensau passt genau in die Zeit. So stehen mehr als 250 Konzerte pro Jahr am Programm, quer durch Europa tourt die Gruppe mit Rocklegenden wie Deep Purple, Black Sabbath, Ozzy Osborn oder Rory Gallagher. Alex Rehak führt ein Rockerleben, wie es im sprichwörtlichen Buch steht, große Blondinen bevorzugt. Allein im Dezember 1973 tritt er mit Turning Point in einer Show im Sender »Freies Berlin« auf, es folgt ein Konzert in der damals noch geteilten Stadt, unmittelbar danach ein Auftritt in der berühmten Hamburger »Fabrik«, dann Fernsehaufnahmen im ZDF, am 21. Dezember das »Finale 73« im Grazer »Haus der Jugend«, dem heutigen Orpheum und zu Silvester noch bei Peter Rapps »Spotlight« im ORF. 1974 erleidet er mit 23 Jahren auf offener Bühne einen Schlaganfall, das Ende der Gruppe ist vorprogrammiert.
Nach der Trennung der Band schlüpft Rehak in die Rolle des Produzenten: »Gemeinsam mit der Catch-Legende Otto Wanz habe ich den Hit »Young, strong and healthy« produziert und mit »Hexen« von Ecco für die Landesausstellung auf der Riegersburg waren wir 1987 für 16 Wochen in der Ö3-Hitparade.« Dafür gab es auch den Schallplattenpreis »Orfeus« für die meistverkaufte Single. »Mein Leben ist Vision und Idee zugleich«, blickt Rehak auf eine bewegte Künstlervergangenheit zurück. Ideen setzt er dabei immer wieder erfolgreich um: So auch 1986, als er die »Band für die Steiermark« mitbegründet und etwa mit dem »Erzherzog Johann Blues« punkten kann.
Als quirliges Universaltalent engagiert er sich häufig für soziale Projekte, dazu zählt auch die Eröffnungszeremonie der Special-Olympics-Winterspiele 1993 in Schladming, wo er für Idee, Drehbuch, Organisation und Regie sorgt. Ausgezeichnet mit dem Goldenen und mit dem Großen Ehrenzeichen des Landes Steiermark sowie dem Großen Ehrenzeichen der Republik Österreich kämpft sich der Überlebenskünstler nach einer Hüftoperation und einem schweren Treppensturz wieder in sein buntes Leben zurück. Wehmütig ist Urgestein und Evergreen Alex Rehak nicht– weil er der ist, der er sein möchte. Das hat wohl auch Oscar Wilde gemeint, als er schrieb: Sei du selbst, denn alle anderen gibt es schon.
Alex Rehak wurde am 27.4.1951 in Graz geboren und wuchs in der Elisabethstraße auf. Der Gitarrist, Sänger und Produzent ist geschieden, er gilt als Wegbereiter der österreichischen Popszene. Als Sänger und Bassist von »Turning Point« tourte er mit den ganz Großen des Rock ’n’ Roll durch Europa. Mit »Life is going on« und dem »Easy Song« hat er sich früh ein eigenes Denkmal gesetzt.
Fazitbegegnung, Fazit 186 (Oktober 2022) – Foto: Heimo Binder
Kommentare
Antworten