Politicks Dezember 2022
Johannes Tandl | 10. Dezember 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 188, Politicks
Die VP will die Menschenrechtskonvention reformieren
Dass die Europäische Menschenrechtskonvention dringend reformiert werden müsste, ist spätestens seit der Massenmigration des Jahres 2015 ebenso klar wie die Tatsache, dass das zum Ding der Unmöglichkeit geworden ist. Die Umjudizierung der Konvention durch den Straßburger Menschenrechtsgerichtshof ist nämlich hauptverantwortlich dafür, dass die EU-Mitglieder keine wirksame Handhabe gegen Asylmissbrauch und illegale Migration mehr haben. Schließlich dürfen illegale Migranten kaum mehr in sichere Staaten, durch welche sie sich schleppen ließen, abgeschoben werden. Diese Umdeutung der EMRK durch den Menschenrechtsgerichtshof EGMR war zudem ein wesentlicher Grund, dass das Brexit-Votum im Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU mündete. Das Argument, mit dem Brexit die Kontrolle über die Zuwanderung zurück in die nationale Verantwortung zu holen, war für den Großteil der Briten einfach viel verfänglicher als der Verbleib in der Union.
Und ähnlich wie bei den Briten verhält es sich inzwischen bei vielen EU-Bürgern. Sie unterstützen zwar die Menschenrechte, nicht jedoch die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ausschlaggebend für das Misstrauen gegen die Höchstrichter dürfte deren vermeintliche EU-Nähe sein. Die Entscheide aus Straßburg werden vor allem von jenen EU-Kritikern argwöhnisch beäugt und bewertet, die ihre Ablehnung gegen Brüssel überwiegend am demokratisch kaum legitimierten Umbau der ehemaligen Wirtschaftsunion »EG« zur politischen Union »EU« festmachen.
Dabei hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte überhaupt nichts mit dem Umbau der EU – weg von der Wirtschaftsunion – zu tun. Er wurde 1959 in Straßburg von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherzustellen. Seit damals urteilt der EGMR über Beschwerden einzelner Personen sowie Personengruppen und Staaten, die sich auf Verletzungen der in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Rechte beziehen. Und bereits seit 1998 ist der EGMR ein ständig tagender Gerichtshof, an den sich die Bürger wenden können, nachdem der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft ist.
Die vom Gerichtshof gefällten Urteile sind bindend und zwingen die Regierungen dazu, ihren Rechtsrahmen und ihre Verwaltungspraxis entsprechend zu ändern. Dass die sich ändernde Rechtsprechung zu einer völlig neuen Menschenrechtskonvention geführt hat, ist in vielen Bereichen eine Tatsache. Dennoch ist dieser Umstand nicht irgendwelchen selbstherrlichen Höchstrichtern anzulasten, sondern einer entsprechenden Unreformierbarkeit der EMRK, die in der komplexen Rechtsstruktur begründet liegt und de facto bei jeder Änderung sowohl eine Einstimmigkeit unter den EU- und Europarats-Mitgliedern vorsieht als auch einen weitgehenden nationalen Konsens sämtlicher Mitgliedsstaaten. In Österreich etwa steht die EMRK seit 1960 im Verfassungsrang. Und die Opposition reagierte auf die Reformwünsche von VP-Klubobmann August Wöginger ähnlich ablehnend wie dessen Parteikollegin EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler oder Justizministerin Alma Zadić vom grünen Regierungspartner. Der Letzte, der vor dem VP-Klubchef eine Änderung der EMRK anregte, war übrigens der türkisblaue Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ. Dessen Vorstoß wurde vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz jäh gestoppt.
VP-Klubchef Wöginger weiß – wie auch die VP-Landeshauptleute – natürlich ganz genau, dass es keine realistische Chance gibt, die EMRK oder die Rechtsprechung des EGMR zu ändern. Daher gibt der EGMR mit seinen unliebsamen Entscheidungen einen nahezu perfekten Sündenbock für eine in Bedrängnis geratene Regierungspartei ab. Denn kaum ein Thema eignet sich besser für eine politische Nebelgranate als ein solches, bei dem von vornherein feststeht, dass man es trotz Zustimmung bei weiten Kreisen der Bevölkerung nicht ändern kann.
Am EU-Außengrenzschutz und der rigorosen Schlepperverfolgung führt daher kein Weg vorbei, wenn man die illegale Migration in den Griff bekommen will. Und ebenso wenig an der dramatischen Professionalisierung und Beschleunigung der Asylverfahren von mehreren Jahren auf wenige Wochen.
Strompreisbremse: Kleine Haushalte bevorzugt, große bestraft!
Die Rekord-Teuerung hält Österreich weiterhin in Atem. Und allen, die sich gewundert haben, dass sie von der Energie Steiermark im November nur eine Zwischenvorschreibung statt einer Jahresabrechnung und -vorschreibung erhalten haben, sei gesagt. Ab Dezember tritt die im Oktober beschlossene Strompreisbremse in Kraft. Die ist, weil sie die Zahl der in einem Haushalt lebenden Menschen nicht berücksichtigt, sondern ausschließlich je Stromzähler ausbezahlt wird, zwar alles andere als treffsicher, aber zumindest werden die ersten 2.900 Kilowattstunden, die je Zähler verbraucht werden, mit 10 Cent gedeckelt. Der Netzkostenzuschuss folgt dann im Januar 2023. Finanzminister Magnus Brunner erwartet durch die beiden Maßnahmen Entlastungen von bis zu 700 Euro pro Jahr und Haushalt.
Die Strompreisbremse gilt von 1. Dezember 2022 und bis einschließlich 30. Juni 2024. Sie kommt automatisch auf der Stromrechnung in diesem Zeitraum zur Anwendung. Die Berechnungsgrundlage bildet der durchschnittliche Stromverbrauch eines dreiköpfigen Haushaltes in Österreich. Dieser liegt bei 2.900 Kilowattstunden jährlich. Im Zeitraum von Dezember 2022 bis Juni 2024 wird der Strompreis nun also für alle Haushalte bis zu einem Verbrauch von 2.900 kWh mit 10 Cent pro kWh festgesetzt. Für den darüber liegenden Stromverbrauch muss der geltende Marktpreis bezahlt werden. Der Schönheitsfehler: Größere Haushalte oder Bewohner von Wohnungen ohne eigenen Zähler schauen durch die Finger. Eine zusätzliche Entlastung, die auch die Anzahl der in einem Haushalt lebenden Personen berücksichtigt, ist zwar angekündigt, sie wurde jedoch bis jetzt nicht konkretisiert. Das Kontingent von 2.900 kWh soll laut Bund etwa 80 Prozent des durchschnittlichen Stromverbrauchs in durchschnittlichen österreichischen Haushalten entsprechen. Der durchschnittliche Haushalt umfasst drei Personen. Daher werden kleinere Haushalte bevorzugt und größere massiv benachteiligt.
Grazer Linkskoalition in Budgetnöten
Als der Grazer ÖVP-Stadtrat Günter Riegler bereits bei der Budgetpräsentation darauf hingewiesen hat, dass das von KPÖ-Finanzstadtrat Manfred Eber präsentierte Budget unmöglich halten werde, sprach man innerhalb der Grazer Linkskoalition von schlechten Verlierern. Schließlich habe man von der ÖVP-FPÖ-Stadtregierung 1,6 Milliarden Euro an Schulden geerbt. Inzwischen hat auch der Grazer Stadtrechnungshof festgestellt, dass die Zahlungsfähigkeit der Stadt durch das KPÖ-Budget gefährdet ist. Das von KPÖ-Finanzstadtrat Manfred Eber vorgelegte Budget sei von Anfang an nicht gesetzeskonform gewesen und trotz mehrfacher Urgenz habe es keine Sanierungsversuche durch die Linkskoalition gegeben.
Beim Budgetgemeinderat musste sich ÖVP-Klubchefin Daniela Gmeinbauer noch Unsachlichkeit vorwerfen lassen. Die hohen Sozialausgaben würden nicht nur das Budget sprengen, sondern die Leute in eine Spirale der sozialen Abhängigkeit führen, warf sie der KPÖ vor. Die Wirtschaft werde hingegen von der Koalition ignoriert. Daher sollte die Überschrift über dem Budget besser »Armut für alle« lauten, so Gmeinbauer.
In einer Pressekonferenz wies Bürgermeisterin Elke Kahr auf die schwierige budgetäre Lage der Stadt Graz hin. Graz sei seinen Verpflichtungen jedoch in der Vergangenheit noch immer nachgekommen und werde das auch weiterhin so halten. Daher stünden weder die Einsetzung eines Regierungskommissärs – die Landesregierung bestätigte das – noch Neuwahlen im Raum.
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Politicks, Fazit 188 (Dezember 2022)
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